2006-09-19 15:00:53

Vatikan: Geheimarchiv öffnet neue Pforten


RealAudioMP3 Wie beurteilte der Vatikan die politischen Entwicklungen zwischen Deutschland und Italien? Welches Verhältnis pflegte die Katholische Kirche zum Faschismus? Das Spekulieren hat ein Ende – am Montag wurde eine der wichtigsten Türen des Vatikanischen Geheimarchives geöffnet, die nun den Zutritt zu den gesamten Aktenbeständen aus der Regierung von Papst Pius XI. ermöglicht. Eines der wichtigsten und schwierigsten Pontifikate des 20. Jahrhunderts (1922-1939) kann somit aufgearbeitet werden – eine Aufgabe, die Generationen von Historikern beschäftigen wird, erklärt Giovanni Sale, Dozent für Zeitgeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana:


"Große Bedeutung hat es sowohl für die politische Geschichte als auch für die Religionsgeschichte – durch die Öffnung wird das Bild der Kirche in jener Zeit neu gezeichnet werden: Es wird eine überzeugte Kirche im Kampf gegen den Totalitarismus, gegen den Faschismus, gegen den Nationalsozialismus und auch gegen den Kommunismus zum Vorschein treten. Dies wird den Historikern die Möglichkeit geben, die Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts zu überarbeiten und auf der Basis von neuen wichtigen Dokumenten, neu zu schreiben.“

Nach vatikanischem Reglement dürften die Archivbestände eigentlich erst 70 Jahre nach dem Tod Pius XI. freigegeben werden - also im Frühjahr 2009. Johannes Paul II. hatte jedoch auf eine rasche Öffnung gedrängt, auch um dem Verdacht entgegenzutreten, der Vatikan halte wichtige Informationen unter Verschluss. Viele Historiker warten seit Jahren auf diesen Tag - Sensationslust könne der Zugang dennoch nicht befriedigen, so Sale:


"Wer sich dem Archiv mit der Intention nähert, Aufsehen erregende Akten zu finden. So wird er, vom journalistischen Standpunkt aus betrachtet, tief enttäuscht werden. Auf einem so weiten und wichtigen Feld, muss mit einer hermeneutischen Methode vorgegangen werden. Außerdem muss die historische Arbeit gut organisiert werden. Ich lade also alle Wissenschaftler dazu ein, sich Zeit zu nehmen und eine ernsthafte wissenschaftliche Arbeit zu betreiben, ohne voreingenommen zu sein.“
(rv 19.09.06 sis)








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