Nardini wurde am 25. Juli 1821 in Germersheim geboren. Er wuchs bei einer Großtante
auf und wurde 1840 ins neu eröffnete Bischöfliche Konvikt in Speyer aufgenommen. Nach
dem Studium der Philosophie und Theologie wurde er am 22. August 1846 im Dom zu Speyer
zum Priester geweiht. 1851 wurde Nardini von seinem Bischof die Pfarrei Pirmasens
übertragen. Die junge Industriestadt entwickelt sich zu einem Zentrum der Schuhherstellung.
Doch gleichzeitig gibt es große soziale Not. Die Speyerer Kirchenzeitung "Der christliche
Pilger" berichtet von "Armut und mannigfachen Notständen, wie vielleicht in keiner
Gegend des Königreiches".
Mißernten führen zu einer Explosion der Lebensmittelpreise.
Krankheit und Seuchen sind in Folge des Hungers allgegenwärtig. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen
sind hart, Arbeitschutz, Kranken- uns Altersversicherung gibt es noch nicht.
Mehr
schlecht als recht leben viele Bewohner der Stadt vom Schuhwerk, das in den Famlien
oder Manufakturen angefertigt wird. Die "Pirmasenser Schuhweiber" sind oft wochenlang
unterwegs, um im Hausiererhandel die Schuhe zu verkaufen. Viele Männer müssen ihr
Brot als Saison- oder Wanderarbeiter verdienen. Die Kinder bleiben meist sich selbst
überlassen und gehen betteln.
Die Not und die Unzufriedenheit der neu entstandenen
Arbeiterklasse mündeten im Revolutionsjahr 1848 in Aufstände. Sie richten sich nicht
nur gegen die Regierungen, sondern auch gegen die Kirche. Auch in Pirmasens zog am
17. Mai 1849 eine Rotte wütender Freischärler vor das Pfarrhaus. Fenster und Türen
wurden eingeschlagen, Möbel auf die Straße geworfen und zertrümmert. Pfarrer Stephan
Lorenz, der Vorgänger Nardinis, sollte vor der Stadt erschossen werden, konnte aber
fliehen.
Auf diese Situation trifft Paul Josef Nardini, als er 1851 Pfarrer
von Pirmasens wird. Der junge Priester, der in seiner Kindheit Verlassenheit und Entbehrung
am eigenen Leib erfahren hat, sucht von Anfang an der Not zu begegnen. Im November
1851 wendet er sich mit einem "Aufruf zur Hilfe der Armen" an die Öffentlichkeit.
Darin schildert er die Not und wirbt für seine Idee, Ordensschwestern mit der karitativen
Arbeit in seiner Pfarrei zu beauftragen.
Doch erst 1853 gelingt es Nardini
gegen viele Widerstände, aus dem benachbarten Elsass Niederbronner Schwestern zur
Pflege der Armen und Kranken nach Pirmasens zu holen. Schon im September speisen sie
täglich 30 bis 40 Kinder. Im folgengen Winter breitet sich Hungertyphus aus. Obwohl
die Schwestern helfen, wo immer sie können bleiben sie als Ausländerinnen von der
Ausweisung bedroht. So entschließt sich Nardini an Weihnachten 1854, eine eigene karitative
Schwesterngemeinschaft zu gründen. Am 2. März 1855 beauftragt er zwei junge Frauen,
die dem Dritten Orden des heiligen Franziskus angehören, sich der Kranken, Armen und
verwahrlosten Kinder anzunehmen. Das ist die Geburtsstunde der "Armen Franziskanerinnen
von der heiligen Familie". Am 1. Mai ziehen die Schwestern mit den inzwischen aufgenommenen
Waisenkindern in das "Armenkinderhaus" ein, das zum Mutterhaus der neuen Gemeinschaft
wird. Schnell schließen sich weitere begeisterte junge Frauen an. Ein Jahr später
kann Nardini bereits die ersten Schwestern in andere Orte der Pfalz und sogar nach
Bayern schicken, wo sie ein Krankenhaus und ein Armenkinderhaus übernehmen.
