2006-07-09 10:57:52

Papst: "Familie ist Schule der Menschlichkeit"


RealAudioMP3 Hunderttausende von Menschen haben gestern Nacht auf dem Messegelände von Valencia eine Vigil mit dem Papst gefeiert. Sie war ein Höhepunkt des V. Welttreffens der Familien. Hier ein Bericht unserer Redakteurin Birgit Pottler und eine Übersetzung der Ansprache des Papstes.

"Als die Sonne langsam hinter dem Kunstpalast versank, fuhr der Papst in der Stadt der Künste und Wissenschaften ein. Seit den Mittagsstunden hatten ihn hier die Familien erwartet, mit Schlafsack, mit Fahnen, mit Proviant für zwei Tage waren sie angereist und bevölkerten das Gelände rund um die futuristischen Museenbauten, die Grünflächen im einstigen Flussbett der Turia. In der Mitte der Papst-Altar. Weiß wie die Museen, auf einer Fläche von 2.500 Quadratmetern. 35 Meter hoch ragt ein weißer Kubus in den Nachthimmel Valencias, am oberen Ende leuchtet ein Kreuz.

Familien aus verschiedenen Ländern begrüßen den Papst in ihrer jeweiligen Landessprache. Münchner sind auch dabei. Dann das Grußwort von Kardinal Lopez Trujillo, Grüße aus Orthodoxie und evangelischer Kirche, die Bibellesungen und Glaubenszeugnisse verschiedener Familien. Das Programm ist wenig familienfreundlich. Viel Wort und viel klassische Musik. Höhepunkt: der Auftritt der Opernsängerin Montserrat Caballé.

Das begeisterte lokale Fernsehen spricht gegen 22 Uhr von mehr als einer Million Menschen, die offiziellen Zahlen liegen bei rund 500.000. Doch rund zwei Drittel von ihnen sehen gerade einmal das Leuchtkreuz auf der Altarinsel. In der ersten Reihe sitzen nur das spanische Kronprinzenpaar und die Kardinäle.

Dann die Ansprache des Papstes. Ein Schlussdokument des Familientreffens war zwar erwartet worden, blieb aber aus. Es wird nicht fehlen, denn die Worte Benedikt ersetzen es:

„Die Familie ist der bevorzugte Ort, an dem jede Person lernt, Liebe zu geben und zu empfangen. … Die Familie ist eine Institution, die den Einzelnen mit der Gesellschaft verbindet, nichts kann sie voll und ganz ersetzen. Sie gründet sich auf einer tiefen persönlichen Beziehung zwischen Mann und Frau…Die Familie ist ein notwendiges Gut für die Völker, ein unverzichtbares Fundament für die Gesellschaft und für die Brautleute ein Schatz, ihr ganzes Leben lang. Sie ist ein unverzichtbares Gut für die Kinder, die Frucht der Liebe, der vollkommenen und freien Hingabe der Eltern sein müssen. Es ist die große Verantwortung aller, die ganze Wahrheit über die Familie zu verkünden, die auf der Ehe gründet: die Familie als Hauskirche und Heiligtum des Lebens. … Neben der Weitergabe des Glaubens ist eine der Hauptaufgaben der Familien, freie und verantwortungsvolle Menschen heranzubilden. … Wenn die Familie sich nicht in sich selbst verschließt, lernen die Kinder, dass jede Person die Würde besitzt, Mensch zu sein, und dass es eine universale Gemeinschaft zwischen allen Menschen gibt. … Die Herausforderungen der zeitgenössischen Gesellschaft, vor allem in den Städten von Vereinzelung gekennzeichnet, brauchen die Garantie, dass die Familien nicht allein sind. … Die kirchliche Gemeinschaft muss Unterstützung bieten, Ansporn und geistliche Nahrung, um den familiären Zusammenhalt zu stärken, vor allem in Prüfungen oder kritischen Momenten. … Der Glaube und die christliche Ethik, wollen die Liebe nicht ersticken, sondern sie reinigen, stark und wirklich frei machen.

