2006-08-17 19:55:04

Der Papst kommt. Ein Ausblick nach Bayern.


RealAudioMP3 Ein Papst auf den Spuren der Vergangenheit. Und zwar seiner eigenen. Ein Hörstück drei Wochen vor Benedikts Reise in die Heimat von Birgit Pottler...

„Der Grund des Besuchs war eigentlich eben doch wirklich der, dass ich noch einmal die Orte, die Menschen sehen wollte, wo ich groß geworden bin, die mich geprägt und mein Leben geformt haben, und diesen Menschen danken wollte.“

Und diesen Wunsch des Papstes muss ganz Deutschland respektieren, sagt der deutsche Oberhirte Kardinal Karl Lehmann. Auch wenn vor allem die neuen Bundesländer 15 Jahre nach der Wiedervereinigung auf einen Besuch des Papstes in Erfurt oder Dresden warteten - diesmal müssten sich alle Nicht-Bayern in Zurückhaltung üben, so Lehmann:

„Es ist menschlich, dass der Papst zunächst einmal nach seiner Wahl, er konnte ja nicht mehr in seine Heimat gehen, nach Hause kommt und einen persönlichen Besuch macht. Hier liegen die Wurzeln seines Tuns. Es ist ein Zeichen, der Verbundenheit des Papstes mit seiner Heimat…“

Und dennoch:
 
"Der Besuch in seiner Heimat wird keine bayrische Volksbelustigung werden, sondern es wird um die großen Existenzfragen gehen, die auch die Kirche in unserem Land bewegen. Ich denke auch, es werden dabei Impulse in unser Land gehen, die wir dringend brauchen."


Das sagt der Kölner Kardinal Joachim Meisner. Einer der’s wissen muss, schließlich war Benedikt vor genau einem Jahr zum Weltjugendtag zu Gast in Köln. Bereits die dritte Auslandsreise führt Papst Benedikt XVI. vom 9. bis zum 14. September erneut nach Deutschland. Die Reiseroute verläuft auf den Städten seines persönlichen Wirkens.


Ankunft: Freitag, 9. September, in München.


Den Bär des Bistumsheiligen Korbinian trägt er in seinem Papstwappen, ebenso den Freisinger Mohren. In seinen Autobiographischen Erinnerungen schreibt Joseph Ratzinger, es sei ihm schwer gefallen, nach München zu kommen und schwer, wieder zu gehen. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, kehrte Kardinal Josef Ratzinger nach München zurück. Hier war er Kaplan, Aushilfspfarrer und nach dem Tod Kardinal Julius Döpfners dann eben bis zu seinem Umzug nach Rom 1982 Erzbischof. Ans Herz gewachsen ist ihm vor allem die Statue der Schutzfrau Bayerns, der Patrona Bavariae auf dem Marienplatz. Vom Flughafen will er sich im Papamobil direkt auf den Weg zur Marienstatue machen, und wie schon Johannes Paul II. hier öffentlich beten.


Zum Fest der Patrona Bavariae empfing Benedikt XVI. in diesem Jahr eine Abordnung der Bayerischen Gebirgsschützen in Rom. Ihnen sagte er, Heimat ist mehr als ein Punkt auf der Landkarte.


„Für uns beinhaltet es zugleich eine Verwurzelung im christlichen Glauben, der Bayern und ganz Europa zutiefst geprägt hat und der unserem Leben seinen eigentlichen Sinn verleiht. Dieser Glaube hat sich in unserem Land wie auch in anderen Regionen spezielle Ausdrucksformen geschaffen - von der barocken Pracht unserer Kirchen bis zum bescheidenen Wegkreuz zwischen den Feldern, von den feierlichen Fronleichnamsprozessionen bis zu kleinen Pilgergängen zu den zahlreichen Wallfahrtsorten, von der großen Kirchenmusik bis zum alpenländischen Volkslied…Die bayerische Volkskultur macht in ihren mannigfaltigen Ausdruckformen die tiefe, unzerstörbare Freude sichtbar, die Jesus Christus uns schenken wollte, als er sagte: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben" (Joh 10, 10).“

Am Sonntag, den 10. September, feiert der Papst Gottesdienst auf der Messe in Riem, die Theresienwiese ist bereits mit den Zelten und Fahrgeschäften fürs Oktoberfest belegt.


