2006-09-23 15:16:57

Ungarn: Demonstrieren gegen Armut


Seit sieben Tagen wird in der ungarischen Hauptstadt demonstriert – ein Ende der Krise ist bislang nicht abzusehen. Viele friedliche Protestanten, teilweise gewalttätige Ausschreitungen – jüngst haben die katholischen Bischöfe zur Ruhe aufgerufen und die „moralische Erneuerung“ des Landes im Geiste der „Wahrheit und Rechtschaffenheit“ gefordert.
Nach der Veröffentlichung von Aussagen des amtierenden Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany, kam ans Licht, dass die sozialistisch-liberale Regierung das ungarische Volk in den vergangenen Jahren belogen und betrogen hat. Die Menschen seien nicht nur enttäuscht, erklärt der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates der deutschen katholischen Gemeinde in Budapest, Hans Friedrich von Sohlemacher. Hier ginge es um das „Überleben“. Und das erfahre jede ungarische Familie am eigenen Leib:

„Man muss sich vorstellen, dass eine Familie in Ungarn nur wie ein Wunder vor und nach der Wende überleben kann, indem alle arbeiten und indem die meisten zwei oder mehrere Jobs haben. Ein normaler Angestellter im öffentlichen Dienst, oder im Gesundheitswesen arbeitet an zwei Stellen - ganz legal. An der einen Stelle ist er sozial versichert und zahlt Steuern und an der zweiten Stelle geht es um ein Zusatzeinkommen in den Abendstunden oder in der Freizeit. Nur so kann man den Lebensstandard halten. Das gilt für beide Elternteile und das wird jetzt alles auch in die Pflicht genommen für Sozialabgaben, für Steuerabgaben und das ist für die Bevölkerung fast nicht vorstellbar.“

Die friedliche Wende 1989 als auch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union habe die Menschen hoffen lassen, dass es ihnen wirtschaftlich bald besser gehe. Nun müssen sie feststellen,

„das trifft nur für einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung zu. Und zunehmend erkennt der größere Bevölkerungsanteil, dass das hauptsächlich für die zutrifft, die schon früher die besseren Verbindungen hatten. Und so wird die Kluft zwischen den ganz Reichen, denen die gut dar stehen und denen, die wirklich am Existenzminimum leben müssen, immer größer. Es gibt zehn Millionen Einwohner und nach einer Studie sind mindestens drei Millionen unter dem Existenzminimum.“

Die katholische Kirche müsse weiterhin auf die sozialen Missstände hinweisen, erklärte Hans Friedrich von Sohlemacher von der deutschen Gemeinde. Schließlich seien die Bischöfe eine Stimme in Ungarn, die gehört und im gesellschaftlichen Diskurs beachtet werde.







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