2006-09-22 11:43:20

Im Gespräch mit... Sandra Maischberger


RealAudioMP3 Sandra Maischberger, geboren in München, verbrachte fünf Jahre ihrer Kindheit in der Nähe von Rom (Grottaferrata). Von 1987 bis 1989 ließ sie sich an der Deutschen Journalistenschule in München zur Redakteurin ausbilden. Die Berufstätigkeit begann sie beim Bayerischen Fernsehen in den Bereichen Redaktion, Moderation, Interview und Reportagen. Zuletzt war sie im aktuellen Bereich Chefin vom Dienst.Sie galt bereits als eine der profiliertesten Politjournalistinnen, als sie vom Privatsender VOX für die Konzeption und Moderation der wöchentlchen Sendung ŒSpiegel-TV-Interview¹ verpflichtet wurde.Ihre unpathetische Sprache und ihr präzises Nachfragen wurde vielfach gelobt.Heute gelten die Sendungen von Sandra Maischberger sowohl im öffentlichen als auch privaten Fernsehen als etwas vom Besten, was auf diesem Gebiet im Angebot steht.
"Ich war immer schon sehr neugierig. Ich muss ein Kind gewesen sein, das auch immer schon sehr viele Fragen gestellt hat. Ich kann mir den Tag nicht ausmalen, in dem ich aufhöre Fragen zu stellen. Ich mache gerade einen Film über Helmut Schmidt. Das erstaunliche an diesem 87-jährigen Mann ist: wenn Sie mit ihm über die Autobahn fahren, hört er nicht auf zu fragen. Ist das jetzt ein Baum dieser Sorte, in welcher Art der Landschaft bewegen wir uns jetzt, ist die Autobahnausfahrt noch da, wo sie einmal warŠ..Er hört nicht auf zu fragen. Ich glaube, das ist etwas, was einem Menschen wohl gegegben wird. Eine unersättliche Neugierde, das jedenfalls spüre ich für mich. Seit jeher. Gelernt habe ich eine Art Systematik, also eine Art Handwerk. Wie frage ich zielgerichteter, wie vermeide ich Fehler. Das kann man lernen. Wie man es dann ausformt, das ist dann eine Frage der Jahre".

* Sie sind in Frascati bei Rom aufgewachsen und wollten zunächst einmal Tierärztin oder Detektivin werden. Nach Ihrem Studium haben Sie auf medialer Ebene bald Maßstäbe gesetzt und einen eigenen Stil erfunden und gefunden.Wie würden Sie selbst Ihr Können beschreiben?
*Das ist sehr einfach. Es ist schlicht das Verfolgen der persönlichen Neugierde. Ich habe im übrigen nicht studiert, sondern eine Berufsausbildung in der Journalistenschule gemacht, damit ich möglichst schnell das machen konnte, was ich machen wollte: nämlich Fragen stellen. Und wenn Sie es streng nehmen, tue ich heute nichts anderes.
*Inwieweit sind Ihre Interviews spontan, inwieweit vorbereitet? Wie schaffen Sie es, immer die richtigen Fragen zu stellen?
* Die richtige Frage zu stellen, ist die einzige Kunst, die man tatsächlich beherrschen muss. Dazu gehört übrigens schon die richtige Person am richtigen Tag einzuladen. Dann gehört dazu eine sehr intensive Vorbereitung. Jemand hat einmal gesagt: Man muss über den Interviewpartner mehr wissen, als er selbst über sich. Und dann muss man die Spontaneität und auch den Mut besitzen, das was man vorbereitet hat ­ und das ist nicht wenig ­ in dem Moment fallen zu lassen, wenn man merkt, da sitzt man ja jemanden ganz anderen gegenüber. Diesen Menschen interessieren ganz andere Dinge als die, die man vorbereitet hat.Also ich würde sagen: die Interviews sind 50% Vorbereitung, 50 % spontan.*
Aber schwieriger ist ja das Spontane. Denn da wissen Sie ja nicht was auf Sie zukommt?
*Ja, aber man wird sehr schnell mutiger, wenn man ohne doppelten Boden, ohne Netz läuft. Man merkt auch sehr schnell an einem Gesicht, an der Mimik des Gegenübers, an der Gestik, an den Pausen, an der Art, wie er Antworten gibt, wo man auf dem richtigern Weg ist und wo auf dem falschen.
