Prof. Eveline Goodmnan-Thau, ist Rabbinerin und Professorin für Jüdische Religions-
und Geistesgeschichte. Geboren in Wien, floh sie 1938 mit ihren Eltern nach Holland,
wo sie in einem Versteck den Holocaust überlebte. Seit 1956 lebt die mehrfache Großmutter
in Jerusalem. 2001 wurde sie die erste Rabbinerin Österreichs in Wien, an der dortigen
Universität hat sie zur Zeit eine Gastprofessur. Mit ihren Gastprofessuren in Deutschland
und den USA sowie zahlreichen Publikationen hat Goodman-Thau auch der christlichen
Theologie wichtige Anstöße gegeben. Die Fragen stellte P. Max Cappabianca OP
Wie
wird die Situation in Israel wahrgenommen? Die Israelis und die
Juden in Israel, so muss sagen, fühlen sich bedroht. Und natürlich auch die Araber
in Israel fühlen sich genauso bedroht. Es gibt ein Dorf 20 Kilometer von der Grenze
von Libanon, wo eine gemeinsame Munizipalität ist und da fielen auch Kadjudscha-Raketen,
Also die Koexistzenz von Arabern und Israelis in Israel ist sehr gefährdet und ist
natürlich immer zerbrechlich, aber hält. Gott sei Dank
Durch die Angriffe
Israels scheint der Friedenswillen Israels unglaubwürdig zu sein. Wie sehen Sie das? Das
ist eine Misere. Es ist eine Misere, weil wir das Gefühl haben, dass wir den Palästinensern
einen Staat erlauben sollten: 80 Prozent der Israelis möchte, dass eine Zwei-Staaten-Lösung
kommt. Wir haben keine Feinde im Libanon, wir haben nur eine Organisation, die heißt
Hisbollah, die will einen Gottesstaat im Libanon machen und die Sache ausbreiten auch
auf Israel.
Wie sehen Sie die Haltung Europas in diesem Konflikt? Ich
gebe mal das folgende Beispiel: Es gab vor ein paar tagen eine Demonstration in Los
Angeles, wo hunderttausend Juden auf die Straße gegangen sind. Und natürlich wahrscheinlich
auch Amerikaner. In allen Großstädten gibt es Demonstrationen. Mir tut es natürlich
sehr weh, wenn durch den Medienkrieg Sachen ankommen in Deutschland, und die dazu
führen, dass es in Berlin vor ein paar Tagen eine Demonstration für Hisbollah gegeben
hat. Das ist für mich unverständlich. Das geht über jede Logik und jeden auch Versuch,
die Sache recht zurücken, hinaus.
Und die internationale Staatengemeinschaft? Sagen
wir es erst mal so: Es wäre mein größter Wunsch, wenn ab morgen früh oder in einer
Stunde es keine Soldaten mehr im Libanon gibt. Auf der anderen Seite meine ich, dass
wir dafür sorgen müssen, dass wir nicht wieder in der selben Situation kommen. Und
hier kommt jetzt die Arbeit von der UN, die Arbeit von der Außenwelt. Die Außenwelt
muss soviel Druck machen jetzt, dass dieser Waffenstillstand mit diesen Bedingungen
zu Stande kommt. Wenn wir jetzt einen Waffenstillstand haben, ohne überhaupt eine
Bedingung, jetzt sofort ohne diese Bedingung, dann wird es so sein, dass wieder Rüstung
kommt und dass es in sechs Monaten oder in einem Jahr genauso aussehen wird.
Das
heißt: Kein Pazifismus um jeden Preis? Sie sind ja Theologin! Kein
Pazifismus um jeden Preis. Wenn jemand kommt, um mich umzubringen, dann muss ich auch
sehen, wo meine klare theologische Position ist. Meine klaren Positionen sind theologisch
gesprochen, dass es keinen Gotteskrieg gibt. Das gibt es nicht, und da muss klare
Sprache gesprochen werden. Da kann man nicht sagen, ich toleriere die Hisbollah oder
ich toleriere islamischen Fundamentalismus, weil das ist deren Glauben. Da ist eine
Grenze.
Was wünschen Sie sich? Es gibt ein große Mizwa.
Eine große Aufgabe: Für eine religiöse Pflicht, die man hat. Und diese Aufgabe heißt:
Frieden stifte. Am Ende der Tage werden wir alle vor den lieben Gott kommen, und
er wird uns sagen: Liebe Kinder, ihr habt alle recht gehabt, aber welchen Weg seid
ihr gegangen? Und dieser Weg kann nur ein grader Weg sein, ein Weg des Friedens, wo
die Stolpersteine nicht gegeneinander geworfen, aber aus dem Weg geräumt werden. Wissen
Sie, es steht in Jeremia, dass die Rahel, die Mutter Rahel, im 31. Kapitel sich nicht
trösten lässt, bekannterweise. Und Gott sagt, der Lohn wird kommen und sie sagt: Nein,
ich lass mich nicht trösten, weil meine Söhne sind noch nicht aus dem Feindesland
zurückgekehrt zu ihren Grenzen. Olmert hat das auch zitiert im Knesset. Aber was er
nicht gesagt hat, dass Rahel sich nicht trösten lässt, weil der Text sagt „Ki enenu“
„Weil er nicht da ist“. Und dieses „Weil er nicht da ist“ habe ich gedeutet als, das
ist der Sohn der Palästinenserfrau oder der Mutter eines Kämpfers der Hisbollah. Und
er ist auch der Sohn auf der anderen Seite von einer jüdischen Mutter. Darum ist der
größte Wert für das Judentum, für das Christentum, für den Islam und für alle in der
Welt, das Leben zu heiligen.