2006-06-13 11:31:31

Christ sein im Iran


RealAudioMP3 Der iranische Präsident Ahmedinejad sorgt für Schlagzeilen: Er macht keine Kompromisse im Rahmen der Atompolitik, er leugnet den Holocaust und spricht über die Auslöschung Israels. Jetzt haben internationale Menschenrechtsorganisationen Alarm geschlagen: Die Lage der religiösen Minderheiten im Iran habe sich unter der Regierung Ahmedinejads merklich verschlechtert. Was heißt eigentlich „Christ sein“ im Iran? Silke Schmitt hat unter anderem mit dem evangelischen Pfarrer Winfried Kahla gesprochen, der lange Zeit im Iran tätig war:
 
„Der neue Präsident hat im letzten Jahr und anfang des Jahres vor Generalgouverneuren und anderen gesagt, ich sehe eine weiße Taube über dem Iran, aber ich möchte Iran reinigen von Christen und Juden. Das zeigt ja nun an, wessen Geisteskind er ist"

 
Die christliche Minderheit im Iran – das sind weniger als 0,3 Prozent. 99 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Dass der Präsident öffentlich gegen religiöse Minderheiten polemisiert, verstößt gegen die Verfassung, denn: Religiöse Minderheiten werden offiziell vom iranischen Staat anerkannt. Pastor Kahla weist darauf hin, dass unbedingt zwischen den „neuen“ also den zum Christentum konvertierten Gläubigen und den „alten“ oder „geborenen“ Christen unterschieden werden müsste. Die Situation der „alten“ Christen beschreibt Pastor Kahla wie folgt:

„Sie haben eine bestimmte Bedrückung hinzunehmen. Das heißt ein armenischer Christ oder ein katholischer Christ der seit Generationen christlich ist, also zu einer christlichen Familie gehört, dem wird ohne Weiteres nichts passieren. Er darf zu seinen Gottesdiensten gehen – das einzige ist, wenn er mit Lebensmitteln zu hat, dann muss an seinem Geschäft ein kleines Schildchen angebracht werden auf dem steht: Hier werden sie von Christen bedient. Und er kann in keinerlei staatlichen Dienst eintreten. Schon als Putzfrau wäre es nicht möglich Christ zu sein“…
 
„Christ zu sein“ ist also weniger ein Problem. Auf einem Schild in Schiras musste der Pastor lesen:

„Christ werden heißt sterben. Das stellt man ja nicht nur so pro forma auf, sondern da steht ja eine Warnung hinter“

Konversionen werden in der muslimischen Öffentlichkeit als Ausdruck einer regimekritischen Haltung verstanden. Insbesondere die Apostaten, also zum Christentum konvertierte Muslime, hätten deshalb im Iran zu leiden: Als Muslim Christ zu werden, so der Pastor,

„Darauf steht nach der Scharia die Todesstrafe bei Männern - auf jeden Fall harte Bestrafungen. Das iranische Strafgesetz sieht keinerlei Strafe für einen Apostaten vor – da kommt dieses Wort Apostat überhaupt nicht drin vor. Aber man geht dann rüber und sagt: ein Apostat begeht Hochverrat und kann ihn deswegen, wegen Hochverrats anzeigen. Es sind so Spitzfindigkeiten, hinter die muss man erst einmal kommen. Sonst sieht alles ganz normal aus, aber im Untergrund wühlt es doch.“

Dass mit dieser Härte gegen Christen vorgegangen wird, hat letztlich damit zu tun, so Pastor Kahla, dass viele Iraner dem Islam den Rücken kehren und Christen werden wollen. Warum entscheidet sich ein Muslim im Iran, Christ zu werden? Dazu sagte Pastor Kahla:
 
„dass man einfach los will, vom Islam. Dass man sagt mit diesem Islam, wie ich ihn in meinem Heimatland hier kennen lerne kann ich nichts mehr anfangen. Der ist mir zu brutal, zu blutrünstig, wir werden belogen – auch von unseren Mullahs belogen. Das kann ich nicht mehr ertragen. Dieser Islam ist keine Religion. Er ist mehr Politik. Das ist das eine, aber das ist kein Grund zum Taufen. Aus Opposition zu irgendjemanden jemanden zu taufen – das geht nicht. Das zweite ist, dass ein ganz großes religiöses Verlangen da ist, nur man kann seine Religiosität nicht mehr im Islam festmachen und sucht nun nach etwas anderem. Dann kommt es, dass Iraner sehr häufig mit Träumen argumentieren. Sie haben besondere Botschaften, sie sehen in Träumen Jesus Christus der ihnen winkt, der sie anspricht. Das sind so Dinge, die für uns zwischen Himmel und Erde sind – ein Norddeutscher kann vielleicht schlecht damit umgehen, aber diese Dinge sind einfach da und die muss man ernst nehmen. Und nun, wenn sie solche Erlebnisse hatten, beginnt das Suchen. Das sie sagen, kann ich bitte ein Evangelium haben, ich möchte mich überzeugen was im Evangelium drin steht. Und das treibt sie dann ganz bewusst, Christ zu werden. Ja, sie fangen schon an zu glauben bevor sie irgendeinen Christen gefunden haben, der sie in eine Kirche weisen kann. Werden dafür oft schon im Voraus verprügelt, haben sogar vom Gericht manchmal Peitschenhiebe bekommen weil sie nun einmal die Bibel gelesen habe oder so was“


Seit dem Amtsantritt Ahmedinejads hat sich der Druck auf die „neuen“ Christen im Iran zunehmend verstärkt. Dennoch – so der Präsident der internationalen Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, darf nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass die iranische Gesellschaft differenzierter betrachtet werden müsste:

„Große Teile der Bevölkerung – man nimmt an bis zu 70, 80, 90% der Menschen unter 35 Jahren – eigentlich gegen das Regime sind uns der stark westlich orientiert sind. Also das, was hier gegen diese anderen Religionsgemeinschaften ausgeht, das geht nicht von diesen großen Teilen der Bevölkerung aus, die oppositionell sind. Sondern das geht von der Minderheit aus“
(rv 12.06.06 sis)








All the contents on this site are copyrighted ©.