2006-10-22 13:44:06

Wer war Paul Josef Nardini?


Nardini wurde am 25. Juli 1821 in Germersheim geboren. Er wuchs bei einer Großtante auf und wurde 1840 ins neu eröffnete Bischöfliche Konvikt in Speyer aufgenommen. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie wurde er am 22. August 1846 im Dom zu Speyer zum Priester geweiht. 1851 wurde Nardini von seinem Bischof die Pfarrei Pirmasens übertragen. Die junge Industriestadt entwickelt sich zu einem Zentrum der Schuhherstellung. Doch gleichzeitig gibt es große soziale Not. Die Speyerer Kirchenzeitung "Der christliche Pilger" berichtet von "Armut und mannigfachen Notständen, wie vielleicht in keiner Gegend des Königreiches".

Mißernten führen zu einer Explosion der Lebensmittelpreise. Krankheit und Seuchen sind in Folge des Hungers allgegenwärtig. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind hart, Arbeitschutz, Kranken- uns Altersversicherung gibt es noch nicht.

Mehr schlecht als recht leben viele Bewohner der Stadt vom Schuhwerk, das in den Famlien oder Manufakturen angefertigt wird. Die "Pirmasenser Schuhweiber" sind oft wochenlang unterwegs, um im Hausiererhandel die Schuhe zu verkaufen. Viele Männer müssen ihr Brot als Saison- oder Wanderarbeiter verdienen. Die Kinder bleiben meist sich selbst überlassen und gehen betteln.

Die Not und die Unzufriedenheit der neu entstandenen Arbeiterklasse mündeten im Revolutionsjahr 1848 in Aufstände. Sie richten sich nicht nur gegen die Regierungen, sondern auch gegen die Kirche. Auch in Pirmasens zog am 17. Mai 1849 eine Rotte wütender Freischärler vor das Pfarrhaus. Fenster und Türen wurden eingeschlagen, Möbel auf die Straße geworfen und zertrümmert. Pfarrer Stephan Lorenz, der Vorgänger Nardinis, sollte vor der Stadt erschossen werden, konnte aber fliehen.

Auf diese Situation trifft Paul Josef Nardini, als er 1851 Pfarrer von Pirmasens wird. Der junge Priester, der in seiner Kindheit Verlassenheit und Entbehrung am eigenen Leib erfahren hat, sucht von Anfang an der Not zu begegnen. Im November 1851 wendet er sich mit einem "Aufruf zur Hilfe der Armen" an die Öffentlichkeit. Darin schildert er die Not und wirbt für seine Idee, Ordensschwestern mit der karitativen Arbeit in seiner Pfarrei zu beauftragen.

Doch erst 1853 gelingt es Nardini gegen viele Widerstände, aus dem benachbarten Elsass Niederbronner Schwestern zur Pflege der Armen und Kranken nach Pirmasens zu holen. Schon im September speisen sie täglich 30 bis 40 Kinder. Im folgengen Winter breitet sich Hungertyphus aus. Obwohl die Schwestern helfen, wo immer sie können bleiben sie als Ausländerinnen von der Ausweisung bedroht. So entschließt sich Nardini an Weihnachten 1854, eine eigene karitative Schwesterngemeinschaft zu gründen. Am 2. März 1855 beauftragt er zwei junge Frauen, die dem Dritten Orden des heiligen Franziskus angehören, sich der Kranken, Armen und verwahrlosten Kinder anzunehmen. Das ist die Geburtsstunde der "Armen Franziskanerinnen von der heiligen Familie". Am 1. Mai ziehen die Schwestern mit den inzwischen aufgenommenen Waisenkindern in das "Armenkinderhaus" ein, das zum Mutterhaus der neuen Gemeinschaft wird. Schnell schließen sich weitere begeisterte junge Frauen an. Ein Jahr später kann Nardini bereits die ersten Schwestern in andere Orte der Pfalz und sogar nach Bayern schicken, wo sie ein Krankenhaus und ein Armenkinderhaus übernehmen.

