2006-06-21 14:17:08

Somalia: Islamisches Rumoren am Horn von Afrika


Die "Union Islamischer Gerichtshöfe" hat in den vergangen Wochen ihre Macht bedeutend ausgebaut. Seit Februar liefert sie sich Kämpfe mit der von den USA unterstützen "Anti-Terror-Allianz", Anfang Juni nahm sie die Hauptstadt Mogadischu, jetzt folgten die Hauptverkehrsstraße entlang der Grenze zu Äthiopien und die Stadt Jowhar, Hochburg der "Anti-Terror-Allianz". Washington befürchtet nun ein "zweites Afghanistan" und Unterschlupfmöglichkeiten für Al-Kaida-Extremisten.
Doch die Menschen im bürgerkriegsgeplagten Somalia haben ganz andere Sorgen, sagt Manuel Moncada, für die Ärzte ohne Grenzen seit einigen Monaten vor Ort. Denn beispielsweise in der Hauptstadt Mogadischu gibt es nur zwei Krankenhäuser - für etwa 1,2 Millionen Einwohner:
"Die Bevölkerung will Zugang zu ärztlicher Versorgung haben, braucht Trinkwasser und ein funktionierendes Bildungssystem. Sie will einfach wieder in Frieden leben. Das konnte sie - außer in ganz kurzen episodenhaften Abschnitten - seit Jahren nicht mehr."
Dass die "Union islamischer Gerichte" nun in einigen Städten die Regierung übernommen hat, muss noch gar nichts heißen, sagt Moncada. Zumindest "ist es schwer zu sagen. Ein Urteil, ob das nun gut oder schlecht ist, steht uns nicht zu. Nach menschlichem Ermessen bedeutet es erst einmal, dass nach Jahren der Gewalt und absoluter Anarchie die Ordnung wieder herstellen. Auch wenn das nur für ein begrenztes Gebiet gilt, ein bisschen Ruhe bringt viele Menschen auf ihre Seite. Aber das bedeutet weder etwas gutes noch etwas schlechtes. Ich möchte aber nicht, dass die öffentliche Meinung den Islam oder die "Islamischen Gerichtshöfe" als 'abgedriftete' Autorität betrachtet. Noch weiß man das nicht."
In Somalia herrscht seit 1991 Bürgerkrieg. Damals stürzten Clanchefs den Diktator Siad Barre. Seitdem gibt es in dem Land weder eine funktionierende Zentralregierung noch eine Polizei oder Armee, die im Anti-Terror-Kampf aktiv werden könnten. Eine vor anderthalb Jahren mit Hilfe der Vereinten Nationen installierte Übergangsregierung unter Abdullahi Yusuf besitzt keine Autorität.

Nur scheinbar Kurioses sei noch angemerkt: Kaum hatte die "Union der islamischen Gerichtshöfe" das Ruder in Mogadischu übernommen, verbot sie den Einwohnern, die Fußballweltmeisterschaft am Fernsehen oder in Kinos zu verfolgen. Das ließen sich die somalischen Fans nicht bieten. Es kam zu gewaltsamen Protesten, zwei Menschen kamen ums Leben. Inzwischen feuern die Menschen in Mogadischu ihre afrikanischen Lieblinge wieder an. In den Vierteln, in denen gemäßigtere Muslime den Scharia-Gerichten vorstehen, wurde das Verbot wieder aufgehoben.
(rv/dw/agenturen 21.06.06 bp)







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