Es
wäre zu vordergründig, in Paul Josef Nardini nur den Sozialreformer zu sehen. Er ist
in erster Linie Priester - ein tief frommer Mensch, der seine Kraft und Inspiration
im Gebet findet. Sein soziales Engagement ist für ihn untrennbar mit der Seelsorge
verbunden und will ihr den Boden bereiten. Als Pfarrer hat Nardini 1800 Katholiken
zu betreuen, davon sind 800 auf die umliegenden 22 Ortschaften verstreut. Um Gläubigkeit
und religiöse Praxis ist es schlecht bestellt.
Am 3. Januar 1858 schreibt
Nardini an den Bischof: "So hatte ich am Samstag einen sehr harten Tag. Obschon
ich noch eine allgemeine Schwäche in meinem Körper fühlte, so musste ich doch morgens
zu einer Versehung nach der Filiale Winzeln, und kaum hatte ich mittags den Unterricht
mit den Erstkommunikanten beendigt, da wurde ich hier zu einem Kranken gerufen, und
gleich darauf musste ich auf die Glashütte 2 Stunden weit über mehrere Berge und kam
abends um 7 Uhr nach Hause, völlig ermüdet, und so habe ich oft Tage, wo mir die Wogen
der Arbeit sozusagen über dem Haupte zusammenschlagen."
Der
junge Priester setzt alles daran, dem religiösen Leben in seiner Gemeinde neuen Aufschwung
zu geben. Es gelingt ihm, eine Volksmission zu organisieren. Er fördert kirchliche
Vereinigungen und den Kirchenchor. Die würdige Feier der heiligen Messe hat für ihn
höchsten Stellenwert. Als Beichtvater ist er in weitem Umkreis gesucht. Das kirchliche
Leben blüht auf, zu seinen Höhepunkten werden das 40-stündige Gebet, die Fronleichnamsprozession,
die Feier der Erstkommunion. Auf sich selbst nimmt Nardini dabei keine Rücksicht.
Schließlich lässt er sich auch noch die Ämter des Dekans und Schulinspektors aufbürden.
Gesundheitlich ohnehin schon seit langem angeschlagen, erkrankt er im Januar 1862
an einer Lungenentzündung. Nach neun Tagen, am 27. Januar 1862, stirbt er - gerade
40 Jahre alt.
Der frühe Tod Nardinis ist für die junge Schwesterngemeinschaft
ein harter Schlag.
Doch Gottes Segen liegt unübersehbar auf dem Orden, der
im Todesjahr des Gründers bereits 36 Niederlassungen mit 220 Schwestern in der Pfalz
und in Bayern hat. 1864 wird die erste ausländische Niederlassung in Hermannstadt
im damals ungarischen Siebenbürgen gegründet; sogar in österreichischen Lazaretten
sind Schwestern Nardinis im Einsatz.
Bald wird das Mutterhaus in Pirmasens
zu klein. 1869 siedelt die Kongregation in das ehemalige niederbayrische Benediktinerkloster
Mallersdorf über. Rasch wächst die Schwesterngemeinschaft weiter. 1930 zählt sie
3445 Mitglieder. 1955 kann die Kongregation acht Schwestern nach Südafrika senden,
wo eine blühende Ordensprovinz entsteht. 1991 wird Rumänien, wo die siebenbürgischen
Niederlassungen 1949 von der kommunistischen Regierung aufgelöst wurden, wieder ein
Kloster eröffnet.
Heute gehören der Kongregation weltweit rund 1100 Ordensfrauen
an. In der Diözese Speyer haben die "Mallersdorfer Schwestern" noch 13 Niederlassungen
mit 155 Schwestern. An erster Stelle steht das Nardinihaus in Pirmasens, ein Zentrum
für Erziehungshilfe. In dessen Kapelle hat der Ordensgründer seine letzte Ruhestätte
gefunden. (Bistum Speyer 221006 mc)