2006-09-12 18:48:36

Marktl - Ein Dorf feiert seinen Papst


Es war – neben dem geplanten Besuch am Familiengrab – wohl der privateste Teil der Reise: der Besuch in Marktl. Die kleine Marktgemeinde am Inn hat für ihn, „etwas Heimeliges und Warmherziges an sich“. Birgit Pottler hat sich auf ihrer Bayern-Reise dort umgehört:


Es war einmal ein kleines Dorf am Inn, mit einigen Hundert Einwohnern, einer Kirche, einem Dorfplatz und einem Fahrradweg, eine Marktgemeinde, die am 19. April 2005 aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte.
„Davor, da war Marktl ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das kannte man nicht, da gab es keinen Tourismus, nur Radfahrer bei der Durchreise… “
Die junge Frau arbeitet im Tourismusbüro. Ein strahlend heller Raum mit großen Fensterflächen und integriertem kleinen Museum im Rathaus von Marktl. Noch vor wenigen Monaten gab es das nicht. Seit der Papstwahl ist alles anders.
„Ja klar ist man stolz. Ist schon etwas sehr besonderes, dass Marktl über Nacht so berühmt und bekannt geworden ist, für die ganze Welt eigentlich offen.“
Die Tische im Straßencafé sind vollbesetzt, Neugierige kommen mit Fahrrad, Reisebus oder auch als Wanderer die breite Hauptstraße entlang:
„Man merkt es deutlich, dass mehr Besucher kommen. Kurz vor dem Papst alle sehr aufgeregt. Es ist sehr spannend.“
Einzige Besonderheit des oberbayerischen Dorfes: Das Eckhaus am Hauptplatz. Das Geburtshaus von Joseph Ratzinger. Der Papst selbst hat hier 1997 die entsprechende Gedenktafel enthüllt, er ist Ehrenbürger und hat doch nur zwei Jahre seines Lebens hier verbracht. Das stattliche Anwesen ist inzwischen wohl das meistphotographierteste Haus in Bayern. Es gibt Modelle in unterschiedlichen Größen, besonders beliebt als Zierde für die Modelleisenbahn, Häuschen aus Marzipan und Lebkuchen. Überhaupt ist die Dichte an Souvenirgeschäften in Marktl ungefähr so hoch wie die Altöttings an Kirchen. Hier gibt es Vatikan-Brot, Benedikt-Bier oder die Papst-Mütze. All das hält eine alteingessene Marktlerin nicht für Ironie, sondern Ausdruck ehrlicher Freude:
„Ich sag’, der Herrgott hat das Getreide, den Hopfen geschaffen. Das ist ihr Handwerk. Der Besucher kommt und fordert das auch, deswegen wird das immer wieder neu hergestellt. Und deswegen ist es schade, dass das in den Medien immer wieder schlecht hingestellt wird.“
Schließlich gibt es Souvenirs auch in Altötting oder Lourdes.
„Nur weil wir Marktl sind, nur weil wir ein kleines Märktlein sind, schaut man halt ganz besonders drauf, was gemacht wird.“
Es sei einfach die bayerische Art, manchmal vielleicht ein wenig deftig, vor allem aber natürlich. Auf die Nerven geht der Rummel den Marktlern nicht, im Gegenteil:
„Ich find’ das eigentlich schön, dass der Ortskern mal ein wenig belebt ist, ein paar Leute da sind. … Wir empfinden das eigentlich alle als Freude, es gibt nur ganz wenige, die dagegen sind. Im Großen und Ganzen sind wir alle sehr erfreut und freuen uns jeden Tag immer wieder, dass nette Leute kommen aus allen Nationen. Es gibt bestimmte Leute, da läuft einem die Gänsehaut auf, die bringen dir viel Kraft und…“
Und sie bringen Ideen nach Marktl. Auf dem Dorfplatz haben sie eine Benediktsäule aufgestellt, die nicht etwa seine Person ehren soll, sondern das Evangelium verkünden, so der Künstler. Und bemerkenswert ist der Zusammenhalt der Marktler. Als ein „Spinner“ – so sagt der Bayer – am Sonntag morgen Farbbeutel gegen das Geburtshaus des Papstes schleuderte, drohte der historische Tag fast zum Desaster zu werden. Weit gefehlt: Schon Abend war das Haus wieder strahlend weiß, dank der flinken Hände einer Malerfirma und unzähliger Mitbürger des Papstes.


(rv 11.09.06 bp)








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