Auf dem Warschauer
Pilsudzyki-Platz hat der Papst heute die Messe gefeiert. Dabei erinnerte er an seinen
Vorgänger Johannes Paul, der hier Ende der siebziger Jahre die Freiheitsbewegung in
Polen in Gang brachte, die dann zum Sturz des Kommunismus führte. Benedikt XVI. warnte
vor Relativismus und rief aus: "Bleibt stark im Glauben, und gebt ihn an eure Kinder
weiter!" Am Freitagabend besuchte der Heilige Vater den Marienwallfahrtsort Tschenstochau
mit seinem berühmten Bildnis der Schwarzen Madonna, der Königin Polens. Dort traf
er Ordensleute, Seminaristen und Vertreter neuer geistlicher Gruppen.
Papstmesse
in Warschau: Benedikt warnt vor Relativismus
Es war der erste emotionale
Höhepunkt dieser Papstreise: Benedikt XVI. feierte die Messe im Zentrum von Warschau.
Der Pilsudski-Platz, der auch als Siegesplatz bekannt ist, hat für die Polen eine
ganz besondere Bedeutung. Am 2. Juni 1979 rief hier der neugewählte polnische Papst
Johannes Paul II. mitten im kommunistischen System aus: "Herr, sende aus deinen Geist
und erneuere das Antlitz der Erde - dieser Erde!" Hier fanden auch - während des Kriegsrechts
1981 - die Beisetzungsfeiern für den so genannten Primas des Millenniums, Kardinal
Wyszynski, statt.
Der gesamte Platz war voller Regenschirme; dicht gedrängt
standen mehr als 10.000 Menschen zusammen und hielten dem Regen stand. Unter den Gästen
waren auch Präsident Lech Kacynski und seine Frau, Politiker, vierzig Kardinäle und
Bischöfe aus dem Ausland. Thema der Messfeier war der Heilige Geist; immer wieder,
wenn Benedikt XVI. ein paar Worte auf polnisch sagte, brandete Beifall auf. In einer
Fürbitte in der Sprache des Nachbarlands Weißrußland wurden auch politische Töne angeschlagen
und der Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen angemahnt. Weißrußland ist
eine Diktatur, in der zahlreiche Dissidenten in Haft sind oder schikaniert werden. Am
Ende des Gottesdienstes segnete der Papst das Marienbild der "Madonna Tribunalska";
polnische Parlamentarier wünschen sich eine Erhebung der "Maria Tribunalska" zur Patronin
der Abgeordneten.
Predigt des Papstes in Warschau: Die Kernsätze. "In
der Geschichte der Kirche haben die Apostel das Wort Christi gepredigt und sich bemüht,
es ihren Nachfolgern unverändert weiterzugeben. Viele Prediger des Evangeliums haben
aus Treue zur Wahrheit des Wortes Christi das eigene Leben gegeben. Und so ist aus
der Sorge um die Wahrheit die Tradition der Kirche entstanden. So wie in den vergangenen
Jahrhunderten gibt es auch heute Personen und Kreise, die, diese jahrhundertealte
Tradition vernachlässigend, das Wort Christi verfälschen und jene Wahrheiten des Evangeliums
entfernen möchten, die sie als unbequem für den modernen Menschen erkennen. Man versucht
den Eindruck zu erwecken, alles sei relativ: auch die Wahrheiten des Glaubens sollen
von der historischen Situation und der Bewertung durch den Menschen abhängen. Doch
die Kirche kann den Geist der Wahrheit nicht zum Verstummen bringen. Die Nachfolger
der Apostel sind, gemeinsam mit dem Papst, für die Wahrheiten des Evangeliums verantwortlich,
und auch alle Christen sind dazu berufen, diese Wahrheit zu teilen, indem sie die
die Zeichen im Glauben annehmen. Was bedeutet es, Christus zu lieben? Es bedeutet,
sich ihm auch in der Stunde der Prüfung anzuvertrauen, ihm selbst auf dem Kreuzweg
treu zu folgen. Die Liebe zu Christus verwirklicht sich durch die innere Vereinigung,
durch Gebet, Lobpreisung, Dank und Reue. Nicht fehlen kann ein aufmerksames Hören
der Eingebungen, die der Herr durch sein Wort auslöst, durch die Menschen, die wir
treffen, durch Situationen des täglichen Lebens. Ihn zu lieben bedeutet, mit ihm im
Gespräch zu bleiben, um seinen Willen zu erkennen und ihn bereitwillig umzusetzen.
