Papst Benedikt hat
eine Gedenkfeier im Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau gehalten. Nach den Fürbitten
in fünf Sprachen und dem jüdischen Totengebet Kaddish sprach der Papst eine Rede
im Gedenken an die Opfer. Im Dialog- und Gebetszentrum, das ein Kilometer vom Ausschwitzer
Konzentrationslager entfernt liegt, begrüßte er zuvor Jugendliche, die ihm einen Friedenstext
überreichten. Das Gebet wurde letztes Jahr in Köln auf dem Weltjugendtag erarbeitet.
Der Papst begrüßte auch die Ordensfrauen des Karmelklosters und segnete das Institut.
Das Zentrum wurde 1992 auf Initiative von Kardinal Marcharski, ehemaliger Erzbischof
von Krakau, ins Leben gerufen. Papst Benedikt XVI. hatte bei seiner Ankunft in
Ausschwitz das Eingangstor des Konzentrationslagers zu Fuß durchschritten. Er wurde
unter anderem von dem Museumsdirektor von Ausschwitz und dem Verantwortlichen der
polnischen Bischofskonferenz für Interreligiösen Dialog empfangen. Papst Benedikt
begrüßte die Ausschwitz-Überlebenden und besuchte dann das Grab von Maximilian Kolbe.
(28.05.06 sis)
Hier ein Stimmungsbericht von Stefan Kempis über den Besuch
des deutschen Papstes in Auschwitz:
In der Ferne läuten Glocken, sonst herrscht
Stille, als der Papst durch das Tor des Stammlagers Auschwitz mit der absurden Aufschrift
"Arbeit macht frei" geht. Benedikt hält die Hände gefaltet, sein Gesicht ist starr,
nur die Augen schweifen unruhig umher; hinter ihm ziehen Kirchenmänner, darunter Kardinal
Kasper, ins Lager ein, viele Sicherheitsbeamte links und rechts. Vor der so genannten
Todesmauer wartet Polens Präsident auf den Papst, außerdem einige überlebende Häftlinge,
denen der Papst die Hände drückt, besonders herzlich bei Polens früherem Außenminister
Wladislaw Baroszewski, einem alten Pionier der polnisch-deutschen Aussöhnung. Stehend
und mit gefalteten Händen betet Benedikt XVI. vor der Todesmauer, an der immer wieder
willkürliche Erschießungen stattfanden; er nimmt sein Käppchen ab, verneigt sich vor
der Mauer - es sind Bilder, die an Johannes Paul II. vor der Jerusalemer Klagemauer
erinnern. Dann stellt der Papst eine weiße Kerze vor der Mauer auf. Und erneut grüßt
er, während weiter nur Schweigen zu hören ist, Überlebende, ältere Leute, von denen
viele sehr bewegt wirken; einige küssen dem Papst den Ring, einen küßt der Papst auf
beide Wangen, einer Frau, der die Tränen kommen, streichelt er über das Haar. Die
Überlebenden tragen zum größten Teil blau-weiß-gestreifte Halstücher, die an die frühere
Häftlingskleidung erinnern. Dann ein paar Stufen abwärts in die unterirdische Todeszelle,
in der unter anderem der heilige Maximilian Kolbe starb; erneut betet Papst Benedikt
im Stehen; die Zelle ist dunkel, nur eine Kerze gibt ein schwaches Licht. Nach dem
Gebet bekreuzigt sich der Papst, und dann, wieder draußen, trägt er sich an einem
Tischchen, das man auf den Kies vor Block 11 gesetzt hat, ins Goldene Buch des Museums
ein. Präsident Kascinsky schüttelt dem Papst noch einmal die Hand, dann bringt ihn
ein Wagen in das nahegelegene GEbets- und Dialogzentrum der Kirche knapp außerhalb
des Stacheldrahts. Hier hält Kardinal Dziwisz von Krakau eine kleine Ansprache, sagt:
"In Auschwitz ist der Mensch erniedrigt worden - und damit Gott, der den Menschen
nach seinem Bild geschaffen hat." Jugendliche übergeben dem Papst eine Friedensbotschaft,
Mitarbeiter des Zentrums überreichen ein "Auschwitz Memorial" und Kinder Blumensträuße.
Benedikt gibt seinen Segen auf Latein. Ein leichter Nieselregen geht nieder, als
Benedikt dann per Wagen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eintrifft. Das Krakauer
Streichorchester spielt ernste Musik, und ein Regenbogen spannt sich über den Himmel,
als der Papst am Auschwitz-Mahnmal in unmittelbarer Nähe der Krematorien an den Gedenktafeln
in verschiedenen Sprachen still betet. Jugendliche aus allen Teilen Europas stellen
Kerzen auf, Psalmen-Ausschnitte werden gesungen. Romani Rose vom Zentralrat der Roma
in Deutschland liest eine Fürbitte für ermordete Roma, weitere Fürbitten in anderen
Sprachenm darunter hebräisch, folgen, dann spricht Papst Benedikt auf deutsch ein
Gebet. Das Kaddisch, das jüdische Totengebet, schallt über das Lagergelände, nicht
weit von der Rampe, wo die Nazis ihre Opfer selektierten. Dann beginnt der Papst mit
seiner Ansprache - auf italienisch, nicht auf deutsch.