* Welchen Stellenwert nehmen bei Ihren Gesprächen das Einfühlungsvermögen, die Psychologie ein?
*Ich könnte es Ihnen nicht wissenschaftlich beantworten. Es ist klar, dass man einen Menschen nicht begreifen kann, wenn man nicht versucht, die Welt aus seinen Augen zu sehen. Wie sieht die Welt meines Gegenüber aus, wie denkt er? Im Gespräch selber gibt es unterschiedliche Typen: ich bin viel einfühliger mit einem Menschen, der wenig Erfahrung hat mit den Medien, als beispielsweise mit einem Politiker, mit dem ich über eine Sache zu streiten habe. Da ist Einfühlungsvermögen häufig fehl am Platz.
* Wann ist für Sie ein Gespräch erfolgreich?
* Wenn es entweder gelungen ist, ein Bild zu zeichnen einer Person, wenn jemand, der diese Person nicht kannte, danach ein Bild davon hat von dieser Person oder sich danach auch nur für sie interessiert.
*Medienarbeit ist verantwortungsvoll. Es geht dabei im Wesentlichen darum, Fakten möglichst tatsachengetreu zu vermitteln. Journalisten sind nicht Alleswisser. Es bedarf mühevoller Recherche und Kleinarbeit. Wie gehen Sie mit diesem Tatbestand um?
* Zunächst muss man als Journalist wissen, was man nicht leisten kann. Meine Maxime ist: ich muss so gut vorbereitet sein, dass ich gute Fragen stelle, aber ich muss nicht so gut vorbereitet sein, dass ich auch gute Antworten geben könnte. Ich muss nicht Experte der Sache werden, über die ich jemand anderen interviewe. Die Vorbereitung also muss darauf gezielt sein, Man muss darauf achten, dass die Quellen, die man benutzt, gute Quellen sind, dass man also nicht einer Fehlinformation aufsitzt, all dieses gehört zu Vorbereitung.
* Was verstehen Sie unter kritischen Journalismus?
* Kritischer Journalismus nimmt das, was er sieht, nicht gleich als das wahre Bild an, sondern versucht immer zu sehen, ist dieses eine Bild uns nur vorgegaukelt wird. Ein kritischer Journalist nimmt Fakten nie einfach als Fakten an, sondern er versucht sie zu überprüfen. Er versucht, hinter die Kullissen zu sehen.
* Muss kritischer Journalismus nicht auch immer einwenig selbstkritisch sein?
* Im besten Falle natürlich. Im besten Falle muss kritischer Journalismus übrigens auch den eigenen Standpunkt immer überprüfen. Der ideale Standpunkt eines Journalisten ist ja im Nachrichtengeschäft ein objektiver. Wenn man sich bewußt ist, dass diese Objektivität nur relativ ist, dann weiß man, wie tendeziös oft der eigene Bericht, die eigene Sendung werden kann. Dies man man aber immer wieder für sich feststellen. Das ist eine Strategie gegen die eigene Faulheit.
* Wie gehen Sie mit vorgefassten Meinungen um?
* Meiner eigenen vorgefassten Meinung oder die der anderen? Es gibt nämlich beides. Das ist genau die Objektivitätsüberprüfung, die man immer machen muss. Man muss die eigene Meinung immer in Frage stellen. Wissen Sie was hilft? Das Wissen, das man nichts weiß. Denn in dem Moment, wo man weiß, wie wenig man weiß, wird man sich nicht trauen, eine zementierte Meinung über eine Sache zu fassen.
* Welche sind Ihre menschlichen Vorbilder: fangen wir bei den Frauen an.
Vermutlich, als allererste meine Mutter. Das ist sehr einfach, denn von ihr habe ich glernt, selbstständig zu sein, mich immer fortzubilden und natürlich all das was Wärme ist: Mitgefühl, sich für die Umwelt zu begeistern, mit teil zu haben, an dem was geschieht. Also meine Mutter ist ganz oben bei den Vorbildern. Ich tue mich aber immer ein bisschen schwer mit dem Wort, weil der Identifizierungsgrad mit einem Vorbild ja immer als sehr hoch angenommen wird. Über den größeren Zusammenhang ­ also ich will jetzt nicht auf Johanna von Orleans oder ähnliche Personen der Geschichte kommen - ich weiß zu wenig über deren tatsächliches Leben. Nur das was mir erzählt wird - und ich habe gelernt, dass Geschichte auch nur eine Art Version ist, auf die sich Historiker geeinigt haben.
