Vatikan: Erklärung zur Kritik aus der islamischen Welt
Äußerungen des Papstes zum Islam stoßen in einigen Teilen der islamischen Welt auf
zum Teil heftige Reaktionen. Nach der scharfen Kritik der obersten türkischen Religionsbehörde
verurteilte das pakistanische Parlament heute einstimmig den Vortrag des Papstes,
der die Gefühle der Muslime verletzt habe. Die indische Kommission für religiöse Minderheiten
erklärte, sie fühle sich an die Zeit der mittelalterlichen christlichen Kreuzzüge
erinnert. Radikale und konservative muslimische Organisationen riefen auch in Indonesien
zu Protesten auf. Der Leiter des vatikanischen Pressesaals, Pater Federico Lombardi
SJ, hat nach den ersten Reaktionen auf die Rede gestern eine Erklärung zu dem Thema
veröffentlicht. Hier ist der volle Wortlaut in unserer Übersetzung:
"Was die
Reaktion einiger islamischer Vertreter auf Stellen in der Papstrede an der Universität
Regensburg betrifft, ist die Feststellung angezeigt, dass das, was dem Papst am Herzen
liegt, eine klare und radikale Zurückweisung einer religiösen Motivation von Gewalt
ist. Das ergibt sich aus einer aufmerksamen Lektüre des Textes. Es war sicher nicht
die Absicht des Heiligen Vaters, den Djihad und das islamische Denken darüber zu analysieren
- und erst recht nicht, die Sensibilität islamischer Gläubiger zu verletzen. Im
Gegenteil: In den Ansprachen des Heiligen Vaters taucht deutlich die Warnung an die
westliche Kultur auf, "die Mißachtung Gottes und den Zynismus, der es für ein Freiheitsrecht
hält, das Heilige herabzuwürdigen" (Ansprache vom 10. September), zu vermeiden. Die
religiöse Dimension recht in Betracht zu ziehen, ist tatsächlich eine essentielle
Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog mit den großen Kulturen und Religionen
in der Welt. In den Schlußfolgerungen seiner Ansprache in der Universität Regensburg
hat Benedikt XVI. deshalb betont: "Die zutiefst religiösen Kulturen der Welt sehen
im Ausschluß des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft einen Angriff auf
ihre tiefsten Überzeugungen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist
und die Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zu einem Dialog
der Kulturen." Der Wille des Heiligen Vaters zu einer respektvollen, dialogischen
Haltung gegenüber den anderen Religionen und Kulturen, darunter natürlich auch dem
Islam, ist also klar."
Und hier dokumentieren wir, was der Papst genau gesagt
hat in seiner Vorlesung in Regensburg am letzten Dienstag. Wir gehen dabei vom gedruckten
Redetext aus. Der folgende Text ist nur ein Ausschnitt aus der Rede. Der Volltext
steht auf unserer Internetseite www.radiovaticana.va/deutsch.
"In der von
Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (διάλεξις – Kontroverse) kommt
der Kaiser auf das Thema des Djihād (heiliger Krieg) zu sprechen. Der Kaiser wußte
sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen
Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der
Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen
über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung
von „Schriftbesitzern“ und „Ungläubigen“ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich
schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion
und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: „Zeig mir doch, was Mohammed
Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß
er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“.
Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig
ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. „Gott hat
kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß (σὺν λόγω) zu handeln, ist dem Wesen
Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden
zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken,
nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man
nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man
jemanden mit dem Tod bedrohen kann…“.
Der entscheidende Satz in dieser
Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist
dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für
den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser
Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein
Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit.
Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez,
der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch
sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit
zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Idolatrie treiben.
Hier
tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung
von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch
zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt
das immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen
dem, was im besten Sinn griechisch ist und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben
sichtbar wird."