Doch den eigenen Glauben als Liebesbeziehung mit Christus zu leben, bedeutet
auch die Bereitschaft, auf alles zu verzichten, was die Verneinung seiner Liebe darstellt.
Bleibt stark im Glauben, gebt ihn an eure Kinder weiter, bezeugt die Gnade,
die ihr in eurer Geschichte in so überreichem Maß durch den Heiligen Geist erfahren
habt. In euren Herzen möge niemals die Liebe zu Christus und zu seiner Kirche fehlen."
Papstmesse
in Warschau: Das Grußwort von Kardinal Glemp.
Der Primas Joseph Glemp erwähnte
in seinem Grußwort, dass Warschau drei neue Brücken über die Weichsel brauchte - und
dass aus seiner Sicht drei geistliche Brücken dringend repariert werden müßten. Die
erste sei die Brücke zwischen Himmel und Erde sowie zwischen Leib und Seele. Diese
Brücke sei beispielsweise durch den Atheismus des kommunistischen Systems stark erschüttert
worden. Heute, so Glemp, "leben wir in einem freien und demokratischen System." Da
glaubten Pragmatiker, sie hätten es nicht nötig, über die Brücke, die zum Himmel führt,
zu gehen, "weil sie auf der anderen Seite nichts Besonderes erwarten". Die zweite
Brücke, die eine Überholung brauche, sei die zwischen Gegenwart und Zukunft: Die Kirche
dürfe bei der Weitergabe des Glaubens an kommende Generationen nicht versagen. Und
als letzte und scheinbar einfachste nannte der Primas die Brücke von einem Menschen
zum anderen. Die Distanzen zwischen den Menschen seien allerdings nur vermeintlich
einfach zu überwinden, auf dem Weg gebe es zahlreiche Hindernisse und Leerstellen,
die überwunden werden müssten.
Papst trifft Präsident Kaczynski Am
Donnerstag ist Benedikt in Warschau eingetroffen. Am Abend seines ersten Reisetags
hat er dem neuen Präsidenten Lech Kaczynski einen Höflichkeitsbesuch abgestattet.
Kaszynski hat praktisch sein Leben in Warschau verbracht: Wurde hier kurz nach
dem Krieg geboren, lehrte hier an der Kardinal-Wyszinsky-Universität bis zu seiner
Wahl ins höchste Staatsamt. Lech Kaszynski und sein Zwillingsbruder, die heute die
polnische Politik fast als Familienbetrieb führen, traten in ihrer Kindheit in einem
Fernsehfilm als komische Figuren auf. In den siebziger und achtziger Jahren aber gehörten
sie zur demokratischen Opposition und gehörten zur Untergrund-Führung der Gewerkschaft
Solidarnosc um Lech Walesa. Lech Kaszynski ist seit 1990 Abgeordneter; 2002 wurde
er Oberbürgermeister von Warschau. In dieser Zeit machte er durch Reparationsforderungen
an Deutschland wegen der Zerstörung Warschaus im zweiten Weltkrieg von sich reden.
Präsident wurde er im Dezember letzten Jahres. Er ist verheiratet, hat eine Tochter
und eine Enkelin.
Ökumenische Begegnung: Papst beruft sich auf Augsburger
Erklärung zur Rechtfertigungs-Lehre Ebenfalls am Donnerstag Abend hat der Papst
an einer Ökumenischen Begegnung in der Lutherischen Dreifaltigkeitskirche von Warschau
teilgenommen - nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem 96
Prozent der Einwohner katholisch sind. Hier sind die Kernsätze aus der Ansprache des
Papstes. "Liebe Brüder und Schwestern in Christus,
uns vereint heute der
Wunsch einander zu treffen, um im gemeinsamen Gebet unserem Herrn Jesus Christus Ruhm
und Ehre zu erweisen. Zusammen mit euch danke ich für das Geschenk dieses Treffens.
Ich sehe darin eine der Etappen auf dem Weg, meinen festen Vorsatz vom Beginn meines
Pontifikates Wirklichkeit werden zu lassen: naemlich die Wiederherstellung der vollen
und sichtbaren Einheit zwischen den Christen als eine Priorität meines Amtes anzusehen.
Die Botschaft Christi muss jeden Menschen auf der Erde erreichen,
dank des Bemühens jener, die an ihn glauben und berufen sind zu bezeugen, dass er
vom Vater geschickt ist. Wir müssen also, wenn wir das Evangelium verkünden, vom Wunsch
beseelt sein, gegenseitige Beziehungen von aufrichtiger Nächstenliebe zu pflegen,
sodass alle sehen, dass der Vater den Sohn sandte und seine Kirche sowie jeden von
uns liebt. Die Aufgabe der Schüler Christi, die Aufgabe eines jeden von uns ist es
also, einer solchen Einheit zuzustreben, sodass wir als Christen das sichtbare Zeichen
seines Heilsbotschaft werden, die an jedes menschliche Wesen gerichtet ist.
