Papst Benedikt hat
bei seinem letzten Angelusgebet an Mariä Himmelfahrt den Irak als besorgniserregender
Krisenherd der Welt bezeichnet. Fast jeden Tag wurden in den letzten Wochen Bombenanschläge
im Irak gemeldet. Knapp 18.000 Zivilisten sind im Irak in diesem Jahr ums Leben gekommen
- die politische Situation ist ungelöst, so der Menschenrechtsexperte Daniel Bogner
von Justitia et Pax.
„Ich bin sehr froh, dass der Heilige Vater darauf hingewiesen
hat, denn es gibt momentan weltpolitisch eine große Gefahr, nämlich dass aufgrund
der aktuellen Ereignisse, besonders eben im Libanon, das Problemfeld Irak von der
Bildfläche verschwindet und man sich letztlich an die Situation dort gewöhnt, die
weiterhin eine Katastrophe ist. Im Irak sind die Probleme keineswegs gelöst. Man ist
weit entfernt davon. Die Zahlen sprechen für sich: Der vergangene Juli war der Monat
mit den meisten zivilen irakischen Toten überhaupt seit Kriegsbeginn 2003. Da sind
knapp 3.500 Menschen ums Leben gekommen, 1.800 allein in der Hauptstadt Bagdad in
einem Monat. UN-Mitarbeiter vermuten, dass die realen Zahlen noch weit drüber liegen.“
Die
Situation im Irak sei zu komplex – allgemeine Konfliktlösungsstrategien nutzten gar
nichts. Ein großes Problem bestünde darin, so Bogner:
„dass sie militärische
Intervention im Jahre 2003 im Irak begonnen wurde, und man heute feststellen muss,
dass nicht genug und ausreichend darüber nachgedacht worden ist, wie die Situation
nach der Intervention aussieht. Die kirchliche Friedensethik hat das beispielsweise
immer als einen ganz wichtigen Punkt betont, dass ein militärischer Eingriff nur dann
überhaupt legitimiert werden kann, wenn bestmöglich dafür Sorge getragen ist: Wie
ist die Situation danach? Es muss Aussichten geben, dass die Situation danach deutlich
besser ist, als die Situation vorher.“
Die Zahlen als auch die bürgerkriegsartige
Situation im Irak gebe ein trauriges Zeugnis davon, dass ein Hoffen auf bessere Aussichten
selbst Optimisten schwer fällt. Insbesondere religiöse Minderheiten hätten unter diesem
Konflikt zu leiden, so Bogner:
„Momentan hat man die Situation, dass die
extremistischen Gruppen bei Sunniten und Schiiten stark gegeneinander agieren. Die
religiösen Gruppen sind untereinander sehr verfeindet, und das Problem ist, dass bei
solchen innerstaatlichen Konflikten, bei denen die großen Religionsgruppen gegeneinander
stehen, die religiösen Minderheiten unter den Tisch fallen. Das sehen wir im Irak,
dass die christlichen Iraker abwandern. Das ist etwas sehr Trauriges, denn die Christen
gehören zu dem Land, auf dem der Irak entstanden ist, ganz fundamental dazu, haben
immer dort gelebt, zur Kultur des Landes beigetragen, sind dort nicht irgendwie nur
eine Gastgruppe, sondern haben auch die Kultur dieses Landes geprägt.“ (rv
17.08.06 sis)