2006-10-01 13:26:53

"Drei erschütternde Urteile": Kommentar von Schw. Lea Ackermann, Solwodi


RealAudioMP3 Von drei Urteilen habe ich in dieser Woche gehört, die mich zutiefst schockiert haben. Ein Jahr und 10 Monate auf Bewährung, lautete das Urteil für einen brutalen Vergewaltiger und Zuhälter. Dieser Zuhälter hat Frau M. vier Jahre lang gezwungen für ihn zu arbeiten. Sie wurde geschlagen, vergewaltigt, beschimpft, eingesperrt, ins Bordell zur Prostitution gebracht und zeitweise ausgehungert. Sie ist fast vor Angst gestorben und hatte doch den Mut gegen ihren Vergewaltiger auszusagen. Ein Freier wollte ihr bei der Flucht helfen. Der Zuhälter beobachtete dies. Zusammen mit seinem Fahrer stürzte er sich auf Frau M., zerrte sie vom Auto des Freiers in seinen Wagen. Den Freier schlugen die beiden Männer zusammen. Trotz seines Zustandes erinnerte er sich an das Autokennzeichen. So konnte die Polizei die Wohnung des Zuhälters finden in der auch die Frau gefangen war. Frau M. wurde von der Polizei befreit und zu SOLWODI, gebracht.
Solwodi vermittelte ihr eine Rechtsanwältin. Diese bestellte sich als Nebenklagevertretung beim Gericht. Dann folgte erneut eine Ungeheuerlichkeit auf die andere:
Der Menschenhandelsprozess wurde anstatt bei einem Landesgericht bei einem Amtsgericht geführt. Die Benachrichtigung zum Gerichtstermin erreichte das Opfer nicht, da sie an die Adresse des Zuhälters geschickt wurde. Frau M. konnte also von ihrem Aussagerecht nicht Gebrauch machen. Die Rechtsanwältin wurde überhaupt nicht informiert. Als Frau M. erfuhr, dass der Prozess gelaufen war, war auch bereits die Zeit verstrichen in der sie Berufung hätte einlegen können.
Das Urteil hat dazu geführt, dass der Täter nun auf freiem Fuß ist und Frau M. seit dieser Zeit um ihr Leben fürchtet.

Nicht verurteilt, weil es gar nicht erst zum Prozess kam, wurden die Bordellbesitzer des Großbordells Colosseum in Bayern.
Nach jahrelangen Ermittlungen klagte der Staatsanwalt wegen dirigistischer Zuhälterei an. Grund: Die Frauen wurden von den Bordellbetreibern strikten menschenunwürdigen Regeln unterworfen: Die Frauen dürfen sich den Freiern nur nackt zeigen, sie dürfen keine Handys verwenden, ihre Taschen werden kontrolliert und sie werden mittels Video überwacht.
Die Klage wurde von der 8. Strafkammer des Landgerichts abgewiesen, weil nach dem neuen Prostitutionsgesetz, Bordellbesitzer als Arbeitsgeber mit Weisungsbefugnissen gesehen werden.

Das letzte beschämende Urteil, von dem ich in dieser Woche Kenntnis nahm, ist ein Urteil des Finanzgerichts München. Es wies die Klage des Finanzamtes ab und bescheinigte, dass Mieteinnahmen von Bordellbetreibern steuerfrei sind. Der Bordellbetreiber hat die einzelnen Zimmer zu horend hohen Preisen vermietet. Prostituierte zahlten monatlich für ihr Zimmer ein Nutzungsentgeld von rd. 1500 € im Voraus in bar.

Bei solchen Urteilen wundert es doch glatt, dass die Arbeitsagentur nicht verurteilt wurde, als ein Bordellbesitzer geklagt hatte, weil seine freien Plätze nicht an Arbeitssuchende Frauen und Mädchen weitervermittelt wurden.

Alle diese Urteile haben eines gemeinsam, sie helfen Frauen in der Zwangsprostitution nicht, sind aber ein Gewinn für, diejenigen, die an den Frauen verdienen.
So denke ich auch über das Prostitutionsgesetz von 2002, das eine Hilfe für Frauen in der Prostitution sein sollte. Es sollte sie aus der Illegalität bringen und ihnen die Möglichkeit geben sich zu versichern.
Mit dem Prostitutionsgesetz wurde Prostitution legalisiert, doch davon scheinen vor allen Dingen Zuhälter und Bordellbesitzer zu profitieren.

Wie das letzt genannte Urteil deutlich macht, ist die Polizei immer weniger motiviert zu kontrollieren und Opfer von Zwangsprostitution zu suchen. Die Osterweiterung hat dies noch verschärft. Für die Polizei gibt es kaum Gründe, die Frauen aus Bordellen mit auf’s Revier zur Befragung zu nehmen. Das wäre aber wichtig, um die Wahrheit zu erfahren. Im Bordell selber ist es für die Frauen lebensgefährlich, Andeutungen über ihre tatsächliche Situation zu machen.

Hilflos und wütend machen diese Urteile. Mehr noch, sie lassen an der Recht-staatlichkeit unseres Staates zweifeln. Zu seinem Recht kommt, wer die stärkere Lobby und das dickere Portemonnaie hat – so scheint es, so erfahren wir es immer wieder in Menschenhandelsprozessen.

Die Politik ist gefordert Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen, das Verbrechen des Menschenhandels, der Versklavung von Frauen und Kindern ernst zu nehmen und zu tun was in Sonntagsreden versprochen wird. Die Polizei aufzustocken, Menschenhandel als zu bekämpfendes Verbrechen Nr. 1 zu behandeln. Gelder für die Bekämpfung und den Schutz von Frauen und Kindern zur Verfügung zu stellen. Und endlich auch die Freier, in den Blick zu nehmen und im Falle von Zwangsprostitution zu bestrafen.








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