Es war – neben dem geplanten Besuch am Familiengrab – wohl der
privateste Teil der Reise: der Besuch in Marktl. Die kleine Marktgemeinde am Inn hat
für ihn, „etwas Heimeliges und Warmherziges an sich“. Birgit Pottler hat sich auf
ihrer Bayern-Reise dort umgehört:
Es war einmal ein kleines Dorf am Inn,
mit einigen Hundert Einwohnern, einer Kirche, einem Dorfplatz und einem Fahrradweg,
eine Marktgemeinde, die am 19. April 2005 aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte. „Davor,
da war Marktl ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das kannte man nicht, da gab es
keinen Tourismus, nur Radfahrer bei der Durchreise… “ Die junge Frau arbeitet
im Tourismusbüro. Ein strahlend heller Raum mit großen Fensterflächen und integriertem
kleinen Museum im Rathaus von Marktl. Noch vor wenigen Monaten gab es das nicht. Seit
der Papstwahl ist alles anders. „Ja klar ist man stolz. Ist schon etwas sehr
besonderes, dass Marktl über Nacht so berühmt und bekannt geworden ist, für die ganze
Welt eigentlich offen.“ Die Tische im Straßencafé sind vollbesetzt, Neugierige
kommen mit Fahrrad, Reisebus oder auch als Wanderer die breite Hauptstraße entlang: „Man
merkt es deutlich, dass mehr Besucher kommen. Kurz vor dem Papst alle sehr aufgeregt.
Es ist sehr spannend.“ Einzige Besonderheit des oberbayerischen Dorfes: Das
Eckhaus am Hauptplatz. Das Geburtshaus von Joseph Ratzinger. Der Papst selbst hat
hier 1997 die entsprechende Gedenktafel enthüllt, er ist Ehrenbürger und hat doch
nur zwei Jahre seines Lebens hier verbracht. Das stattliche Anwesen ist inzwischen
wohl das meistphotographierteste Haus in Bayern. Es gibt Modelle in unterschiedlichen
Größen, besonders beliebt als Zierde für die Modelleisenbahn, Häuschen aus Marzipan
und Lebkuchen. Überhaupt ist die Dichte an Souvenirgeschäften in Marktl ungefähr so
hoch wie die Altöttings an Kirchen. Hier gibt es Vatikan-Brot, Benedikt-Bier oder
die Papst-Mütze. All das hält eine alteingessene Marktlerin nicht für Ironie, sondern
Ausdruck ehrlicher Freude: „Ich sag’, der Herrgott hat das Getreide, den Hopfen
geschaffen. Das ist ihr Handwerk. Der Besucher kommt und fordert das auch, deswegen
wird das immer wieder neu hergestellt. Und deswegen ist es schade, dass das in den
Medien immer wieder schlecht hingestellt wird.“ Schließlich gibt es Souvenirs
auch in Altötting oder Lourdes. „Nur weil wir Marktl sind, nur weil wir ein
kleines Märktlein sind, schaut man halt ganz besonders drauf, was gemacht wird.“ Es
sei einfach die bayerische Art, manchmal vielleicht ein wenig deftig, vor allem aber
natürlich. Auf die Nerven geht der Rummel den Marktlern nicht, im Gegenteil: „Ich
find’ das eigentlich schön, dass der Ortskern mal ein wenig belebt ist, ein paar Leute
da sind. … Wir empfinden das eigentlich alle als Freude, es gibt nur ganz wenige,
die dagegen sind. Im Großen und Ganzen sind wir alle sehr erfreut und freuen uns jeden
Tag immer wieder, dass nette Leute kommen aus allen Nationen. Es gibt bestimmte Leute,
da läuft einem die Gänsehaut auf, die bringen dir viel Kraft und…“ Und sie
bringen Ideen nach Marktl. Auf dem Dorfplatz haben sie eine Benediktsäule aufgestellt,
die nicht etwa seine Person ehren soll, sondern das Evangelium verkünden, so der Künstler.
Und bemerkenswert ist der Zusammenhalt der Marktler. Als ein „Spinner“ – so sagt der
Bayer – am Sonntag morgen Farbbeutel gegen das Geburtshaus des Papstes schleuderte,
drohte der historische Tag fast zum Desaster zu werden. Weit gefehlt: Schon Abend
war das Haus wieder strahlend weiß, dank der flinken Hände einer Malerfirma und unzähliger
Mitbürger des Papstes.