2006-09-15 14:15:41

Vatikan: Erklärung zur Kritik aus der islamischen Welt


Äußerungen des Papstes zum Islam stoßen in einigen Teilen der islamischen Welt auf zum Teil heftige Reaktionen. Nach der scharfen Kritik der obersten türkischen Religionsbehörde verurteilte das pakistanische Parlament heute einstimmig den Vortrag des Papstes, der die Gefühle der Muslime verletzt habe. Die indische Kommission für religiöse Minderheiten erklärte, sie fühle sich an die Zeit der mittelalterlichen christlichen
Kreuzzüge erinnert. Radikale und konservative muslimische Organisationen riefen auch in Indonesien zu Protesten auf.
Der Leiter des vatikanischen Pressesaals, Pater Federico Lombardi SJ, hat nach den ersten Reaktionen auf die Rede gestern eine Erklärung zu dem Thema veröffentlicht. Hier ist der volle Wortlaut in unserer Übersetzung:

"Was die Reaktion einiger islamischer Vertreter auf Stellen in der Papstrede an der Universität Regensburg betrifft, ist die Feststellung angezeigt, dass das, was dem Papst am Herzen liegt, eine klare und radikale Zurückweisung einer religiösen Motivation von Gewalt ist. Das ergibt sich aus einer aufmerksamen Lektüre des Textes. Es war sicher nicht die Absicht des Heiligen Vaters, den Djihad und das islamische Denken darüber zu analysieren - und erst recht nicht, die Sensibilität islamischer Gläubiger zu verletzen.
Im Gegenteil: In den Ansprachen des Heiligen Vaters taucht deutlich die Warnung an die westliche Kultur auf, "die Mißachtung Gottes und den Zynismus, der es für ein Freiheitsrecht hält, das Heilige herabzuwürdigen" (Ansprache vom 10. September), zu vermeiden. Die religiöse Dimension recht in Betracht zu ziehen, ist tatsächlich eine essentielle Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog mit den großen Kulturen und Religionen in der Welt. In den Schlußfolgerungen seiner Ansprache in der Universität Regensburg hat Benedikt XVI. deshalb betont: "Die zutiefst religiösen Kulturen der Welt sehen im Ausschluß des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft einen Angriff auf ihre tiefsten Überzeugungen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und die Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zu einem Dialog der Kulturen."
Der Wille des Heiligen Vaters zu einer respektvollen, dialogischen Haltung gegenüber den anderen Religionen und Kulturen, darunter natürlich auch dem Islam, ist also klar."

Und hier dokumentieren wir, was der Papst genau gesagt hat in seiner Vorlesung in Regensburg am letzten Dienstag. Wir gehen dabei vom gedruckten Redetext aus. Der folgende Text ist nur ein Ausschnitt aus der Rede. Der Volltext steht auf unserer Internetseite www.radiovaticana.va/deutsch.

"In der von Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (διάλεξις – Kontroverse) kommt der Kaiser auf das Thema des Djihād (heiliger Krieg) zu sprechen. Der Kaiser wußte sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von „Schriftbesitzern“ und „Ungläubigen“ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. „Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß (σὺν λόγω) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…“.


Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Idolatrie treiben.


Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird."

(rv 15.09.06 sk)







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