2006-10-26 17:11:18

Vatikan: Militärbischöfe tagen


RealAudioMP3 Militärbischöfe und Militär-Seelsorger aus der ganzen Welt treffen sich in dieser Woche zu einem Kongress im Vatikan zum Erfahrungsaustausch:

Krieg und Frieden – diese beiden Begriffe haben in den vergangenen 50 Jahren gerade in Europa eine ziemliche Bedeutungsverschiebung erlebt. Streitkräfte sind überwiegend zu Friedenskräften geworden. Aus Sicht der Militärseelsorge ist das erfreulich, sagt der österreichische Priester Werner Freistetter, der das Institut für Frieden und Religion leitet und früher selbst Soldaten pastoral betreut hat. Allerdings sind die Einsätze für diese Friedenskräfte heute vielleicht sogar – unter Anführungszeichen - „kriegerischer“ als zu Zeiten des Kalten Krieges.

„Es ergibt sich die paradoxe Situation, dass man sich zu Zeiten des Kalten Krieges auf einen großen, aber unwahrscheinlichen Krieg vorbereitet hat. Jetzt hingegen, in Friedensmissionen, in schwierigen Situationen, etwa Bürgerkriegen im Ausland, ist es so, dass Soldaten sich darauf vorbereiten müssen, in Einsätze geschickt zu werden, die militärische Gewalt implizieren können. Einerseits ist die ethische Legitimation für solche Einsätze sicher allgemein verständlicher geworden, für die Soldaten allerdings gibt es neue Herausforderungen, und damit auch für die Militärseelsorge.“

Das sind im Einzelnen ethische und interkulturelle Herausforderungen, sagt Freistetter.

„Es stellen sich auch Fragen tieferer Art nach Krieg und Frieden, nach dem Sinn ihres Tuns, nach dem Risiko von Verwundung und Tod, eine ganze Reihe von Fragen, die für Militärseelsorger außerordentlich herausfordernd und interessant sind.“

Oft kommen junge Männer beim Militärdienst zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder mit der Kirche in Kontakt. Eine Riesenchance, sagt Frantisek Rabek, der Militärbischof der Slowakei, dessen Land 1990 die Wende aus dem Kommunismus vollzog.

„Die Mehrheit unserer Soldaten ist getauft, sie haben auch schon einen gewissen Kontakt mit dem christlichen Leben gehabt. Aber manchmal, oder eigentlich oft, sind die Kenntnisse über den Glauben ungenügend. Und auch viele praktische Fragen sind nicht genügend aus der sicht des Glaubens bewältigt. Diese Neu-Evangelisierung ist sehr, sehr aktuell bei uns.“

Wie übt ein Soldat aus dem Geist des Christentums heraus seinen Beruf aus? Heutzutage eine Friedensmission zu erfüllen, heißt mitunter, einen ungerechten Aggressor in die Schranken zu weisen, notfalls auch unter Androhung „gerechter Gewalt“, wie Werner Freistetter es formuliert.

„Die Soldaten bekommen für jeden Einsatz so genannte „rules of engagement“, das sind Regeln für den Waffengebrauch und ihren Einsatz, an die sie sich strikt zu halten haben.“

Nochmals nachgefragt: Was unterscheidet gerechte von ungerechter Gewalt? Der Unterschied setzt schon beim Auftraggeber der Mission an. Friedenssoldaten erhalten ihre Weisungen normalerweise auf UNO-Mandat.

„Das Unterschiedet sich wesentlich von einer Situation eines marodierenden Bandenmitglieds in einem Bürgerkrieg, oder von einer sich auflösenden Armee, die in irgendeinem Gebiet ihre Herrschaft ausübt, und wo ein Warlord irgendwelche Truppen rekrutiert. Das sind zwei verschiedene Dinge. Insofern ähnelt eine solche Aufgabe des Soldaten mehr einer internationalen Polizeiaufgabe, die aus letztes und äußerstes Mittel Gewalt androhen und ausüben darf, aber in streng geregelten Grenzen.“

Die Militärbischöfe und –Seelsorger, die sich dieser Tage im Vatikan treffen, stammen aus höchst unterschiedlichen Kulturkreisen, haben also auch unterschiedliche politische und militärische Traditionen.

„Es wurde viel über die Kluft zwischen USA und Europa in der Politik bezüglich militärischer Einsätze diskutiert. Für den katholischen Bereich allerdings kann ich sagen, dass wir natürlich sowohl in Europa als auch in Amerika und auch anderswo – ich war gerade in Kenia auf Einladung des dortigen Militärbischofs – überall, wo katholische Militärseelsorger sind, die Lehre der katholischen Kirche über Krieg und Frieden beachtet wird. Dass dies in unterschiedlichen Staaten mit unterschiedlicher Sicherheitspolitik auf Schwierigkeiten unterschiedlicher Art stößt, gehört einfach dazu.“

Als Gegenstück zur US-amerikanischen Ausformung der Sicherheitspolitik kann Österreich herhalten. Die Alpenrepublik begeht am 26. Oktober ihren Nationalfeiertag und gedenkt dabei der immerwährenden Neutralität. Und jedes Jahr gibt es, mal mehr, mal weniger lebhafte Debatten über den Sinn der Neutralität heute. Wo liegt dieser Sinn aus der Sicht von Werner Freistetter?

„Selbstverständlich ist Österreich heute als neutraler Kleinstaat dazu aufgerufen, seine solidarischen Beiträge auch im Rahmen der EU und der Zusammenarbeit der Staaten und Völker weltweit zu leisten. Neutralität ist sicher kein Konzept des Sich-Ausruhens und sich-Nicht-Engagierens, Insofern hat sich die Lage nach dem Fall des Kommunismus sicher geändert. Neutralität hat sicher eine bleibende Bedeutung, aber es geht heute darum, sich in das vielstimmige Konzert von Staaten einzubringen, um hier einen Beitrag für die Stabilisierung in der Welt zu leisten.“

(rv 25.10.06 gs)







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