2006-06-23 18:06:16

Internationaler Strafgerichtshof: "Darfur-Ermittlungen kommen voran"


RealAudioMP3 Luis Moreno Ocampo ist der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs von Den Haag. Da die USA diesem Gerichtshof sehr skeptisch gegenüberstehen, wird viel davon abhängen, wie das neue Tribunal seine ersten Prozesse angeht. Derzeit ermittelt Moreno Ocampo zu den Menschenrechtsverletzungen im Sudan, genauer: in der Massaker-Region Darfur.
"Nach einem Jahr der Untersuchungen bereite ich jetzt für die Richter am Strafgerichtshof einen Bericht darüber vor, auf welchem Stand wir sind, und ich bitte außerdem die internationale Gemeinschaft um mehr Kooperation. Das internationale System ruht ja auf diesem Prinzip der Zusammenarbeit, und wir brauchen noch mehr Zuarbeit vom Sudan selbst, dann von der Afrikanischen Union und auch von der UNO. Ich kann Ihnen leider nichts über den genauen Stand der Ermittlungen sagen oder über die Beweise, die wir gefunden haben; dieses Material kann ich erstmal nur den Richtern vorlegen."
* In welchem Bereich genau brauchen Sie denn noch die Kooperation von außen?
"Wir brauchen sie, um die Zeugen zu schützen. Wir können - um nur mal ein Beispiel zu nennen - im Moment noch mit keinen Zeugen in Darfur sprechen, weil wir ihn anschließend nicht schützen können. Das ist ein wirkliches Problem, das wir lösen müssen. Derweil arbeiten wir aber mit dem Sudan zusammen, und der gibt uns auch alles, um was wir bitten. Er erlaubte uns zum Beispiel, einzelne Richter zu befragen, die ebenfalls Untersuchungen durchführen; das ist für uns wichtig, weil der Internationale Strafgerichtshof das Prinzip hat, keine Straftaten zu verfolgen, die nicht auch von der nationalen Justiz behandelt werden können. Es war uns also sehr wichtig, die konkreten Fälle zu vergleichen, damit wir uns da nicht überschneiden.
Außerdem erhielten wir vom sudanesischen Verteidigungsministerium auf unsere Anfrage hin einen genauen Bericht über die Militäroperationen, die die nationale Armee durchgeführt hat. Und dann waren wir vor kurzem in Khartum, wo wir einige weitere Personen interviewen konnten, was wichtig für unseren Bericht ist. Und wir haben außerdem beantragt, einige hohe Offiziere zu befragen, die genaue Einsicht in alles haben, was vorgeht. Wir haben die Zusage bekommen, dass wir diese Befragungen bis zum August durchführen können. Wir hoffen, dass wir das dann machen können."
* Sie haben erwähnt, dass Menschenrechtsverletzungen nicht unbedingt vom Internationalen Strafgerichtshof behandelt werden, wenn sie auf der Ebene der nationalen Justiz schon verfolgt werden. Und es ist ja bekannt, dass der Sudan dagegen ist, Personen an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, dessen Chef-Ankläger Sie sind. Wie paßt das denn zusammen?
"Nein - das System, das auf einer internationalen Konferenz in Rom festgelegt wurde, besteht darin, dass der jeweilige Staat die Verantwortung hat, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Wenn er sie aber nicht vor Gericht bringt, dann schreitet der Internationale Strafgerichtshof ein. Wir haben also geprüft, welche Fälle sie in Sachen Darfur verfolgen; wir haben festgestellt, dass es nicht die unseren sind; und darum fahren wir mit unseren Ermittlungen fort. Wir werden auch künftig genau beobachten, welche Fälle sie behandeln, und wenn sie unsere Fälle nicht in Angriff nehmen, dann bringen wir diese Fälle vor unsere Richter."
* Sie haben zwar gesagt, dass Sie nichts über Details Ihrer bisherigen Ermittlungen zu Darfur sagen wollen, aber geben Sie uns doch bitte mal in den Grundzügen eine Vorstellung davon, was genau Sie im Moment tun!
"Wir sammeln verschiedene Arten von Beweismaterial, vor allem reden wir mit Augenzeugen. Das Problem ist, dass wir nicht nach Darfur selbst können, weil es da keine Möglichkeit zum Zeugenschutz gibt... also machen wir das in anderen Ländern. Aber das ist übrigens einer der großen Vorteile des Internationalen Strafgerichtshofs: Wir können uns mit Leichtigkeit in allen Teilen der Welt bewegen. Um nur mal ein Beispiel zu nennen: Allein in den letzten sechs Monaten habe ich 14 Ermittlergruppen in 13 verschiedene Länder geschickt, um mögliche Zeugen zu interviewen. Darüber hinaus bekommen wir Beweismaterial aller Art, zum Beispiel Satellitenfotos. Und daraus versuchen wir uns ein Bild davon zu machen, welche Menschenrechtsverbrechen verübt wurden... Dabei haben wir bisher festgestellt: Es sind verschiedene Verbrechen zu verschiedenen Zeiten und verübt von unterschiedlichen Gruppen."
* Wie schwer oder leicht fällt Ihnen Ihre Arbeit?
"Sie ist kompliziert, denn unsere Aufgabe ist es ja, zu Verbrechen zu ermitteln, über die man eigentlich nicht unter normalen Umständen ermitteln kann. Wir müssen unsere Untersuchungen mitten in fortdauernden Konflikten durchführen. Aber wir haben das geschafft - zunächst in Uganda, wo der Konflikt ja immer noch weitergeht. Da haben wir in neun Monaten zu über 2.200 Tötungen Material zusammengetragen. Und im Kongo hat das noch länger gedauert, weil die Lage dort noch unstabiler und unsicherer ist; das brauchte schließlich 18 Monate bis zur Anklage-Erhebung; aber immerhin ist aus dem Kongo jetzt schon ein Angeklagter nach Den Haag überstellt worden, und das Verfahren kann schon im September beginnen. Wir haben also schon gezeigt, dass wir wissen, wie man`s macht. Darfur ist allerdings noch komplizierter: mehr Verbrechen, mehr Gruppen, die Verbrechen begehen - aber wir werden das schaffen. Wir werden im Fall Darfur Gerechtigkeit herstellen. Wie lange das dauert, hängt von der Kooperation ab. Wer es schließlich tun wird - ob die Sudanesen oder wir, oder beide zusammen -, das wird man sehen. Aber es wird Gerechtigkeit geben für Darfur."

In unserem Audio-Angebot hören Sie das Interview in englischer Originalsprache. Quelle: UN-Radio, New York.







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