2006-06-12 08:25:14

Deutschland: Exkommunikation wegen Kirchensteuer?


RealAudioMP3 In Deutschland bleibt es dabei: Wer beim Standesamt seinen Kirchenaustritt erklärt, wird von der Kirche exkommuniziert. Das ist die Quintessenz einer Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zu Spekulationen, die das deutsche Kirchensteuersystem durch eine Vatikanische Note in Frage gestellt sahen. Der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte hatte in einem Schreiben an Bischof William Skylstad, den Vorsitzenden der amerikanischen Bischofskonferenz, erklärt, dass eine Austrittserklärung von Katholiken allein vor einer staatlichen Behörde kirchenrechtlich nicht wirksam sei. Anlass des Briefs waren allerdings eherechtliche Fragen und nicht das deutsche Kirchensteuersystem. Prof. Markus Graulich ist Kirchenrechtler an der Salesianer-Universität in Rom. Die deutschen Bischöfe wollen, so Graulich mit ihrer Erklärung klarstellen, dass die deutsche Praxis den Anforderungen des weltweit geltenden Kichenrechts genügt.
 
Was der Rat für die Gesetzestexte fordert für einen Kirchenaustritt, also für diesen Abfall von der Kirche „actus formalis defectionis ab ecclesia catholica“ wie sich das offiziell nennt, sind eigentlich drei Dinge: Die innere Entscheidung desjenigen der austreten will, das äußere Bekenntnis der Entscheidung und die Entgegennahme dieser Entscheidung durch die kirchliche Autorität. Es ist da nicht geschrieben, dass es direkt entgegen genommen werden muss. Und die deutschen Bischöfe haben nun aufgrund der Gewohnheit, die in Deutschland seit vielen vielen Jahren besteht, dass es die Möglichkeit des Austrittes aus der Kirche vor der staatlichen Behörde gibt gesagt, für uns sind diese drei Elemente gegeben. Man kann nicht vor dem Staat seinen Austritt aus der Kirche erklären, ohne dass das auch in der Kirche Folge hat, rein auf der rechtlichen Ebene.

Wirksam werde der Austritt durch die Zuleitung der Erklärung an die kirchliche Autorität. Das werde durch die Eintragung im Taufbuch dokumentiert, so die Bischöfe weiter in ihrer Erklärung. Der Austritt wegen der Kirchensteuer stelle als Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Communio dar und mindere die Rechtsfolgen nicht. In Deutschland waren Forderungen laut geworden, das deutsche Kirchensteuersystem zu reformieren. Dazu Prof. Graulich:


Man kann natürlich alle Aufgaben anders verteilen, das haben die österreichischen Bischöfe zum Beispiel getan. Die haben auch das Recht, den Kirchenbeitrag zu erheben und tun das selber. In Deutschland hat die Kirche irgendwann die Entscheidung getroffen, das nicht selber zu tun, übrigens beide Kirchen, nicht nur die katholische, und hat diese Aufgabe dem Staat zurückgegeben, bezahlt dafür natürlich auch eine Gebühr, dann muss sie das auch ernst nehmen, Die einzige Alternative dazu wäre eine Art doppelter Kirchenaustritt, das man entweder mit einem zweiten Schreiben, das man dann am Standesamt unterschreibt. So ist es eine relativ einfache Lösung, das man sagt, „Ok ich trete aus und der Staat meldet das weiter“. Das muss demjenigen natürlich bewusst sein. Damit ist die rechtliche Sphäre zu Ende und es beginnt die pastorale Sphäre, dass dann der Pfarrer, der die Nachricht erhält zu dem einzelnen Gläubigen geht und sagt, das wird so und so gewertet, hast Du das alles gewollt?

 
Dr. Robert Nandkisore ist Pfarrer der Gemeinde St. Antonius in Frankfurt am Main. Jedes Jahr erreichen ihn etwa 20 bis 25 Mitteilungen über Kirchenaustritte von Mitgliedern seiner Gemeinde. Er schreibt jeden Ausgetretenen persönlich an. Warum? „Um ihnen einmal zu zeigen, diese Abmeldung ist angekommen bei uns, dass ich als der zuständige Pfarrer darauf reagiere und ich tu das, indem ich ihnen erst einmal im Advent zu dieser Adventszeit alles Gute wünsche und zu allererst danke, dass sie Kirchenmitglied gewesen sind und dass ihr Platz frei bleibt und versuche in einem Satz deutlich zu machen, dass der Platz in der Kirche durch die Taufe erworben nicht einfach verloren geht durch den Austritt, der bleibt bestehen.“


Nach den Erfahrungen von Pfarrer Nandkisore ist der Kirchenaustritt bei manchen eine Folge einer zunehmenden Entfremdung von der Kirche, für andere ist der Austritt eine einfache Möglichkeit, Geld zu sparen. Das würde die Gemeindearbeit aber in Bedrängnis bringen. Pfarrer Nandkisore:„Ich habe immerhin noch den Luxus, immerhin zwei Kindergärten zu unterhalten. Für diese Kindergärten brauchen wir eine gewisse Finanzsicherheit und das kann ich nicht, indem ich sage, für dieses Jahr reicht es voraussichtlich auch für das nächste. Wenn ich solche große Unternehmen habe, brauche ich eine Planungssicherheit für die nächsten 5 bis 10 Jahre einfach auch den Angestellten zu liebe. Das wäre dann eher kritisch, wenn ich nicht wüsste, machen die Leute ihr Kreuzchen oder haben sie sich über den Papst oder den Bischof oder den Pfarrer geärgert und sagen sich, dieses Jahr bestrafen wir ihn oder so. Ich sehe zumindest dort eine Gefahr.“

Pfarrer Nandkisore sucht in jedem Fall das Gespräch mit den Ausgetretenen. Denn die entscheidenden Fragen lassen sich nicht mit dem Kirchenrecht regeln: „Ich ende mein Schreiben mit dem Wunsch, ich würde gerne wissen, welche Gründe sie zu dieser Entscheidung bewogen hat. Ich würde gerne prüfen, ob sich die Gründe für ihre eventuelle Enttäuschung beseitigen lassen. Die Kirche glaubt nicht, dass sie ohne Fehler ist aber, um diese festzustellen braucht sie den Dialog mit den Menschen“
 







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