* Sie nennen Johanna von Orleans. Für manche eine Heldin, für die Kirche sogar eine Heilige. Das Thema Kirche weckt immer besondere Emotionen. Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen die Religion ein?
* Als Journalistin einen großen Stellenwert. Das ist eines der großen Themen unserer Zeit. Die Kirche hat in meinem Leben eine große Rolle gespielt in meiner Jugend. Die evangelische Kirche in diesem Fall, weil sie der einzige Ort war, an dem Gemeinschaft stattfand. Also auch für Jugendliche. Es wurde ungemein viel organisiert. Wir konnten diskutieren, es waren Lehrgänge da, es gab Gottesdienste auch mit viel Musik, es war überhaupt sehr viel Musik im Spiel. Also das hat eine große Rolle gespielt, als Gemeinschaft, als Gemeinde, im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich habe jetzt erst wieder eine gefunden ­ hier in Berlin - eine evangelische Gemeinde, die mir imponiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese kirchliche Gemeinschaft eine größere Rolle spielen wird.
* Ein Blick durch das Fenster der Transzendenz: Sie haben sich in der Öffentlichkeit als Angostikerin bezeichnet. Aber ganz in Ihrem Innern tragen Sie, wie alle Menschen, irgend etwas - über das Sie vielleicht so gerne gar nicht sprechen möchten. Oder? Sie befragen viele Menschen nach ihren ethischen Werten und persönlichen Grundeinstellungen. Dabei versuchen Sie in die Tiefe zu gehen:darf auch ich Sie heute nach Ihren Wertvorstellungen fragen? So fern Sie welche finden, jeder Zeit..
* Moralische und ethische Vorstellungen gibt es natürlich sehr viele. Das ist die Wahrhaftigkeit, das ist der Kategorische Imperativ. Bei den transzendentalen Vorstellungen ­ wie Sie es nennen ­ gibt es in der Tat etwas, das in diesem agnostischen Bekenntnis die Unbekannte ist. Obwohl es ein Teil davon ist; denn das ist natürlich die Größe der Schöpfung, der Natur, die mir sehr häufig begegnet und die für mich eine unbeantwortbare Frage stellt. Und die Existenz der Liebe. Die nach allen Regeln meiner Haltung gegenüber den Dingen, die man nicht sieht, existiert.
* Die Liebe: Sie wissen, dass Papst Benedikt XVI. in seiner ersten und bis jetzt einzigen Enzyklika gerade die Liebe zum Hauptthema gemacht hat? Die Liebe zu Gott, die Nächstenliebe und die Liebe zwischen Mann und Frau.
* Das, was Papst Benedikt gesagt und geschrieben hat, das hat mich auch nachdenklich gemacht. Er sagt ­ wenn ich es richtig verstanden habe ­ wenn man die Beziehung zwischen Gott und den Menschen irgendwie fassen will ­ sähe man das am besten in der Liebe. Die Liebe, die Nächstenliebe ist dann eher eine Sache ­ glaube ich ­ der Vernunft. Das ist dann ein ethisches Gebot. Hingegen die Liebe zwischen Mann und Frau, Mann und Kind oder Frau und Kind, oder zwischen mir und meiner Mutter ist etwas, das man gar nicht bremsen kann. Man kann es gar nicht unterdrücken.
* Wie ordnen Sie die Persönlichkeit Papst Benedikt XI. ein?