Feuerwerk und bengalische Lichter besiegeln die Worte Benedikts. Valencia ist berühmt für seine zündenden Lichtspiele, doch nur die Hälfte der Pilger konnte sie sehen. Gegen Mitternacht verlässt der Papst die Stadt der Künste und Wissenschaften. Viele Familien verbringen die Nacht im begrünten Flussbett. Schließlich kommt ihr Heiliger Vater am Morgen wieder."
(Birgit Pottler aus Valencia)

Hier ist die Ansprache des Papstes in unserer eigenen Übersetzung:

"Liebe Brüder & Schwestern,

ich freue mich sehr, an diesem Gebetstreffen teilzunehmen, in dem wir das göttliche Geschenk der Familie feiern wollen. Ich bin im Gebet allen nahe, die kürzlich von den traurigen Ereignissen in dieser Stadt eingeholt wurden, und ich bin ihnen in der Hoffnung auf den auferstandenen Christus nahe, Eine Hoffnung, die auch in Augenblicken größten menschlichen Leides Mut und Licht spendet.

Vereint im Glauben an Christus, haben wir uns hier aus vielen Teilen der Welt versammelt. Wir sind eine Gemeinde, die freudvolles Zeugnis davon ablegt, dass der Mensch im Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde um zu lieben, und dass er sich nur dann voll realisiert, wenn er sich selbst aufrichtig den anderen schenkt. Die Familie ist der privilegierte Ort, an dem jeder Mensch lernt, Liebe zu schenken und zu empfangen. Deshalb drückt die Kirche beständig ihre pastorale Sorge in diesem grundlegenden Bereich des Menschen aus. Und deshalb lehrt die Kirche: „Gott ist Liebe und hat den Menschen aus Liebe geschaffen, er hat ihn zur Liebe berufen. Indem er Mann und Frau schuf, berief er sie in der Ehe zu einer intimen Einheit des Lebens und der Liebe, sodass sie nicht mehr zwei, sondern nur noch ein Fleisch sind.

Dies ist eine Wahrheit, die die Kirche unermüdlich in die Welt trägt. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. Sagte, dass der Mensch nicht nur durch die eigene Menschlichkeit im Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde, sondern auch durch die Einheit der Personen, die der Mann und die Frau von Anfang an bilden. Der Mensch wird zum Abbild Gottes nicht so sehr im Augenblicken der Einsamkeit, als im Augenblick der Gemeinschaft. Und so habe ich die Einladung zum 5. Weltfamilientreffen bestätigt, in Spanien, in Valencia, das reich an Traditionen und stolz auf ihren Glauben ist, der in so vielen Familien gepflegt wird.

Die Familie ist eine vermittelnde Institution zwischen dem Individuum und der Gesellschaft, und nichts kann sie gänzlich ersetzen. Sie gründet sich vor allem auf eine tiefe zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau, die von der Zuneigung und gegenseitigem Verständnis getragen wird. Daher erhält sie die starke Hilfe Gottes im Sakrament der Ehe, das eine wahre Berufung zur Heiligkeit darstellt. Es ist wünschenswert, dass die Kinder mehr die Momente der Harmonie und der Zuneigung der Eltern erfahren als jene der Zwietracht und Gleichgültigkeit: so kann die Liebe zwischen Vater und Mutter den Kindern große Sicherheit schenken und sie die Schönheit der treuen und dauerhaften Liebe lehren.

Die Familie ist ein notwendiges Gut für die Völker, ein unerlässliches Fundament für die Gesellschaft und ein großer schatz für die Eheleute in ihrem ganzen Leben. Sie ist ein unersetzliches Gut für die Kinder, die Frucht der Liebe und der großzügigen Hingabe der Eltern sind. Die ganze Wahrheit der Familie zu verkünden, die sich auf der Ehe als Hauskirche und Heiligtum des Lebens gründet, ist eine große Verantwortung für alle.
Der Vater und die Mutter haben einander vor Gott ein totales „Ja“ versprochen, das die Basis des Sakraments darstellt, das sie vereint; damit die innere Beziehung der Familie vollständig ist, müssen sie auch ein „Ja“ der Akzeptanz zu ihren eigenen oder adoptierten Kindern sagen, die ihre eigene Persönlichkeit und ihren eigenen Charakter haben. So werden diese Kinder in einem Klima der Akzeptanz und der Liebe aufwachsen, und es ist wünschenswert, dass sie, wenn sie die nötige Reife dazu haben, ihrerseits ein „ja“ zu denen sagen, die ihnen das Leben geschenkt haben.

