2006-09-13 17:15:47

P. Lombardi kommentiert Papst-Vorlesung


RealAudioMP3 Glaube und Vernunft: Die Rede Papst Benedikts gestern Abend an der Universität Regensburg war eine intellektuell stark verdichtete theologische Vorlesung. Wir fragten P. Federico Lombardi SJ, Direktor des Vatikanischen Pressesaals und von Radio Vatikan, nach den Hauptpunkten.

Sicher, der Papst hat eine echte akademische Vorlesung gehalten, aber es ist eben die akademische Vorlesung eines Papstes - und da wiederum eines Theologen, der Papst ist. Benedikt hat mutig und deutlich die Harmonie zwischen Glauben und Vernunft erklärt. Mehr noch: Es ging um die gegenseitige Notwendigkeit des Glaubens und der Vernunft füreinander, besonders in Bezug auf das Wohl der Menschheit heute, und zwar in dem Sinn, dass eine auf die Kriterien der Naturwissenschaft oder des Positivismus reduzierte Vernunft nicht auf die großen Bedürfnisse des Menschen von heute antworten kann: das "Woher kommen wir?", "Wohin gehen wir?", wie man die Macht der Technik beherrschen kann, die in unseren Händen ständig wächst. Es ist also ein weites Konzept der Vernunft vonnöten - und darin auch der Beitrag des Glaubens; der Dialog zwischen Glauben und Vernunft hat also einen wesentlichen Platz.

Mit einem Zitat über Christentum und Islam des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologus hat der Papst unterstrichen, dass Gewalt der Natur Gottes und der Seele zuwiderläuft. Können wir diesen Punkt vertiefen?

Ich würde sagen, dass dies sicherlich ein wichtiger Ausgangspunkt seiner Rede ist, aber nicht ihr Ziel. Das Problem von Religion und Gewalt ist in gewisser Weise ein Beispiel. Davon ausgehend, zeigt der Papst die Notwendigkeit des Verstandes sowohl für die richtige Entwicklung der Theologie als auch für eine richtige Vorstellung von Gott. Aber es ist nicht Ziel dieses Vortrags, das Thema der gewalttätigen Verwendung der Religion zu behandeln. Das Beispiel dient dazu, eine Abhandlung zu entwickeln, die viel weiter zu sehen ist, nämlich eben jene über die  Beziehung zwischen Glauben und Vernunft, die Bedeutung der Theologie, die Würde der Theologie als Wissenschaft, ihres Rechts und ihrer Notwendigkeit in der „universitas“ des Wissens.

In diesem Zusammenhang hat er auch vom Dialog zwischen Kulturen und Religionen
gesprochen. In welchem Sinne?

Der Papst stellt deutlich heraus, wie gerade diese weitere Idee der Vernunft, die auch die religiöse Dimension der Beziehung zu Gott und der Überlieferung des Glaubens beinhaltet, wichtig dafür ist, uns für die Begegnung, den Dialog mit anderen Kulturen und Religionen fähig zu machen. Hingegen ist eine Kultur, die die religiöse Dimension der Würde des Wissens marginalisiert, unfähig, anderen großen Kulturen zu begegnen, in denen die religiöse Dimension wesentlich ist.

Kann man sagen, dass die letzte Einladung Benedikts XVI. jene war, sich der Weite der Religion zu öffnen, das heißt, den Mut dazu zu haben?

Ja, der Mut zur Weite der Religion, darum geht es sicherlich. Die Religion darf in keiner Weise auf mathematisch-naturwissenschaftliche oder experimentelle Kriterien reduziert werden: Diese sind sicherlich existentiell, aber sie erlauben doch nicht, die Weite der gesamten Realität, die gesamte Realität des Menschen, zu erkennen - eben jene Realität im weiten Sinn. Man muss unter „Vernunft“ auch das methodische Reflektieren verstehen, das sich tiefgehend und ernsthaft mit den großen Fragen des Menschen auseinandersetzt, eben jenes: Woher kommt er, wohin geht er und was ist seine Beziehung zu Gott?

Man hat als Zuschauer ein großes Interesse der Wissenschaftler im Auditorium bemerken können, vielleicht sogar eine große Anerkennung. Ist dieser Eindruck richtig?

Sicherlich. Das war auch ein Beweis der großen intellektuellen und kulturellen Gabe des Papstes, der sich hier als eine Persönlichkeit auf höchstem kulturellen Niveau präsentiert hat. Und er hat gezeigt, dass er auch sehr schwierige Themen mit einer großen Klarheit und Fähigkeit zur Synthese angehen kann. Mit dieser Vorlesung ließ er wirklich die Geschichte der Beziehung von Glaube und Vernunft Revue passieren: Vom Alten Testament zur Beziehung zwischen griechischer Rationalität und biblischer Kultur; genauso wieder im Alten Testament die griechische Übersetzung der Septuaginta; und dann die Behandlung des Neuen Testaments. Dann sind wir mit ihm in einem gewissen Sinn durch die Theologiegeschichte gegangen: von den Vätern der Reformation über Kant bis in die Moderne. Der Papst hat uns also in wenigen Minuten einen Überblick über die Kulturgeschichte und die Kulturgeschichte der Theologie geben können und sie dann auch noch in die aktuelle Situation übersetzt. Und das hat er mit sehr konkreten Hinweisen getan, so zum Beispiel auf die christlichen Wurzeln Europas, auf die europäische Kultur und auf die Sendung, die die europäische Kultur weiterhin erfüllen sollte.
(Original: Italienisch. Übersetzung: Ludwig Waldmüller / rv 13.09.06 gs)







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