2006-10-14 14:20:49

Italien: Prodi, "Kirche darf keine Angst haben"


RealAudioMP3 Italiens Premierminister Romano Prodi war gestern beim Papst. Es war der erste Vatikanbesuch des Regierungschefs aus dem Mitte-Links-Bündnis. Der Vatikan sprach anschließend von herzlicher Atmosphäre. Romano Prodi sagte gegenüber Radio Vatikan:


"Aus menschlicher Sicht war es ganz einfach, viel direkter und unmittelbarer als ich es mir hätte vorstellen können. Gespräche mit dem Papst sind immer in gewisser Weise feierlich, er hat dagegen sofort mit einem Erfahrungsaustausch begonnen. Wir haben mit den außenpolitischen Problemen begonnen, dem Libanon, die großen Dramen, das Leid, Palästina, die Rolle der Europäischen Union. Aber alles war spontan, es gab wirklich keine Tagesordnung. Das hat mich überrascht. Auf seinen eigenen Wunsch hin gab es keine offizielle Ansprache."


Neue italienische Regierung, neuer Papst, neuer Kardinalstaatssekretär. Wie ist die Zusammenarbeit bei dem so wichtigen Staat-im-Staat-Verhältnis?


"Die gute Neuigkeit ist, dass es keine Probleme gibt. Für gewöhnlich hatten diese Treffen in der Vergangenheit eher einen dramatischen Aspekt, waren angespannt, hatten einen Beigeschmack. Dieses Mal ging es um ein vertiefendes Gespräch, ohne dass offene Fragen auf dem Tisch lagen. Es gibt keine Streitigkeiten."


Die katholische Kirche war in jüngster Vergangenheit in der italienischen Öffentlichkeit in die Kritik geraten. Bei der Diskussion um Genforschung, Homo-Ehe und Euthanasie sprachen sich aus führende Politiker gegen die Vormachtstellung des Katholizismus auf dem Stiefel aus. Der praktizierende Katholik Prodi ist vorsichtiger:


"Wenn die Fragen von Leben und Tod, von Moral und der Herkunft des Menschen nach Schema F diskutiert werden, kommt man nie zu einer ernsthaften Lösung. Wenn es dagegen eine wirklich profunden Debatte im Parlament und in der Gesellschaft gibt, hängt die Lösung, die dann gefunden wird mit den großen Prinzipien zusammen, die auch die Kirche vertritt. Der Beschluss berücksichtigt den Menschen und seine Wurzeln, die grundlegenden Tatsachen, die unsere Existenz ausmachen."


Als die Italienische Bischofskonferenz im vergangenen Jahr zum Boykott des Referendums zur künstlichen Befruchtung aufrief, entgegnete Prodi seinem einstigen Traupfarrer Kardinal Camillo Ruini: „Ich bin ein erwachsener Katholik.“ Auch zu Fraktionsdisziplin in ethischen Fragen sagt Prodi ein deutliches Nein. Gewissensfreiheit ist hier seine politische Maxime.


"Natürlich bedeutet das auch, dass man die Werte hoch achten muss. Man muss fähig sein, die Werte zu vertiefen, andernfalls kommt es zu einer rein freien oberflächlichen Diskussion. Aber wehe dem, der diese Debatten nur im Interesse von kurzfristigen Entscheidungen führt. Das kann nur schlecht ausgehen."


Für Prodi besteht kein Zweifel, dass Katholiken sich ins öffentliche Leben einmischen sollen. Das Land steht vor Veränderungen und Herausforderungen, vor allem in Sachen Einwanderung.


"Was ich mir erwarte, ist wirklich ein erneutes Erstarken der Rolle der Laien, das heißt ihre Teilnahme am zivilen und religiösen Leben des Landes und zwar auf eine sehr starke und sehr offene Art und Weise. Die katholische Welt darf keine Angst vor der Gesellschaft haben. Aktive Mitwirkung der katholischen Laien ist Übernahme von Verantwortung und meiner Meinung nach immer eine Frage von Reife."


(rv 14.10.06 bp)







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