D: Lehmann, Einstimmigkeit der Resolution - ein "kleines Wunder
Kurz nach Verabschiedung
der UNO-Resolution zum Libanon-Konflikt hat Israel seine Bodenoffensive im Nachbarland
ausgeweitet. Israelische Sicherheitskreise haben bekanntgegeben, dass die Soldaten
am Samstag bereits bis zu einem Dorf elf Kilometer hinter der libanesischen Grenze
vorgerückt seien. Das bedeutet den bislang weitesten Vorstoß israelischer Bodentruppen
auf libanesischem Gebiet seit Kriegsbeginn. Von Seiten der Hisbollah wird berichtet,
sie sei mit der von den Vereinten Nationen geforderten Waffenruhe einverstanden. Die
Hisbollah stelle sich der beschlossenen Resolution nicht in den Weg, auch wenn einige
Aspekte "ungerecht" seien, erklärte der Führer der Hisbollah Hassan Nasrallah. Gudrun
Sailer fragte Kardinal Lehmann was er über die verabschiedete Resolution denkt: „Es
war ja ein erbittertes Ringen – umso dankbarer darf man sein, dass es zu einer Einstimmigkeit
gekommen ist. Das ist wie ein kleines Wunder, jedenfalls was das Zustandekommen des
Textes betrifft. Aber man wird sich auch klar sein müssen, dass die Verwirklichung
dieser Resolution - vor allem auch der Abzug der israelischen Armee und das Finden
der zusätzlichen Bereitschaft in den Ländern, Soldaten hinzuschicken - nicht so leicht
zu lösen sein wird. Man wird sich einfach fragen müssen, ob der Libanon jetzt durch
diese Bombardements die Kraft hat, zu dem Teil mitzuwirken, der ihm zugedacht ist
als ein souveräner Staat. Und schließlich denke ich, muss man sich fragen, wie man
die Hisbollah einigermaßen zähmen kann – dazu bedarf es noch einer sehr großen intensiven
Arbeit, die wahrscheinlich größer ist, als das bisher Geleistete. Aber das wäre jetzt
mal ein verheißungsvoller Anfang und das Erste und Wichtigste ist, wenn jetzt endlich
die Waffen schweigen würden.“
Aber Waffenstillstand hin oder her – für
die Zukunft der Christen im Nahen Osten sieht es doch trotz allem schlecht aus. Was
uns da an Nachrichten erreicht, scheint wirklich auf ein eindeutiges Ausbluten der
christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten hinzudeuten:
„Also wir brauchen
viel Solidarität – das ist gar kein Zweifel. Wir haben das bisher oft im Stillen geleistet,
wir müssen das aber lauter sagen. Wir sind natürlich eine erschreckende Minderheit.
Ich habe vor ein paar Tagen neue Zahlen gesehen: In Israel sind 76 Prozent der Menschen
Juden, fast 20 Prozent Muslime, alle Christen zusammen machen 2,1 Prozent und dann
noch 1,9 Prozent andere. Das ist natürlich für jeden, der Diaspora kennt, schon eine
erdrückende und beinahe verschwindende Minderheit. Da ist es sogar erstaunlich, dass
die Christen doch ein solches Ansehen haben und Anerkennung finden. Wir müssen gerade
jetzt, wenn denn auch ein stückweit Frieden einkehren sollte, die Menschen ermutigen,
dass wieder mehr nach Israel reisen, das sie vor allen Dingen die christlichen Einrichtungen
dort besuchen. Wir haben von der deutschen Bischofskonferenz schon seit einiger Zeit
- längst vor diesen Auseinandersetzungen - geplant, dass wir im kommenden Frühjahr
eine Sitzung des so genannten ständigen Rates, also der Bischöfe von allen 27 Diözesen,
in Israel abhalten und einen entsprechenden Besuch bei den Gemeinden machen. Hoffentlich
können wir diesen Besuch im Februar/ März machen, wie wir das geplant haben. Dann
soll das wenigstens ein Beitrag sein.“ (rv 12.08.06 sis)