* Ich interessiere mich sehr für die Persönlichkeit, ich habe nur offensichtlich wenig Möglichkeit, herauszufinden, wer er wirklich ist. Ich kann lesen, was er geschrieben hat, ich weiß, was über ihn geschrieben wird, ich lese sehr viel davon, aber ich habe nicht die Möglichkeit, mich ihm so zu nähern, wie wir uns jetzt gegenübersitzen. Ich kann nicht die Welt aus seinen Augen sehen, das geht natürlich nicht. Das ist vermessen.Das heißt: mir fehlt etwas, um mir ein abschießendes Bild zu machen. Ich sehe, dass er ein hochspiritueller, beseelter Mensch ist, aber auch gleichzeitig ein hochintellektueller Mensch ist. Und das würde mich zum Beispiel auch interessieren: dass es zwei Seiten sind, die in einer Art von Spannung miteinander leben. Mich würde interessieren: welche ist dominanter zum Beispiel.Oder wie erklärt die eine oder andere Seite die Sicht auf bestimmte Fragen oder das, was passiert in der Welt. Also er ist ein hochspannender Mann.
* Im Flugzeug gibt es bei starken Turbolenzen keine Atheisten, lautet ein bekanntes Zitat. Beim Herrgott klopft man also nur in höchster Gefahr an?
Das ist interessant, dass Sie das Flugzeug erwähnen. Denn ich leide unter Flugangst. Ich bin dennoch eine Agnostikerin. Denn ich glaube tatsächlich, dass in dieser Situation keine Macht helfen kann. Das ist eine furchtbare Überzeugung, wenn man Angst hat. Also versucht man es mit dem Intellekt oder mit einer schicksalshaften Haltung. Die heißt: es ist dir bisher in deinem Leben gut gegangen, sollte jetzt tatsächlich etwas passieren, dann war es ein gutes Leben. Nimm es hin. Das ist das einzige, was mir hilft. Also nicht der Blick nach oben, sondern eher der Blick in das eigene Leben.
* Was sind aus Ihrer Sicht die drei größten Fragen, zu denen es noch keine Antwort gibt?
* Warum sind wir hier, ist ­ glaube ich ­ die allergrößte Frage.Gibt es einen Gott, gehört sicherlich zu den größten Fragen, auf die ich keine Antwort sehe. Man kann das eine wie das andere ja nicht beweisen, aber auch nicht ausschließen. Bei der dritten bin ich mir nicht sicher: ich habe früher immer gefragt: Gibt es die Liebe? Oder ist das nur eine Art der Einbildung des Menschen? Die dritte große Frage wäre tatsächlich die: Ob die Menschheit auf Dauer überleben kann mit den anderen Arten dieser Erde. Ich glaube, dass wir uns in einen Zielkonflikt bewegen. Durch die Beeinflussung der Menschen auf den Kreis der Natur. Es wird sehr vieles zerstört. Mich würde über lange Sicht ­ also in den nächsten Millionen von Jahren gerechnet ­ interessieren, ob diese Menschheit der Parasit ist, der diese Welt mit allen, was ist, irgendwann einmal zerstört.
*Wollen wir dieses Gespräch optimistischer ausklingen lassen, mit der Frage: Welche sind aus Ihrer Sicht die drei größten intellektuellen Errungenschaften der Menschheit?
* Wenn Sie eine bestimmte Staatsform als intellektuelle Errungenschaft sehen, ich weiß nicht ob es das ist, worauf Ihre Frage zielt, dann würde ich sehr wohl denke, dass die Demokratie eine solche Errungenschaft ist, denn sie gestattet das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum. ­ Ich weiß nicht, ob der kantsche Imperativ eine intellektuelle Errungenschaft ist. Nur dann würde ich meinen, Ja. Es gibt ja viele, die das auf der religiösen Seite beantworten würden, dann wäre das eine intellektuelle, eine gottgegebene Errungenschaft. Die dritte große Errungenschaft: das Erkennen des Ursprungs des Universums.
* Es ist viel von Liebe die Rede gewesen, heute. Was ist Liebe?
* Ohne Liebe ist nichts. Das ist so einfach. Ohne Liebe gibt es keine Existenz, ohne Liebe gibt es kein Miteinander, ohne Liebe gibt es kein Erkennen der anderen in der Welt. Liebe ist das einzig wirklich erklärliche, in der Frage, warum sind wir auf dieser Welt?

Das Gespräch von Aldo Parmeggiani mit Sandra Maischberger wird von Radio Vatikan am 24. September um 20.20 Uhr ausgestrahlt.








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