Interview mit dem
Generaloberen des Jesuitenordens, Pater Peter-Hans Kolvenbach aus Anlass des Festes
des Heiligen Ignatius am 31. 7. 2006 im Jubiläumsjahr der Jesuiten 450 Jahre nach
dem Tod des Ordensgründers
P Eberhard v. Gemmingen: Welches sind die Schwerpunkte
der Arbeit der Jesuiten heute, welche Akzente setzt der Orden heute?
P.
General Kolvenbach: Natürlich, in den 450 Jahren seit dem Tod des Ignatius hat
sich die Welt sehr verändert, doch die grundlegenden menschlichen Probleme und Bedürfnisse
sind die gleichen geblieben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Gesellschaft
Jesu heute in ähnlichen Bereichen engagiert ist, wie zu Zeiten des Ignatius. Sein
Eifer, den Menschen zu helfen, hatte Ignatius zum Aufbau eines Erziehungsapostolats
geführt, das bis heute zu den wichtigsten Feldern unseres Einsatzes gehört. Aber auch
die Sensibilität für die sozialen Probleme und sein tatkräftiger Einsatz für die Armen
und Ausgegrenzten bedeuten einen Auftrag und eine bleibende Herausforderung der Gesellschaft
Jesu. Wir sollen noch immer suchen, wie wir die Liebe Gottes glaubhaft durch unseren
Einsatz für Gerechtigkeit bezeugen können. Die Missionstätigkeit, für die Franz
Xaver nach Indien aufbrach, gilt auch heute als weites Arbeitsfeld, in dem der Orden
seine Sendung zu erfüllen sucht. Und gemessen an der Zahl der Jesuiten, die in den
Missionsländern tätig sind, ist die Gesellschaft Jesu der größte Missionsorden.
P
Eberhard v. Gemmingen: In welchen Ländern dieser Erde geht es den Jesuiten relativ
am besten – im Nachwuchs und überhaupt im geistlichen Wachstum?
P. General
Kolvenbach: An einem Festtag, wie dem unseres Ordensgründers, ist es sicher angebracht,
nicht nur auf Zahlen zu schauen, sondern vielmehr jede einzelne Berufung als ein Geschenk
Gottes zu betrachten. Heutzutage gibt es in der Gesellschaft Jesu noch immer 897
Novizen. Und wir sind sehr dankbar dafür. Aber die Nachwuchszahlen in den einzelnen
Ländern hängen von vielen Faktoren ab, die teils religiöser Natur sind, teils aber
auch auf gesellschaftliche Gegebenheiten zurückzuführen sind. Eine überalterte
Gesellschaft mit wenig Jugendlichen wird zahlenmäßig weniger Berufungen hervorbringen
als eine deren Durchschnittsalter unter 30 Jahren liegt. Großräumig gesehen weisen
die indischen und afrikanischen Provinzen im Vergleich mit anderen Assistenzen höhere
Nachwuchszahlen auf. Besonders gibt es viele Berufungen in Indonesien, auf den Philippinen
und in Korea und in den letzten Jahren vor allem auch in Vietnam. In Europa ist
die Nachwuchssituation sicher in Portugal am besten, gefolgt von den beiden polnischen
Provinzen.
P Eberhard v. Gemmingen: Gibt es Akzente, die die GJ in diesem
Jubiläumsjahr gesetzt hat?
P. General Kolvenbach:
Die von den einzelnen Provinzen gesetzten Akzente sind sehr mannigfaltig Pilgerfahrten
und Bildungsveranstaltungen, Vorträge zu Geschichte und Spiritualität der Gesellschaft,
Konzerte mit Musik aus den ehemaligen Jesuitenreduktionen, Ausstellungen und Exerzitien
auf den Spuren des Ignatius, Publikationen und Gottesdienste, aber auch Sportveranstaltungen
für unsere Alumnen wie hier in Italien. Neben solchen Aktivitäten nach außen geht
es in einem Jubiläumsjahr jedoch vor allem auch um die innere Erneuerung der Jesuiten
und der ganzen ignatianischen Familie. Diesem Anliegen dienen beispielsweise die
Kongresse zu den Exerzitien und zu den Konstitutionen, gemeinsam gemachte Exerzitien
und Einkehrtage. Nicht unerwähnt bleiben soll der Gottesdienst am 22. April in St.
Peter, als wir das Jubiläum mit dem Heiligen Vater gefeiert haben.