Die Herausforderungen der momentanen Gesellschaft, die von der Zerstreuung vor allem in den Städten geprägt ist, erfordern die Garantie dass die Familien nicht allein gelassen werden. Eine kleine Familie kann schwierige Hindernisse vorfinden, wenn sie sich isoliert vom Rest der Verwandten und Freunde fühlt. Deshalb steht die kirchliche Gemeinschaft in der Verantwortung, Unterstützung, Stimulierung und spirituelle Nahrung anzubieten, die den Familienzusammenhalt stärkt, besonders in den Prüfungen und in kritischen Momenten. In diesem Sinn ist die Rolle der Pfarrgemeinden sehr wichtig, so wie jene der verschiedenen kirchlichen Einrichtungen, die als hilfreiche Stützen dienen sollen, um die Familie im Glauben zu bestärken.

Christus hat den stetigen Quell des Lebens für alle gezeigt, und deshalb auch für die Familie: „Dies ist mein Gebot: liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Die Liebe Gottes hat sich in der Taufe über uns ergossen. Deshalb sind die Familien dazu berufen, diese Güte der Liebe zu leben, denn der Herr ermöglicht uns das durch die menschliche, gefühlvolle, barmherzige Liebe, so wie jene Jesu Christi.

Gleichzeitig mit der Weitergabe des Glaubens und der Liebe des Herrn ist eine der größten Aufgaben für die Familie DIE, freie und verantwortungsvolle Menschen heranzubilden. Deshalb sollen die Eltern ihren Kindern die Freiheit zurückgeben, deren Garant sie einige Zeit lang sind. Wenn die Kinder sehe, dass die Eltern, und überhaupt die erwachsenen, die sie umgeben – ihr Leben in Freude und Begeisterung leben, auch in Zeiten von Schwierigkeiten, wird auch ihn ihnen die tiefe Lebensfreude wachsen, die ihnen helfen wird, mögliche Hindernisse und Widrigkeiten zu überwinden, die das Leben mit sich bringt. Wenn die Familie sich nicht in sich selbst verschließt, begreifen die Kinder, dass jede Person es wert ist, geliebt zu werden, und dass es eine grundlegende universelle Geschwisterlichkeit zwischen allen Menschen gibt.

Dieses 5. Weltfamilientreffen lädt uns dazu ein, über ein besonders wichtiges Thema nachzudenken, das uns große Verantwortung abverlangt. Die Weitergabe des Glaubens in der Familie. Der Katechismus der katholischen Kirche bringt das schön zum Ausdruck. So wie eine Mutter ihre Kinder sprechen lehrt, sie lehrt die Mutter Kirche uns die Sprache des Glaubens, um uns in die Intelligenz des Glaubens und ins Glaubensleben einzuführen.“
Wie es die Taufliturgie mit der Aushändigung der brennenden Kerze ausdrückt, sind die Eltern Gefährten des Geheimnisses des neuen Lebens als Kinder Gottes, das man durch das Taufwasser wird.

Den Kindern den Glauben weiterzugeben, mit der Hilfe anderer Menschen und Institutionen wie die Pfarrgemeinde, die Schule oder katholische Vereinigungen, ist eine Verantwortung, die die Eltern weder vergessen, noch vernachlässigen oder völlig delegieren dürfen. „Die christliche Familie wird Hauskirche genannt, weil sie die gemeinschaftliche Natur der Kirche als Familie Gottes zum Ausdruck bringt. Jedes Mitglied übt, je nach seiner Rolle, das Taufpriestertum aus und trägt zu dazu bei, aus der Familie eine Gemeinschaft der Gnade und des Gebets zu machen, eine Schule menschlicher und christlicher Tugenden, der Ort der Erstverkündigung des Glaubens an die Kinder. Und weiter: die Eltern, Teilhaber an der göttlichen Vaterschaft, sind für die Kinder die ersten Verantwortlichen für die Erziehung und die ersten Verkünder des Glaubens. Sie haben die Pflicht, die Kinder als Menschen und als Kinder Gottes zu lieben und zu respektieren. Besonders haben sie die Sendung, sie zum christlichen Glauben zu erziehen.

Die Sprache des Glaubens erlernt man zu Hause, wo der glaube wächst und sich durch Gebet und christliche Praxis stärkt. In der Lesung aus dem Buch Deuteronomium haben wir das wiederholte Gebet für das auserwählte Volk gehört, das auch Jesus in seinem haus in Nazaret hörte und wiederholte. Er selbst hat sich in seinem öffentlichen Leben daran erinnert, wie uns das Evangelium nach Markus sagte. Dies ist der Glaube der Kirche, der von der Liebe Gottes herrührt, und der durch eure Familien geht. Die Fülle dieses Glaubens in seiner wunderbaren Neuheit zu leben, ist ein großes Geschenk. Doch in Momenten, in denen sich das Antlitz Gottes scheinbar versteckt, ist es schwer zu glauben, und es kostet Mühe.