Am Montag, den 11. September, geht es dann weiter nach Altötting; dem größten deutschen Wallfahrtsort und dem so genannten „Herz Bayerns“. Am Gnadenbild der Schwarzen Madonna wird Papst Benedikt beten und dann auf dem Kapellplatz Gottesdienst feiern. Rechtzeitig vor dem Besuch hat die Stadt Altötting den Papst zum Ehrenbürger ernannt. Der Papst dankte der nach Rom gereisten Delegation mit warmen Worten und betonte,


„dass Altötting in meine frühesten Kindheitserinnerungen hinein verwoben ist, und dass es einfach zum ganzen Gefüge meiner Lebenserinnerungen gehört. … Vielleicht erwähne ich gerade auch, dass unser Vater, der immerhin schon 68 Jahre alt war, als mein Bruder und ich vom Krieg heil heimgekommen waren, zu Fuß den weiten Weg von Traunstein nach Altötting gegangen ist um der Gottesmutter zu danken, dass seine beiden Buben wieder heim gekommen waren, zu deren Schutz er sie ihr anvertraut hatte.“

Joseph Ratzinger selbst ist mehrfach nach Altötting gepilgert.


„Durch diese Ehrenbürgerschaft gehöre ich nun ja auf eine ganz besondere Weise zu Altötting. Die bayerischen Kurfürsten haben nach ihrem Tod ihr Herz dort hinterlegen lassen. Ich weiß, dass auf diese Weise mein Herz noch deutlicher bei der Mutter Gottes ist, und dass sie auf mich herunter schauen und mir auf meinem Pilgerweg helfen wird.“

Mittagpause macht er auf eigenen Wunsch im Kapuzinerkloster St. Magdalena, wo sich die Mönche schon jetzt die Speisenfolge überlegt haben. „Leichte Suppe“, soll es geben, „dann Braten mit Salaten und Knödeln".


Verschiedene Besuche stehen auf dem Programm, bevor sich am Abend ein vermeintlicher Herzenswunsch des Papstes erfüllt: ein Abstecher nach Marktl am Inn. Hier wurde Joseph Ratzinger am 16. April 1927 geboren und getauft. Der Taufstein fiel 1965 fast den Renovierungsarbeiten der Kirche zum Opfer und landete – wie in vielen anderen Pfarreien Süddeutschlands – im Pfarrgarten. 1990 wanderte er ins Heimatmuseum und erst nach der Papstwahl fand er wieder einen Platz in der Pfarrkirche. Bürgermeister Hubert Gschwendtner ist stolz:


„Viele Leute wünschen natürlich, dass ihre Kinder in dem Taufstein getauft werden, wo der Papst getauft wurde. Wir haben am Ostersonntag die erste Taufe gehabt, am 79. Geburtstag von Benedikt XVI. und ziemlich genau an dem Tag, nur 79 Jahre später, an dem er getauft wurde. Er wurde ja auch in der Osternacht getauft.“

Zwar wohnte die Familie Ratzinger nur zwei Jahre in Marktl, persönliche Erinnerungen hat der deutsche Papst gar keine, doch schon beim letzten Deutschlandbesuch galt dem Ort ein besonderer Gruß - hoch oben aus der Luft:


„Lufthansa 3856 Marktl. Marktl liegt ja nah bei Altötting, deswegen möchte ich jetzt mit Euch ein Ave Maria beten und Euch meinen Segen geben…“
 
Unweit des inzwischen wohl berühmtesten Dorfes Deutschlands liegt Traunstein. Auch hier wurde Geschichte geschrieben und zwar die des Hitlerjungen Ratzinger. Die Bilder gingen nach der Papstwahl um die Welt, und zwischen den Besuchen in Polen und Deutschland tauchen sie hartnäckig vor allem in Großbritannien und den USA wieder auf. Das Erzbistum München-Freising sah sich nun geradezu veranlasst, eigene Untersuchungen in Auftrag zu geben über das Studienseminar St. Michael in Traunstein und damit auch über die Schul- und Seminarzeit von Joseph Ratzinger. Wie vor ihm sein älterer Bruder Georg war er 1939 in St. Michael eingetreten:


