Regierungschef Mari
Alkatiri ist zurückgetreten; damit scheint jetzt ein Ausweg aus Ost-Timors schwerer
politischer Krise in greifbarer Nähe. Tausende von Menschen feiern zur Stunde in den
Straßen der Hauptstadt Dili. In Osttimor tobte in den letzten Wochen ein Machtkampf
mit gewalttätigen Unruhen. Mari Alkatiri wird dafür verantwortlich gemacht. Angesichts
der das Land seit Wochen lähmenden politischen Krise sei er "zum Rücktritt bereit",
erklärte Alkatiri jetzt. Der Machtkampf an der Staatsspitze hatte sich am Sonntag
noch einmal verschärft. Friedensnobelpreisträger Jose Ramos-Horta war aus Protest
gegen Alkatiri vom Amt des Außen- und Verteidigungsministers zurückgetreten. Dem Regierungschef
wird vorgeworfen, durch die im April angeordnete Entlassung mehrerer hundert Soldaten
schwere Unruhen auf dem südostasiatischen Staat ausgelöst zu haben. Pater Juan
Piedad ist Ost-Timorese und lehrt derzeit an der Päpstlichen Gregoriana-Universität
von Rom. Er sagte uns: "Die Lage hat sich in letzter Zeit sehr schnell verschlechtert,
weil mehrere Gründe dahinterstecken. Natürlich wurde die Gewalt zunächst mal von den
Animositäten innerhalb der Staatsspitze ausgelöst und von den Entlassungen aus der
Armee. Aber noch wichtiger ist die zugrundeliegende soziale Krise. Gleich nach der
Unabhängigkeit gab es im Volk viele Hoffnungen auf Wohlstand und bessere Lebensbedingungen;
die sind bitter enttäuscht worden. Daher gibt es viel Groll gegen die regierende Klasse.
Zwar wurde die Regierung von ausländischen Organisationen, z.B. der Weltbank, sehr
geschätzt; aber all diese formidablen wirtschaftlichen Erfolge sind bei den normalen
Leuten gar nicht angekommen." (rv 26.06.sis)