Gott
hat uns viele Schritte hin zum gegenseitigen Verständnis und zur Annäherung tun lassen.
Erlauben Sie mir, Ihnen einige ökumenische Ereignisse vor Augen zu führen, die in
jener Zeit auf der Welt stattgefunden haben: Das Erscheinen der Enzyklika "Ut Unum
sint"; der Abschluss der "Gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigungslehre" in
Augsburg; das Treffen anlässlich des Grossen Jubiläums des Jahres 2000 und das ökumenische
Gedenken der Glaubenszeugen des 20. Jahrhunderts; die Wiederaufnahme des katholisch-orthodoxen
Dialogs auf Weltebene; die Beerdigung von Johannes Paul II. unter Teilnahme fast aller
Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften.
Wir sehen viele Fortschritte
in der Ökumene, und dennoch erwarten wir Weiteres. Erlauben Sie mir heute auf zwei
Fragen detaillierter einzugehen. Die erste betrifft den Dienst der Nächstenliebe der
Kirchen. Viele Brüder erwarten von uns die Gabe der Liebe, des Vertrauens, der spirituellen
und konkreten materiellen Hilfe. Trotz aller Differenzen, die auf der Ebene des interkonfessionellen
Dialogs überwunden werden müssen, scheint es legitim, das karitative Bemühen der ökumenischen
Gemeinschaft der Schüler Christi auf der Suche nach voller Einheit zuzuordnen. Wir
alle können am Einsatz zugunsten der Bedürftigen mitarbeiten und dabei jenes Netz
gegenseitiger Beziehungen nutzen, das Frucht des Dialogs zwischen uns und des gemeinsamen
Handelns ist.
Die zweite Frage, die ich anschneiden möchte, betrifft
das Ehe- und Familienleben. Immer häufiger entscheiden sich junge Menschen verschiedener
Traditionen, Religionen und Konfessionen, miteinander eine Familie zu gründen. Gelegentlich
ist dies für diese Menschen selbst und für ihre Angehörigen eine schwierige Entscheidung,
die verschiedene Gefahren bezüglich des Glaubens und der Schaffung einer Familienordnung
mit sich bringt. Dennoch kann diese Entscheidung Anlass sein, ein praktisches Laboratoriums
der Einheit zu schaffen. Dafür sind gegenseitiges Wohlwollen nötig, Verständnis und
Reife im Glauben beider Partner, aber auch der Gemeinschaften, aus denen sie stammen.
Ich wünsche allen, dass in dieser heiklen Frage das gegenseitige Vertrauen zwischen
den Kirchen und die Zusammenarbeit wächst, die die Rechte und Pflichten der Eheleute
respektiert."
Besuch in Tschenstochau
Im Moment, in dem
wir diesen Newsletter erstellen, besucht Benedikt XVI. Tschenstochau: Um 17.30 Uhr
ist er am wichtigsten Wallfahrtsort Mitteleuropas eingetroffen. Hier, wo Johannes
Paul II. unzählige Male seit seiner Jugend als Pilger war, will der deutsche Papt
Ordensleute treffen, Priesteramts-Kandidaten und Vertreter geistlicher Bewegungen
und Gemeinschaften. Es ist der geistliche Nabel Polens, hier schlägt sein christliches
Herz. Jasna Gora, Heller Berg, 200 km von Krakau entfernt. Auf der Spitze ein
Kloster aus dem 14. Jahrhundert, weithin erkennbar mit dem höchsten Turm Polens. Innen:
das geheimnisvolle Gemälde der Schwarzen Madonna, dem viele Wunder zugeschrieben werden,
zum Beispiel die Rettung Polens vor der schwedischen Invasion des 17. Jahrhunderts.
Bei den polnischen Teilungen oder im dunklen 20. Jahrhundert hielt dieser Ort ideell
das bedrohte Polen zusammen. Johannes Paul II. vertraute hier sein Pontifikat Maria
an. Die goldene Krone der Schwarzen Madonna wurde vom sterbenden Johannes Paul geweiht,
einen Tag vor seinem Tod. Pilgerziel: An die vier Millionen Menschen auch aus umliegenden
Ländern kommen pro Jahr nach Tschenstochau.