„Das hatte auf das Haus folgende Auswirkungen, die Hitlerzeit, dass nämlich die Repressalien groß wurden, gerade gegen Kinder in diesen Häusern, die natürlich für das Regime und die Nazis immer verdächtig waren. Das war ein Hort, wo man Jugendliche heraus nahm und die in einer ganz eigenen Welt leben konnten. Sie waren nicht Mitglieder der freiwilligen Hitlerjugend, mussten dann aber aufgrund einer Verfügung ab 1941 beitreten.“

Das erzählt Thomas Frauenlob, seit 1997 Direktor des von Kardinal Faulhaber gegründeten Hauses. Vor kurzem wurde er von Papst Benedikt XVI. in die Bildungskongregation nach Rom abberufen. Aus langjährigen Studien weiß Frauenlob,


„dass sich die Anführer dieser Hitlerjugend davor hüteten, einen Wettkampf mit der Kirche zu suchen, mit diesen verpflichteten Hitlerjungen, sie haben also kaum Termine parallel zu den Gottesdiensten gelegt am Sonntag, sie versuchten sie immer gewinnen für den Nationalsozialismus, was aber wenig gelungen ist, zumindest bei denen, die einen Rückhalt im Glauben hatten.“

Keine Rede also vom Überläufer Joseph. Der Vater hatte sich vom Polizeidienst pensionieren lassen, da er für dieses Regime nicht arbeiten wollte, der Familie fehlte es schlicht am nötigen Kleingeld. Der damalige Direktor des Traunsteiner Seminars hatte solang als möglich versucht, seine Schüler vor der Hitlerjugend zu bewahren. Frauenlob weiter:

„Schwierig war es natürlich auch weil es in der Schule Repressalien gab. Es gab Schulgeld. Ich habe einen Jahresbericht aus den 40-er Jahren, demnach haben fast alle Schüler aufgrund der finanziellen Verhältnisse ihrer Eltern, eine Schulgeldermäßigung zu bekommen. Die war oft genug verbunden mit einer gewissen Konformität zum Staat.“

Der enge Zeitplan der Bayernreise lässt jedoch keine Lücke für eine Stippvisite Benedikts nach Traunstein. Und so geht es am Abend des 11. September von Marktl weiter nach Regensburg.


Auch die Stadt an der Donau ernannte ihn dieses Jahr zum Ehrenbürger. Joseph Ratzinger war von 1969 bis 1977 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Regensburg. Sein Bruder Georg wohnt in der Regensburger Innenstadt und er selbst besitzt ein Haus im Vorort Pentling. Hier sind seine Eltern und die Schwester begraben. Mit der Stadt ist er also seit langem eng verbunden. Er war bewegt, als er die Urkunde im Vatikan entgegennahm:


"Nun gehöre ich auch zu ihren Bürgern, ehrenhalber, und bin dadurch, wie Sie sagen, auf Lebenszeit und über das Leben hinaus dieser besonderen Stadt zugehörig; eine alte und doch eine ganz junge Stadt voll junger Menschen und voll junger Dynamik und Lebenskraft.“

 
2000 Jahre Stadtgeschichte, der älteste Knabenchor der Welt, den sein Bruder drei Jahrzehnte lang leitete, und ein ökumenisches Miteinander prägten die Stadt, so Benedikt.
 
Die Regensburger wollen „ihren Papst“ am Abend mit Fackeln begrüßen; die Kirchen der Innenstadt werden zum Gebet geöffnet sein, Jugendliche wollen die Nacht bereits auf dem Islinger Feld verbringen. Hier wird der Papst dann am 12. September die größte Messe seines Deutschlandaufenthalts feiern. Am Nachmittag geht es an die alte Wirkungsstätte in der Universität, am Abend in den Dom. Eigens für ihn wird das Westportal geöffnet, seit 50 Jahren ist es wegen Bauarbeiten geschlossen. Der Dom - nicht nur für Benedikt ist er das Wahrzeichen der oberpfälzischen Metropole:
 
Wer den Dom in seiner ganzen Größe sieht, den lächelnden Engel, die Mutter Gottes, die Gestalten in ihr, wer all die anderen großen Kirchen und Bauten dieser Stadt sieht, der sieht, dass - wie immer - auch in den vergangenen Zeiten Dunkles und Großes miteinander verbunden waren, dass die Geschichte auch heute uns zu belehren hat, dass wir Geschichte nicht verlieren dürfen, sie verlieren würden, wenn wir sie vergessen, sie verlieren würden, wenn wir stagnieren wollten.“


Auch seiner Liebe zur Musik kann Joseph Ratzinger in Regensburg gerecht werden. Am Mittwoch, den 13. September, steht morgens eine Orgelweihe auf dem Programm.


