Italiens Premierminister
Romano Prodi war gestern beim Papst. Es war der erste Vatikanbesuch des Regierungschefs
aus dem Mitte-Links-Bündnis. Der Vatikan sprach anschließend von herzlicher Atmosphäre.
Romano Prodi sagte gegenüber Radio Vatikan:
"Aus menschlicher Sicht
war es ganz einfach, viel direkter und unmittelbarer als ich es mir hätte vorstellen
können. Gespräche mit dem Papst sind immer in gewisser Weise feierlich, er hat dagegen
sofort mit einem Erfahrungsaustausch begonnen. Wir haben mit den außenpolitischen
Problemen begonnen, dem Libanon, die großen Dramen, das Leid, Palästina, die Rolle
der Europäischen Union. Aber alles war spontan, es gab wirklich keine Tagesordnung.
Das hat mich überrascht. Auf seinen eigenen Wunsch hin gab es keine offizielle Ansprache."
Neue
italienische Regierung, neuer Papst, neuer Kardinalstaatssekretär. Wie ist die Zusammenarbeit
bei dem so wichtigen Staat-im-Staat-Verhältnis?
"Die gute Neuigkeit
ist, dass es keine Probleme gibt. Für gewöhnlich hatten diese Treffen in der Vergangenheit
eher einen dramatischen Aspekt, waren angespannt, hatten einen Beigeschmack. Dieses
Mal ging es um ein vertiefendes Gespräch, ohne dass offene Fragen auf dem Tisch lagen.
Es gibt keine Streitigkeiten."
Die katholische Kirche war in jüngster
Vergangenheit in der italienischen Öffentlichkeit in die Kritik geraten. Bei der Diskussion
um Genforschung, Homo-Ehe und Euthanasie sprachen sich aus führende Politiker gegen
die Vormachtstellung des Katholizismus auf dem Stiefel aus. Der praktizierende Katholik
Prodi ist vorsichtiger:
"Wenn die Fragen von Leben und Tod, von Moral
und der Herkunft des Menschen nach Schema F diskutiert werden, kommt man nie zu einer
ernsthaften Lösung. Wenn es dagegen eine wirklich profunden Debatte im Parlament und
in der Gesellschaft gibt, hängt die Lösung, die dann gefunden wird mit den großen
Prinzipien zusammen, die auch die Kirche vertritt. Der Beschluss berücksichtigt den
Menschen und seine Wurzeln, die grundlegenden Tatsachen, die unsere Existenz ausmachen."
Als
die Italienische Bischofskonferenz im vergangenen Jahr zum Boykott des Referendums
zur künstlichen Befruchtung aufrief, entgegnete Prodi seinem einstigen Traupfarrer
Kardinal Camillo Ruini: „Ich bin ein erwachsener Katholik.“ Auch zu Fraktionsdisziplin
in ethischen Fragen sagt Prodi ein deutliches Nein. Gewissensfreiheit ist hier seine
politische Maxime.
"Natürlich bedeutet das auch, dass man die Werte
hoch achten muss. Man muss fähig sein, die Werte zu vertiefen, andernfalls kommt es
zu einer rein freien oberflächlichen Diskussion. Aber wehe dem, der diese Debatten
nur im Interesse von kurzfristigen Entscheidungen führt. Das kann nur schlecht ausgehen."
Für
Prodi besteht kein Zweifel, dass Katholiken sich ins öffentliche Leben einmischen
sollen. Das Land steht vor Veränderungen und Herausforderungen, vor allem in Sachen
Einwanderung.
"Was ich mir erwarte, ist wirklich ein erneutes Erstarken
der Rolle der Laien, das heißt ihre Teilnahme am zivilen und religiösen Leben des
Landes und zwar auf eine sehr starke und sehr offene Art und Weise. Die katholische
Welt darf keine Angst vor der Gesellschaft haben. Aktive Mitwirkung der katholischen
Laien ist Übernahme von Verantwortung und meiner Meinung nach immer eine Frage von
Reife."