Internationaler Strafgerichtshof: "Darfur-Ermittlungen kommen voran"
Luis Moreno Ocampo
ist der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs von Den Haag. Da die USA
diesem Gerichtshof sehr skeptisch gegenüberstehen, wird viel davon abhängen, wie das
neue Tribunal seine ersten Prozesse angeht. Derzeit ermittelt Moreno Ocampo zu den
Menschenrechtsverletzungen im Sudan, genauer: in der Massaker-Region Darfur. "Nach
einem Jahr der Untersuchungen bereite ich jetzt für die Richter am Strafgerichtshof
einen Bericht darüber vor, auf welchem Stand wir sind, und ich bitte außerdem die
internationale Gemeinschaft um mehr Kooperation. Das internationale System ruht ja
auf diesem Prinzip der Zusammenarbeit, und wir brauchen noch mehr Zuarbeit vom Sudan
selbst, dann von der Afrikanischen Union und auch von der UNO. Ich kann Ihnen leider
nichts über den genauen Stand der Ermittlungen sagen oder über die Beweise, die wir
gefunden haben; dieses Material kann ich erstmal nur den Richtern vorlegen." *
In welchem Bereich genau brauchen Sie denn noch die Kooperation von außen? "Wir
brauchen sie, um die Zeugen zu schützen. Wir können - um nur mal ein Beispiel zu nennen
- im Moment noch mit keinen Zeugen in Darfur sprechen, weil wir ihn anschließend nicht
schützen können. Das ist ein wirkliches Problem, das wir lösen müssen. Derweil arbeiten
wir aber mit dem Sudan zusammen, und der gibt uns auch alles, um was wir bitten. Er
erlaubte uns zum Beispiel, einzelne Richter zu befragen, die ebenfalls Untersuchungen
durchführen; das ist für uns wichtig, weil der Internationale Strafgerichtshof das
Prinzip hat, keine Straftaten zu verfolgen, die nicht auch von der nationalen Justiz
behandelt werden können. Es war uns also sehr wichtig, die konkreten Fälle zu vergleichen,
damit wir uns da nicht überschneiden. Außerdem erhielten wir vom sudanesischen
Verteidigungsministerium auf unsere Anfrage hin einen genauen Bericht über die Militäroperationen,
die die nationale Armee durchgeführt hat. Und dann waren wir vor kurzem in Khartum,
wo wir einige weitere Personen interviewen konnten, was wichtig für unseren Bericht
ist. Und wir haben außerdem beantragt, einige hohe Offiziere zu befragen, die genaue
Einsicht in alles haben, was vorgeht. Wir haben die Zusage bekommen, dass wir diese
Befragungen bis zum August durchführen können. Wir hoffen, dass wir das dann machen
können." * Sie haben erwähnt, dass Menschenrechtsverletzungen nicht unbedingt vom
Internationalen Strafgerichtshof behandelt werden, wenn sie auf der Ebene der nationalen
Justiz schon verfolgt werden. Und es ist ja bekannt, dass der Sudan dagegen ist, Personen
an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, dessen Chef-Ankläger Sie sind.
Wie paßt das denn zusammen? "Nein - das System, das auf einer internationalen Konferenz
in Rom festgelegt wurde, besteht darin, dass der jeweilige Staat die Verantwortung
hat, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Wenn er sie aber nicht vor Gericht
bringt, dann schreitet der Internationale Strafgerichtshof ein. Wir haben also geprüft,
welche Fälle sie in Sachen Darfur verfolgen; wir haben festgestellt, dass es nicht
die unseren sind; und darum fahren wir mit unseren Ermittlungen fort. Wir werden auch
künftig genau beobachten, welche Fälle sie behandeln, und wenn sie unsere Fälle nicht
in Angriff nehmen, dann bringen wir diese Fälle vor unsere Richter." * Sie haben
zwar gesagt, dass Sie nichts über Details Ihrer bisherigen Ermittlungen zu Darfur
sagen wollen, aber geben Sie uns doch bitte mal in den Grundzügen eine Vorstellung
davon, was genau Sie im Moment tun! "Wir sammeln verschiedene Arten von Beweismaterial,
vor allem reden wir mit Augenzeugen. Das Problem ist, dass wir nicht nach Darfur selbst
können, weil es da keine Möglichkeit zum Zeugenschutz gibt... also machen wir das
in anderen Ländern. Aber das ist übrigens einer der großen Vorteile des Internationalen
Strafgerichtshofs: Wir können uns mit Leichtigkeit in allen Teilen der Welt bewegen.
Um nur mal ein Beispiel zu nennen: Allein in den letzten sechs Monaten habe ich 14
Ermittlergruppen in 13 verschiedene Länder geschickt, um mögliche Zeugen zu interviewen.
Darüber hinaus bekommen wir Beweismaterial aller Art, zum Beispiel Satellitenfotos.
Und daraus versuchen wir uns ein Bild davon zu machen, welche Menschenrechtsverbrechen
verübt wurden... Dabei haben wir bisher festgestellt: Es sind verschiedene Verbrechen
zu verschiedenen Zeiten und verübt von unterschiedlichen Gruppen." * Wie schwer
oder leicht fällt Ihnen Ihre Arbeit? "Sie ist kompliziert, denn unsere Aufgabe
ist es ja, zu Verbrechen zu ermitteln, über die man eigentlich nicht unter normalen
Umständen ermitteln kann. Wir müssen unsere Untersuchungen mitten in fortdauernden
Konflikten durchführen. Aber wir haben das geschafft - zunächst in Uganda, wo der
Konflikt ja immer noch weitergeht. Da haben wir in neun Monaten zu über 2.200 Tötungen
Material zusammengetragen. Und im Kongo hat das noch länger gedauert, weil die Lage
dort noch unstabiler und unsicherer ist; das brauchte schließlich 18 Monate bis zur
Anklage-Erhebung; aber immerhin ist aus dem Kongo jetzt schon ein Angeklagter nach
Den Haag überstellt worden, und das Verfahren kann schon im September beginnen. Wir
haben also schon gezeigt, dass wir wissen, wie man`s macht. Darfur ist allerdings
noch komplizierter: mehr Verbrechen, mehr Gruppen, die Verbrechen begehen - aber wir
werden das schaffen. Wir werden im Fall Darfur Gerechtigkeit herstellen. Wie lange
das dauert, hängt von der Kooperation ab. Wer es schließlich tun wird - ob die Sudanesen
oder wir, oder beide zusammen -, das wird man sehen. Aber es wird Gerechtigkeit geben
für Darfur."
In unserem Audio-Angebot hören Sie das Interview in englischer
Originalsprache. Quelle: UN-Radio, New York.