Es wäre zu vordergründig, in Paul Josef Nardini nur den Sozialreformer zu sehen. Er ist in erster Linie Priester - ein tief frommer Mensch, der seine Kraft und Inspiration im Gebet findet. Sein soziales Engagement ist für ihn untrennbar mit der Seelsorge verbunden und will ihr den Boden bereiten. Als Pfarrer hat Nardini 1800 Katholiken zu betreuen, davon sind 800 auf die umliegenden 22 Ortschaften verstreut. Um Gläubigkeit und religiöse Praxis ist es schlecht bestellt.

Am 3. Januar 1858 schreibt Nardini an den Bischof:
"So hatte ich am Samstag einen sehr harten Tag. Obschon ich noch eine allgemeine Schwäche in meinem Körper fühlte, so musste ich doch morgens zu einer Versehung nach der Filiale Winzeln, und kaum hatte ich mittags den Unterricht mit den Erstkommunikanten beendigt, da wurde ich hier zu einem Kranken gerufen, und gleich darauf musste ich auf die Glashütte 2 Stunden weit über mehrere Berge und kam abends um 7 Uhr nach Hause, völlig ermüdet, und so habe ich oft Tage, wo mir die Wogen der Arbeit sozusagen über dem Haupte zusammenschlagen."

 
Der junge Priester setzt alles daran, dem religiösen Leben in seiner Gemeinde neuen Aufschwung zu geben. Es gelingt ihm, eine Volksmission zu organisieren. Er fördert kirchliche Vereinigungen und den Kirchenchor. Die würdige Feier der heiligen Messe hat für ihn höchsten Stellenwert. Als Beichtvater ist er in weitem Umkreis gesucht. Das kirchliche Leben blüht auf, zu seinen Höhepunkten werden das 40-stündige Gebet, die Fronleichnamsprozession, die Feier der Erstkommunion. Auf sich selbst nimmt Nardini dabei keine Rücksicht. Schließlich lässt er sich auch noch die Ämter des Dekans und Schulinspektors aufbürden. Gesundheitlich ohnehin schon seit langem angeschlagen, erkrankt er im Januar 1862 an einer Lungenentzündung. Nach neun Tagen, am 27. Januar 1862, stirbt er - gerade 40 Jahre alt.

Der frühe Tod Nardinis ist für die junge Schwesterngemeinschaft ein harter Schlag.

Doch Gottes Segen liegt unübersehbar auf dem Orden, der im Todesjahr des Gründers bereits 36 Niederlassungen mit 220 Schwestern in der Pfalz und in Bayern hat. 1864 wird die erste ausländische Niederlassung in Hermannstadt im damals ungarischen Siebenbürgen gegründet; sogar in österreichischen Lazaretten sind Schwestern Nardinis im Einsatz.

Bald wird das Mutterhaus in Pirmasens zu klein. 1869 siedelt die Kongregation in das ehemalige niederbayrische Benediktinerkloster Mallersdorf über.
Rasch wächst die Schwesterngemeinschaft weiter. 1930 zählt sie 3445 Mitglieder. 1955 kann die Kongregation acht Schwestern nach Südafrika senden, wo eine blühende Ordensprovinz entsteht. 1991 wird Rumänien, wo die siebenbürgischen Niederlassungen 1949 von der kommunistischen Regierung aufgelöst wurden, wieder ein Kloster eröffnet.

Heute gehören der Kongregation weltweit rund 1100 Ordensfrauen an. In der Diözese Speyer haben die "Mallersdorfer Schwestern" noch 13 Niederlassungen mit 155 Schwestern. An erster Stelle steht das Nardinihaus in Pirmasens, ein Zentrum für Erziehungshilfe. In dessen Kapelle hat der Ordensgründer seine letzte Ruhestätte gefunden.
(Bistum Speyer 221006 mc)








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