Die deutschen Bischöfe haben die Repräsentanten des Islam zu einer Absage an religiös
legitimierte Gewalt aufgerufen. Das Menschenrecht der Religionsfreiheit solle auch
in islamischen Ländern ohne Abstriche geachtet werden. Das erklärten sie in einer
gemeinsamen Erklärung zum Abschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
Islamische Organisationen in Deutschland sollten sich in den Herkunftsländern der
hier lebenden Muslime mit Nachdruck dafür einsetzen.
Wir dokumentieren hier
die Erklärung im Wortlaut:
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu
den aktuellen Ereignissen und Diskussionen
Wie bekannt ist, hat eine Passage
aus der Regensburger Vorlesung des Papstes vom 12.09.2006 weltweit für Aufsehen gesorgt.
Dazu hat die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda nach vielen
Stellungnahmen und Erklärungen des Vorsitzenden und einzelner Bischöfe einstimmig
folgende Erklärung abgegeben:
1. Ein kurzes Zitat in der Vorlesung, die Papst
Benedikt XVI. am 12. September 2006 an der Universität Regensburg gehalten hat, ist
von vielen Muslimen als ungerechte Abwertung ihrer Religion interpretiert worden.
Manche haben den Heiligen Vater missverstanden, andere wollten ihn missverstehen.
Wir sind Papst Benedikt dankbar, dass er keinen Augenblick gezögert hat, den Sinn
seiner Rede klarzustellen und allen Missverständnissen den Boden zu entziehen. Nachdrücklich
hat der Papst die vitale Bedeutung des friedlichen Zusammenlebens und eines echten
Dialogs zwischen Christentum und Islam neuerlich unterstrichen. In diesem Sinn hat
auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, in seiner
Rede am 19. September 2006 in Berlin die Haltung der Katholischen Kirche gegenüber
dem Islam deutlich gemacht. Viele Muslime sind für diese klaren katholischen Stimmen
dankbar.Allen aber, die die Situation – selbst nach der Begegnung des Heiligen Vaters
mit den Botschaftern der islamischen Staaten beim Heiligen Stuhl – weiter verschärfen
wollen, indem sie immer neue Anschuldigungen, Forderungen oder gar Drohungen vorbringen,
erteilen wir eine klare Absage. Die Katholische Kirche und die vielen Menschen in
unserem Land und weltweit, die das Recht des freien Wortes achten und dafür eintreten,
lassen sich nicht einschüchtern. Wir erwarten von den muslimischen Autoritäten
überall auf der Welt, dass sie alles unterlassen, was zu einer neuerlichen Verschärfung
der Situation Anlass geben könnte. Jede Zweideutigkeit dient dem Unfrieden und muss
vermieden werden.
2. Mit großer Besorgnis sehen wir, dass in manchen muslimisch
geprägten Ländern die dort lebende christliche Minderheit während der letzten Tage
bedrängt und attackiert wurde. Kirchen gingen in Flammen auf. In Somalia wurde die
katholische Ordensschwester Leonella Sgorbati ermordet. Ebenso wie wir lehnen viele
Muslime solche Gewaltakte zutiefst ab. Sie missbilligen jede Verbindung von Gewalt
und Religion als Missbrauch und Schändung des Glaubens.Von den Repräsentanten des
Islam müssen wir erwarten, dass sie jeder religiösen Legitimation von Gewalt und jeder
Instrumentalisierung der Religion für politische Zwecke unmissverständlich entgegentreten.
Die christlichen Kirchen kennen aus ihrer Geschichte die Versuchung zur Gewalt, der
auch sie nicht immer widerstanden haben. Umso mehr hoffen wir auf einen aufrichtigen
Dialog zwischen Christentum und Islam, der auf allen Seiten der „Reinigung des Gedächtnisses“
(vgl. auch die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der
Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“, Art. 3) dient und die
Religionen zum gemeinsamen Zeugnis für den Frieden und gegen die Gewalt befähigt.
3.
Die Muslime in Deutschland genießen auf dem Boden des Grundgesetzes Religionsfreiheit.
Wir erwarten, dass das unveräußerliche Menschenrecht der Religionsfreiheit auch in
den islamischen Ländern ohne Abstriche geachtet wird. Die Organisationen des Islam
in Deutschland bitten wir, in den Herkunftsländern der bei uns lebenden Muslime nachdrücklich
für das Recht auf Religionsfreiheit einzutreten. Darüber hinaus erneuern wir unseren
Wunsch, mit den Repräsentanten des Islam einen Dialog über das rechte Verständnis
der Freiheit zu führen. In seiner Mitte muss die Religionsfreiheit stehen, die das
Herzstück aller menschlichen Freiheiten ist.
4. Die Beschimpfung oder Verunglimpfung
religiöser Bekenntnisse ist ein Missbrauch der Freiheit. Es gibt eine zerbrechliche
Balance zwischen dem Recht der Kunst und der freien Meinungsäußerung auf der einen
sowie dem Recht auf Achtung und Respekt vor der religiösen Überzeugung auf der anderen
Seite. Wir sehen mit Sorge, dass sich, nicht nur in Deutschland, die Angst vor religiös
motivierter Gewalt ausweitet und zur direkten oder indirekten Einschränkung der Meinungsfreiheit
führt. Solchen Tendenzen treten wir entschieden entgegen. Ebenso lehnen wir eine Unkultur
der Rücksichtslosigkeit gegenüber der Religion und den Gläubigen ab, die Gräben in
der Gesellschaft aufwirft und Unfrieden sät. Dem Dialog der Religionen verpflichtet,
wollen wir vor allem in Deutschland zu einem guten Zusammenleben von Christen und
Muslimen beitragen. Darin wissen wir uns Papst Benedikt XVI. besonders verbunden,
der in seiner Ansprache vor Muslimen beim Weltjugendtag in Köln am 20. August 2005
zu einem Miteinander der Religionen in Wahrheit und Liebe aufgerufen hat: „Gemeinsam
müssen wir – Christen und Muslime – uns den zahlreichen Herausforderungen stellen,
die unsere Zeit uns aufgibt. Für Apathie und Untätigkeit ist kein Platz und noch weniger
für Parteilichkeit und Sektentum. .... Der interreligiöse und interkulturelle Dialog
zwischen Christen und Muslimen ist eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil
unsere Zukunft abhängt.“ Wir erklären hierzu erneut unsere Bereitschaft.