Das Flüchtlingsdrama
im Mittelmeer und keine Ende in Sicht. Seit Freitag haben mehr als 1.300 Schwarzafrikaner
die Kanarischen Inseln erreicht, vor der süditalienischen Insel Lampedusa kenterten
innerhalb von 48 Stunden zwei Flüchtlingsboote. Die Marine sucht nach den Leichen
von 60 vermutlich ertrunkenen Nordafrikanern. Seit Monaten rufen Italien, Spanien,
aber auch Malta angesichts des Migrationsdrucks die EU um Hilfe, doch der Einsatz
der europäischen Grenzschutzeinheiten "Frontex" beschränkt sich auf eine portugiesische
Korvette vor Kap Verde. Dabei ist hier ganz Europa gefragt. Das Problem kann man nur
gemeinsam lösen, sagt jetzt der Aussschussvorsitzende für auswärtige Angelegenheiten
im Europaparlament, Elmar Brok:
"Ich glaube, dass man hier jetzt auf
eine gemeinsame Strategie gehen wird, die die Fragen der Sicherung angehen, aber ich
glaube, dass dieses den Anstoß geben wird, dass man insgesamt eine bessere Entwicklungspolitik
betreiben wird.“
Mit Zurückweisen der Flüchtlinge oder Festhalten in Auffanglagern
ist es nicht getan, so der christdemokratische EU-Parlamentarier:
"Man
kann letztlich nur an die Quelle der Dinge herangehen und das bedeutet, dass man den
Menschen in ihren Ländern eine Zukunftsperspektive gibt. Wenn Menschen bewusst in
Kauf nehmen, dass sie ihr Leben verlieren, dann ist der Druck so ungeheuer groß, dass
man mit internen innereuropäischen Regeln das nicht mehr in den Griff bekommen kann.
Aus dem Grunde muss man die Not der Menschen in ihren Heimatländern lindern.“
Die
Hilfsorganisationen vor Ort erleben das Elend hautnah: Seit Jahren stranden hier Menschen
ausgehungert vor den Küsten und haben dafür buchstäblich mit ihrem Vermögen bezahlt.
Oliviero Forti vom Immigrationsbüro der italienischen Caritas sagt: "Aufwachen, liebe
EU!" „Das Phänomen kennen wir seit vielen Jahren, leider verspricht
man sich immer mehr von dem Handel mit den Immigranten, ein riesiges Geschäft, in
das in der ganzen Welt verschiedene verbrecherische Organisationen einsteigen. Da
müssen wir ansetzen, um die illegalen Flüchtlingsströme aufzuhalten, um Dramen wie
diese zu vermeiden, in die hunderttausende Menschen verwickelt sind, darunter viele
Kinder und Frauen.“
Forti fordert vor allem mehr Zusammenarbeit mit den
Herkunftsländern der Immigranten. Nicht nur Finanzspritzen sondern ein gemeinsames
Projekte:
„Das Drama der Bootsflüchtlinge hat europäisches Ausmaß. Es
braucht einige mutige Entscheidungen, die bislang fehlen. Es dürften nicht nur Italien
und Spanien den Kampf gegen die Illegalität führen. Sie sind zusammen mit allen anderen,
auch den traditionellen Einwandererländern, aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten.“
Ein
Ende des Flüchtlingsstroms ist nicht in Sicht. In den ersten sieben Monaten dieses
Jahres kamen allein auf Sizilien 12.000 Einwanderer mit größtenteils seeuntauglichen
Booten an - 2000 mehr als im Vergleichszeitraum 2005. 30 Millionen Menschen warten
laut italienischem Solidaritäsminister noch an den Küsten Afrikas. Die Menschen haben
keine Perspektive. Einerseits, erinnert EU-Parlamentarier Elmar Brok:
„Auf
der anderen Seite muss man sehen, dass Schlepperbanden immer krimineller vorgehen
und Menschen in Risiken hineinlocken, mit hohen Preisen, die sie vorher zu zahlen
haben, und anschließend möglicherweise mit ihrem Leben zu zahlen haben. An diesen
beiden Stellen muss man etwas tun: für die bessere Lebensqualität und gegen die Schlepperbanden.“
Die
Regierung in Rom verdächtigt unterdessen Libyens Präsident Gadhafi, die Flüchtlinge
als Faustpfand zu nutzen, um Wiedergutmachung für die Kolonialzeit zu erzwingen. Er
fordert vor allem Geld für eine 1700 Kilometer lange Küstenstrasse von der tunesischen
bis zur ägyptischen Grenze. Die Regierung Prodi hatte jedoch die bilateralen Verhandlungen
mit Tripolis aufgekündigt. (rv 22.08.06 bp)