In der Ferne läuten
Glocken, sonst herrscht Stille, als der Papst durch das Tor des Stammlagers Auschwitz
mit der absurden Aufschrift "Arbeit macht frei" geht. Benedikt hält die Hände gefaltet,
sein Gesicht ist starr, nur die Augen schweifen unruhig umher; hinter ihm ziehen Kirchenmänner,
darunter Kardinal Kasper, ins Lager ein, viele Sicherheitsbeamte links und rechts.
Vor der so genannten Todesmauer wartet Polens Präsident auf den Papst, außerdem einige
überlebende Häftlinge, denen der Papst die Hände drückt, besonders herzlich bei Polens
früherem Außenminister Wladislaw Bartoszewski, einem alten Pionier der polnisch-deutschen
Aussöhnung. Stehend und mit gefalteten Händen betet Benedikt XVI. vor der Todesmauer,
an der immer wieder willkürliche Erschießungen stattfanden; er nimmt sein Käppchen
ab, verneigt sich vor der Mauer - es sind Bilder, die an Johannes Paul II. vor der
Jerusalemer Klagemauer erinnern. Dann stellt der Papst eine weiße Kerze vor der Mauer
auf. Und erneut grüßt er, während weiter nur Schweigen zu hören ist, Überlebende,
ältere Leute, von denen viele sehr bewegt wirken; einige küssen dem Papst den Ring,
einen küßt der Papst auf beide Wangen, einer Frau, der die Tränen kommen, streichelt
er über das Haar. Die Überlebenden tragen zum größten Teil blau-weiß-gestreifte Halstücher,
die an die frühere Häftlingskleidung erinnern. Dann ein paar Stufen abwärts in
die unterirdische Todeszelle, in der unter anderem der heilige Maximilian Kolbe starb;
erneut betet Papst Benedikt im Stehen; die Zelle ist dunkel, nur eine Kerze gibt
ein schwaches Licht. Nach dem Gebet bekreuzigt sich der Papst, und dann, wieder draußen,
trägt er sich an einem Tischchen, das man auf den Kies vor Block 11 gesetzt hat, ins
Goldene Buch des Museums ein. Präsident Kascinsky schüttelt dem Papst noch einmal
die Hand, dann bringt ihn ein Wagen in das nahegelegene GEbets- und Dialogzentrum
der Kirche knapp außerhalb des Stacheldrahts. Hier hält Kardinal Dziwisz von Krakau
eine kleine Ansprache, sagt: "In Auschwitz ist der Mensch erniedrigt worden - und
damit Gott, der den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat." Jugendliche übergeben
dem Papst eine Friedensbotschaft, Mitarbeiter des Zentrums überreichen ein "Auschwitz
Memorial" und Kinder Blumensträuße. Benedikt gibt seinen Segen auf Latein. Ein
leichter Nieselregen geht nieder, als Benedikt dann per Wagen im Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau eintrifft. Das Krakauer Streichorchester spielt ernste Musik, und
ein Regenbogen spannt sich über den Himmel, als der Papst am Auschwitz-Mahnmal in
unmittelbarer Nähe der Krematorien an den Gedenktafeln in verschiedenen Sprachen still
betet. Jugendliche aus allen Teilen Europas stellen Kerzen auf, Psalmen-Ausschnitte
werden gesungen. Romani Rose vom Zentralrat der Roma in Deutschland liest eine Fürbitte
für ermordete Roma, weitere Fürbitten in anderen Sprachenm darunter hebräisch, folgen,
dann spricht Papst Benedikt auf deutsch ein Gebet. Das Kaddisch, das jüdische Totengebet,
schallt über das Lagergelände, nicht weit von der Rampe, wo die Nazis ihre Opfer selektierten.
Dann beginnt der Papst mit seiner Ansprache - auf italienisch, nicht auf deutsch.