Glaube und Vernunft:
Die Rede Papst Benedikts gestern Abend an der Universität Regensburg war eine intellektuell
stark verdichtete theologische Vorlesung. Wir fragten P. Federico Lombardi SJ, Direktor
des Vatikanischen Pressesaals und von Radio Vatikan, nach den Hauptpunkten.
Sicher,
der Papst hat eine echte akademische Vorlesung gehalten, aber es ist eben die akademische
Vorlesung eines Papstes - und da wiederum eines Theologen, der Papst ist. Benedikt
hat mutig und deutlich die Harmonie zwischen Glauben und Vernunft erklärt. Mehr noch:
Es ging um die gegenseitige Notwendigkeit des Glaubens und der Vernunft füreinander,
besonders in Bezug auf das Wohl der Menschheit heute, und zwar in dem Sinn, dass eine
auf die Kriterien der Naturwissenschaft oder des Positivismus reduzierte Vernunft
nicht auf die großen Bedürfnisse des Menschen von heute antworten kann: das "Woher
kommen wir?", "Wohin gehen wir?", wie man die Macht der Technik beherrschen kann,
die in unseren Händen ständig wächst. Es ist also ein weites Konzept der Vernunft
vonnöten - und darin auch der Beitrag des Glaubens; der Dialog zwischen Glauben und
Vernunft hat also einen wesentlichen Platz.
Mit einem Zitat über Christentum
und Islam des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologus hat der Papst unterstrichen,
dass Gewalt der Natur Gottes und der Seele zuwiderläuft. Können wir diesen Punkt
vertiefen?
Ich würde sagen, dass dies sicherlich ein wichtiger Ausgangspunkt
seiner Rede ist, aber nicht ihr Ziel. Das Problem von Religion und Gewalt ist in gewisser
Weise ein Beispiel. Davon ausgehend, zeigt der Papst die Notwendigkeit des Verstandes
sowohl für die richtige Entwicklung der Theologie als auch für eine richtige Vorstellung
von Gott. Aber es ist nicht Ziel dieses Vortrags, das Thema der gewalttätigen Verwendung
der Religion zu behandeln. Das Beispiel dient dazu, eine Abhandlung zu entwickeln,
die viel weiter zu sehen ist, nämlich eben jene über die Beziehung zwischen Glauben
und Vernunft, die Bedeutung der Theologie, die Würde der Theologie als Wissenschaft,
ihres Rechts und ihrer Notwendigkeit in der „universitas“ des Wissens.
In
diesem Zusammenhang hat er auch vom Dialog zwischen Kulturen und Religionen gesprochen.
In welchem Sinne?
Der Papst stellt deutlich heraus, wie gerade diese weitere
Idee der Vernunft, die auch die religiöse Dimension der Beziehung zu Gott und der
Überlieferung des Glaubens beinhaltet, wichtig dafür ist, uns für die Begegnung, den
Dialog mit anderen Kulturen und Religionen fähig zu machen. Hingegen ist eine Kultur,
die die religiöse Dimension der Würde des Wissens marginalisiert, unfähig, anderen
großen Kulturen zu begegnen, in denen die religiöse Dimension wesentlich ist.
Kann
man sagen, dass die letzte Einladung Benedikts XVI. jene war, sich der Weite der Religion
zu öffnen, das heißt, den Mut dazu zu haben?
Ja, der Mut zur Weite der Religion,
darum geht es sicherlich. Die Religion darf in keiner Weise auf mathematisch-naturwissenschaftliche
oder experimentelle Kriterien reduziert werden: Diese sind sicherlich existentiell,
aber sie erlauben doch nicht, die Weite der gesamten Realität, die gesamte Realität
des Menschen, zu erkennen - eben jene Realität im weiten Sinn. Man muss unter „Vernunft“
auch das methodische Reflektieren verstehen, das sich tiefgehend und ernsthaft mit
den großen Fragen des Menschen auseinandersetzt, eben jenes: Woher kommt er, wohin
geht er und was ist seine Beziehung zu Gott?
Man hat als Zuschauer ein großes
Interesse der Wissenschaftler im Auditorium bemerken können, vielleicht sogar eine
große Anerkennung. Ist dieser Eindruck richtig?
Sicherlich. Das war auch ein
Beweis der großen intellektuellen und kulturellen Gabe des Papstes, der sich hier
als eine Persönlichkeit auf höchstem kulturellen Niveau präsentiert hat. Und er hat
gezeigt, dass er auch sehr schwierige Themen mit einer großen Klarheit und Fähigkeit
zur Synthese angehen kann. Mit dieser Vorlesung ließ er wirklich die Geschichte der
Beziehung von Glaube und Vernunft Revue passieren: Vom Alten Testament zur Beziehung
zwischen griechischer Rationalität und biblischer Kultur; genauso wieder im Alten
Testament die griechische Übersetzung der Septuaginta; und dann die Behandlung des
Neuen Testaments. Dann sind wir mit ihm in einem gewissen Sinn durch die Theologiegeschichte
gegangen: von den Vätern der Reformation über Kant bis in die Moderne. Der Papst hat
uns also in wenigen Minuten einen Überblick über die Kulturgeschichte und die Kulturgeschichte
der Theologie geben können und sie dann auch noch in die aktuelle Situation übersetzt.
Und das hat er mit sehr konkreten Hinweisen getan, so zum Beispiel auf die christlichen
Wurzeln Europas, auf die europäische Kultur und auf die Sendung, die die europäische
Kultur weiterhin erfüllen sollte. (Original: Italienisch. Übersetzung: Ludwig Waldmüller
/ rv 13.09.06 gs)