2006-08-06 16:39:29

Israel: Frieden ist eine religiöse Pflicht


Prof. Eveline Goodmnan-Thau, ist Rabbinerin und Professorin für Jüdische Religions- und Geistesgeschichte. Geboren in Wien, floh sie 1938 mit ihren Eltern nach Holland, wo sie in einem Versteck den Holocaust überlebte. Seit 1956 lebt die mehrfache Großmutter in Jerusalem. 2001 wurde sie die erste Rabbinerin Österreichs in Wien, an der dortigen Universität hat sie zur Zeit eine Gastprofessur. Mit ihren Gastprofessuren in Deutschland und den USA sowie zahlreichen Publikationen hat Goodman-Thau auch der christlichen Theologie wichtige Anstöße gegeben. Die Fragen stellte P. Max Cappabianca OP

Wie wird die Situation in Israel wahrgenommen?
 
Die Israelis und die Juden in Israel, so muss sagen, fühlen sich bedroht. Und natürlich auch die Araber in Israel fühlen sich genauso bedroht. Es gibt ein Dorf 20 Kilometer von der Grenze von Libanon, wo eine gemeinsame Munizipalität ist und da fielen auch Kadjudscha-Raketen, Also die Koexistzenz von Arabern und Israelis in Israel ist sehr gefährdet und ist natürlich immer zerbrechlich, aber hält. Gott sei Dank

Durch die Angriffe Israels scheint der Friedenswillen Israels unglaubwürdig zu sein. Wie sehen Sie das?
 
Das ist eine Misere. Es ist eine Misere, weil wir das Gefühl haben, dass wir den Palästinensern einen Staat erlauben sollten: 80 Prozent der Israelis möchte, dass eine Zwei-Staaten-Lösung kommt. Wir haben keine Feinde im Libanon, wir haben nur eine Organisation, die heißt Hisbollah, die will einen Gottesstaat im Libanon machen und die Sache ausbreiten auch auf Israel.

Wie sehen Sie die Haltung Europas in diesem Konflikt?
 
Ich gebe mal das folgende Beispiel: Es gab vor ein paar tagen eine Demonstration in Los Angeles, wo hunderttausend Juden auf die Straße gegangen sind. Und natürlich wahrscheinlich auch Amerikaner. In allen Großstädten gibt es Demonstrationen. Mir tut es natürlich sehr weh, wenn durch den Medienkrieg Sachen ankommen in Deutschland, und die dazu führen, dass es in Berlin vor ein paar Tagen eine Demonstration für Hisbollah gegeben hat. Das ist für mich unverständlich. Das geht über jede Logik und jeden auch Versuch, die Sache recht zurücken, hinaus.

Und die internationale Staatengemeinschaft?
 
Sagen wir es erst mal so: Es wäre mein größter Wunsch, wenn ab morgen früh oder in einer Stunde es keine Soldaten mehr im Libanon gibt. Auf der anderen Seite meine ich, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir nicht wieder in der selben Situation kommen. Und hier kommt jetzt die Arbeit von der UN, die Arbeit von der Außenwelt. Die Außenwelt muss soviel Druck machen jetzt, dass dieser Waffenstillstand mit diesen Bedingungen zu Stande kommt. Wenn wir jetzt einen Waffenstillstand haben, ohne überhaupt eine Bedingung, jetzt sofort ohne diese Bedingung, dann wird es so sein, dass wieder Rüstung kommt und dass es in sechs Monaten oder in einem Jahr genauso aussehen wird.

 
Das heißt: Kein Pazifismus um jeden Preis? Sie sind ja Theologin!
 
Kein Pazifismus um jeden Preis. Wenn jemand kommt, um mich umzubringen, dann muss ich auch sehen, wo meine klare theologische Position ist. Meine klaren Positionen sind theologisch gesprochen, dass es keinen Gotteskrieg gibt. Das gibt es nicht, und da muss klare Sprache gesprochen werden. Da kann man nicht sagen, ich toleriere die Hisbollah oder ich toleriere islamischen Fundamentalismus, weil das ist deren Glauben. Da ist eine Grenze.

Was wünschen Sie sich?
 
Es gibt ein große Mizwa. Eine große Aufgabe: Für eine religiöse Pflicht, die man hat. Und diese Aufgabe heißt: Frieden stifte. Am Ende der Tage werden wir alle vor den lieben Gott kommen, und er wird uns sagen: Liebe Kinder, ihr habt alle recht gehabt, aber welchen Weg seid ihr gegangen? Und dieser Weg kann nur ein grader Weg sein, ein Weg des Friedens, wo die Stolpersteine nicht gegeneinander geworfen, aber aus dem Weg geräumt werden.
Wissen Sie, es steht in Jeremia, dass die Rahel, die Mutter Rahel, im 31. Kapitel sich nicht trösten lässt, bekannterweise. Und Gott sagt, der Lohn wird kommen und sie sagt: Nein, ich lass mich nicht trösten, weil meine Söhne sind noch nicht aus dem Feindesland zurückgekehrt zu ihren Grenzen. Olmert hat das auch zitiert im Knesset. Aber was er nicht gesagt hat, dass Rahel sich nicht trösten lässt, weil der Text sagt „Ki enenu“ „Weil er nicht da ist“. Und dieses „Weil er nicht da ist“ habe ich gedeutet als, das ist der Sohn der Palästinenserfrau oder der Mutter eines Kämpfers der Hisbollah. Und er ist auch der Sohn auf der anderen Seite von einer jüdischen Mutter. Darum ist der größte Wert für das Judentum, für das Christentum, für den Islam und für alle in der Welt, das Leben zu heiligen.







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