Auf dem 96. Deutschen
Katholikentag gibt es zahlreiche Debatten zum Thema Gerechtigkeit. Bundespräsident
Horst Köhler warf der Politik auf dem Treffen in Saarbrücken Kurzsichtigkeit und «Doppelmoral»
auf Kosten ärmerer Länder vor. Viele Politiker richteten ihr Handeln zu sehr nach
den Perspektiven einer Wiederwahl aus. Er rief zu mehr globaler Gerechtigkeit auf.
SPD-Chef Kurt Beck forderte einen Kurswechsel der Weltbank. Sie solle weniger auf
prestigeträchtige Großprojekte setzen. Auch viele Kirchenvertreter mahnten eine gerechtere
Weltwirtschaftsordnung an. Am Abend gab es den Zentralen Ökumenischen Gottesdienst
des Katholikentags. Der Bundespräsident bemängelte bei dem Christentreffen, zu
wenige Politiker brächten «ihre guten Ziele für Deutschland in Zusammenhang mit den
guten Zielen für die Entwicklungsländer». Sie predigten Marktwirtschaft und Gerechtigkeit,
schauten aber im Ernstfall zuerst nach ihrem eigenen Vorteil. Das Staatsoberhaupt
nannte Armut und Hunger als größte Bedrohungen für den Weltfrieden. Weiter mahnte
er, in der internationalen Zusammenarbeit nicht allein auf Ökonomie zu setzen. Notwendig
seien auch Werte und Spiritualität. Köhler äußerte sich in einer Diskussion mit
dem honduranischen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga und dem Chef der Welthandelsorganisation
(WTO), Pascal Lamy, vor mehreren tausend Zuhörern. Auch der Kardinal warnte vor einer
Absolutsetzung der Ökonomie. Eine Gesellschaft, die den Markt vergöttere, lasse keinen
Platz für Werte. Rodriguez appellierte an Unternehmer, auf Teile ihrer Gewinne zu
Gunsten der Produzenten in ärmeren Ländern zu verzichten.
Positive Bilanz
zum Schluß des Katholikentags
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken
(ZdK) und der Trierer Bischof Reinhard Marx haben eine positive Bilanz des morgen
zu Ende gehenden Deutschen Katholikentags gezogen. ZdK-Präsident Hans Joachim Mayer
sagte heute in Saarbrücken, es sei klug gewesen, mit dem Schwerpunktthema Europa in
eine Grenzregion zu gehen, auch wenn dadurch der Veranstaltungsort weniger gut erreichbar
gewesen sei. Marx sagte, man habe «gespürt, wie unverzichtbar Katholikentage sind».
Er äußerte die Hoffnung, dass mit dem Katholikentag ein Signal gesetzt worden sei,
um das Thema Gerechtigkeit in Kirche und in Gesellschaft neu zu thematisieren. Der
Treffen stand unter dem Motto «Gerechtigkeit vor Gottes Antlitz». An den Veranstaltungen
nahmen insgesamt rund 40.000 Besucher teil. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz
und Mainzer Kardinal Karl Lehmann zeigte sich ebenfalls «glücklich» mit dem Verlauf
des Katholikentages. Er sei «sehr positiv überrascht, dass bei dem ekligen Wetter
sich viele nicht haben entmutigen lassen», so der Kardinal. Mit Blick auf künftige
Katholikentage äußerte Meyer die Hoffnung, es werde gelingen, die Zahl der diesmal
rund 1.000 Veranstaltungen zu reduzieren. Allerdings sei dies ein regelmäßiger Streitpunkt
im Vorfeld. Marx und Meyer sagten, nach ihrem Eindruck hätten Veranstaltungen zu
politischen und sozialen Themen ebenso großen Zuspruch gefunden wie spirituelle
Angebote.
(kna)
In unserem Audio-Dossier mit Material des Kölner "Domradios":
Berichte vom Katholikentag, u.a. mit Äußerungen der Politiker Beck und Thierse sowie
von Bischof Reinelt. Redaktion: Carmen Wagner.