Danach wird es privat. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit trifft sich Benedikt mit seinem Bruder Georg und fährt nach Pentling in sein Haus mit Garten.

Mehr als ein Nachmittag in privatissime bleibt nicht. Am nächsten Morgen, Donnerstag, 14. September, geht es nach Freising auf den Domberg und von dort zurück zum Flughafen. Das war sie dann, die Reise des Papstes nach Bayern.


In Bayern ist die Welt scheinbar noch in Ordnung. Zumindest aus gesamtdeutscher Perspektive betrachtet. Kardinal Karl Lehmann:


„Bayern ist mit Abstand das am meisten katholisch geprägte Land in der Bundesrepublik. Es ist kein Zweifel, dass in Bayern, gerade auch auf dem Land noch sehr viel bodenständige Kultur, die vom Glauben geprägt ist, lebt, auch haben wir Bistümer die trotz des Schwundes der Beteiligung am Leben der Kirche, der überall zu spüren ist, doch noch einen höheren Kirchenbesuch als anderswo, also zum Beispiel in Passau und in Regensburg, man spürt, dass hier eine sehr sehr starke Tradition zwar geschwächt ist, aber trotzdem noch viele viele Kräfte hat, das gilt auch für die Stärke der Laienarbeit.

Egal wo, in seiner Heimat wird er sehnsüchtig erwartet, erzählen bayerische Rompilger:


„Ich freue mich, wenn ich ihn wieder sehen darf, in München, in Regensburg, und wo ich gerade die Eintrittskarte noch bekommen und in der Nähe sein kann…“

Vor allem die Jugendlichen freuen sich auf ihn, die Altöttinger Kapellsingknaben und vor allem die Regensburger Domspatzen. Die bayerischen Schulferien wurden offiziell um einen Tag verlängert, damit möglichst viele zum Papst pilgern können:

„Er nimmt uns wichtig. Er nimmt uns als volle Personen, und das ist ganz entscheidend. Mit dem Vertrauen, das der oberste Bischof in uns Jugendliche setzt, sind wir uns unserer besonderen Verantwortung bewusst, und ich bin bereit, diese Verantwortung wahrzunehmen.“

Benedikt XVI. selbst nutzte jede Audienz für Pilger aus der Heimat und auch das Radio- und Fernsehinterview für ein persönliches Dankeschön vorab:

„Ich bin ja ganz beschämt über all das, was an Vorbereitungen für meinen Besuch geschehen ist, was Menschen da alles tun, nicht wahr. Mein Haus ist angestrichen worden, eine Berufsschule hat den Zaun gemacht. Der evangelische Religionslehrer hat mitgewirkt an meinem Zaun. Und das ist ja jetzt nur eine Kleinigkeit, aber ein Zeichen für ganz Vieles, was getan wird. Das finde ich so großartig, und ich beziehe es nicht auf mich, sondern es ist einfach ein Wille, dieser Gemeinschaft im Glauben zuzugehören…“

Und das ist ganz im Sinn seines Nachfolgers auf dem Stuhl des Heiligen Korbinian, Kardinal Friedrich Wetter:


„Dieser Besuch soll ein Fest des Glaubens werden. Die Menschen sollen spüren, was Kirche ist: Gemeinschaft mit dem Papst, aber hinter dieser Gemeinschaft mit dem Papst steht die Gemeinschaft mit Christus.“

Das Motto: „Wer glaubt ist nie allein.“ Das sollen die Pilger am eigenen Leib erleben, eine halbe Millionen Menschen werden erwartet. Also:


„So kann ich nur sagen: Auf ein frohes Wiedersehen im September.“

(rv 17.08.06 bp)







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