2006-10-11 10:21:22

Türkei: Haft für Priestermörder


Der Mörder des Priesters Andrea Santoro in Trabzon, ein 16-jähriger Schüler, ist von einem türkischen Gericht zu 18 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht sprach den Jugendlichen wegen vorsätzlichen Mordes, illegalen Waffenbesitzes und Gefährdung der öffentlichen Ordnung schuldig. Die Mordtat am 5. Februar war in Ankara mit äußerster Besorgnis registriert worden: Das Verbrechen trübte das offizielle Bild der EU-Kandidatin Türkei als "Insel der Toleranz", auf der Christen und Muslime friedlich zusammenleben.
Der Jugendliche hatte Santoro in der katholischen Marienkirche der alten byzantinischen Kaiserstadt am Schwarzen Meer mit zwei Schüssen in den Rücken getötet, während der Geistliche betete. Augenzeugen zufolge rief der Täter während der Schüsse "Allahu Akbar" (Gott ist groß). Zwei Tage nach dem Mord wurde er festgenommen. Derweil ist das Motiv der Tat immer noch rätselhaft. In den Verhören durch die Polizei schwieg der 16-jährige größtenteils. Dass er den Priester ermordet hatte, bestreitet der Jugendliche aber nicht. Seine Verteidigerin will das Urteil anfechten, weil sie die Haftstrafe als zu hoch empfindet. Möglicherweise ist das Motiv in einer gefährlichen Verbindung von religiösem und nationalistischem Extremismus zu suchen. Trabzon ist ein Zentrum einer besonders militanten Spielart des türkischen Nationalismus, für den ein guter Türke auch ein Muslim sein muss. Das mag damit zusammen hängen, dass viele Einwohner von Trabzon sozusagen "Schein-Türken" sind, in deren Familien die griechische, armenische oder georgische Herkunft durchaus präsent und bewusst ist. Andrea Santoro wurde in Presseberichten unterstellt, er habe Muslime"bekehren" wollen. In Wirklichkeit hatte sich Santoro vor allem um georgische und russische Arbeitsimmigranten gekümmert.
(kap 11.10.06 sk)







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