Dieses Treffen gibt neue Kraft, um in der Verkündigung des Evangeliums in der Familie voranzuschreiten, deren Gültigkeit zu bestätigen, die auf der Ehe gründet – und diese ist wiederum offen für das großzügige Geschenk des Lebens, ein Ort, an dem Söhne und Töchter in ihrem körperlichen und seelischen Wachsen gestärkt werden. Auf diese Art wird ein weit verbreiteter Hedonismus abgelehnt, der die menschlichen Beziehungen banalisiert und sie ihres Wertes und ihrer Schönheit entleert. Die Werte der Ehe zu fördern, hindert keineswegs die volle Freude, die Mann und Frau in ihrer gegenseitigen Liebe finden. Glaube und christliche Ethik wollen also nicht die Liebe ersticken, sondern sie gesünder, stärker und wahrhaft frei machen. Deshalb muss die menschliche Liebe gereinigt werden, sie muss reifen, um wahrhaft menschlich und zum Prinzip einer echten und dauerhaften Freude zu werden.

Ich lade also die Erzieher und die Gesetzgeber dazu ein, über das augenfällige Gut nachzudenken, das der häusliche Herd in Frieden und Harmonie dem Menschen und der Familie sichert. Die Familie ist das Nervenzentrum der Gesellschaft. Der Gegenstand von Gesetzen ist das umfassende Wohl des Menschen, die antwort auf seine Bedürfnisse und Wünsche. Dieses Wohl ist eine bemerkenswerte Hilfe der Gesellschaft, von der sie sich nicht trennen kann, und für die Völker ist es Rettung und Reinigung. Überdies ist die Familie eine Schule der Menschlichkeit, damit sie wächst, um wahrhaft Mensch zu werden. In diesem Sinn, bringt die Erfahrung, von den Eltern geliebt zu sein, die Söhne und Töchter dazu, ein Bewusstsein über ihre Würde als Kinder zu entwickeln.

Die empfangene Kreatur muss im Glauben erzogen weden, sie muss geliebt und beschützt werden. Die Kinder haben – neben dem Recht, geboren und im Glauben erzogen zu werden, auch das Recht auf eine Heimstatt, die das Haus von Nazareth zum Vorbild hat, und sie haben das Recht darauf, vor Bedriohungen beschätzt zu werden.

Ich möchte mich jetzt gerne den Großeltern zuwenden, die so wichtig für die Familie sind. Sie können – und oft sind sie es tatsächlich – Garanten der Zuneigung und der Zärtlichkeit sein, das jeder Mensch braucht. Sie bieten den Enkeln die Perspektive der Zeit, sind Gedächtnis und Reichtum der Familie. Aus keinem Grund heraus dürfen sie von der Familie ausgeschlossen werden. Die Großeltern sind ein Schatz, den wir den heranwachsenden Generationen nicht vorenthalten dürfen, besonders wenn sie im Nahen des Todes ihr Zeugnis des Glaubens ablegen.

Ich möchte nun einen Teil des eben gehörten Gebets wiederholen, und dem Weltfamilientreffen viel Erfolg wünschen.

Oh Herr, der du uns in der Heiligen Familie
Ein perfektes Modell des Familienlebens vorgestellt hast,
das im Glauben und im Gehorsam deinem Willen gegenüber gelebt wurde.
Hilf uns, Beispiele des Glaubens und der Liebe zu deinen Geboten zu sein.
Hilf uns in unserem Auftrag, unseren Söhnen und Töchtern den Glauben weiterzugeben.
Öffne ihre Herzen, damit ihn ihnen der Samen des Glaubens wachse, den sie in der Taufe empfangen haben.
Stärke den Glaubens unserer Jugendlichen,
damit sie, Jesus kennend, aufwachsen.
Bestärke die Liebe und die Treue in allen Ehen,
besonders jenen, die Momente des Leidens und der Schwierigkeiten durchleben.
Vereint mit Josef und Maria,
bitten wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern Herrn. Amen."

(rv 08.07.06 gs)








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