Im Anschluss an das
Treffen mit Staatspräsident Lech Kaczynski fand am Donnerstag abend eine Ökumenische
Begegnung in der Lutherischen Dreifaltigkeitskirche von Warschau statt. Der Präsident
des Polnischen Kirchenrates, der orth. Erzbischofs Jeremia, begrüßte den Papst in
der lutherischen Kirche. Die sieben Minderheitskirchen in Polen sind zusammengeschlossen
im Polnischen Ökumenischen Rat. Dazu gehören die Polnische Orthodoxe Kirche mit ca.
500.000 Gemeindeglieder, die polnisch-katholische Kirche, sowie verschiedene protestantische
Kirchen, wie zum Beispiel die Evangelisch-Augsburgische Kirche, die so genannten Lutheraner,
die Evangelisch-Reformierte Kirche, baptistische- und Methodistische Kirche. Beim
ökumensichen Treffen sprachen die Vertreter der sieben Kirchen des Rates kurze Gebete.
Papst Benedikt hielt die folgende Ansprache: "Liebe Brüder und Schwestern in
Christus,
uns vereint hier heute der Wunsch einander zu treffen, um im gemeinsamen
Gebet unserem Herrn Jesus Christus Ruhm und Ehre zu erweisen. Zusammen mit euch danke
ich für das Geschenk dieses Treffens. Ich sehe darin eine der Etappen auf dem Weg,
meinen festen Vorsatz vom Beginn meines Pontifikates Wirklichkeit werden zu lassen:
naemlich die Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit zwischen den Christen
als eine Priorität meines Amtes anzusehen.
Die Botschaft Christi muss
jeden Menschen auf der Erde erreichen, dank des Bemühens jener, die an ihn glauben
und berufen sind zu bezeugen, dass er vom Vater geschickt ist. Wir müssen also, wenn
wir das Evangelium verkünden, vom Wunsch beseelt sein, gegenseitige Beziehungen von
aufrichtiger Nächstenliebe zu pflegen, sodass alle sehen, dass der Vater den Sohn
sandte und seine Kirche sowie jeden von uns liebt. Die Aufgabe der Schüler Christi,
die Aufgabe eines jeden von uns ist es also, einer solchen Einheit zuzustreben, sodass
wir als Christen das sichtbare Zeichen seines Heilsbotschaft werden, die an jedes
menschliche Wesen gerichtet ist.
Gott hat uns viele Schritte hin zum
gegenseitigen Verständnis und zur Annäherung tun lassen. Erlauben Sie mir, Ihnen einige
ökumenische Ereignisse vor Augen zu führen, die in jener Zeit auf der Welt stattgefunden
haben: Das Erscheinen der Enzyklika "Ut Unum sint"; der Abschluss der "Gemeinsamen
Erklärung über die Rechtfertigungslehre" in Augsburg; das Treffen anlässlich des Grossen
Jubiläums des Jahres 2000 und das ökumenische Gedenken der Glaubenszeugen des 20.
Jahrhunderts; die Wiederaufnahme des katholisch-orthodoxen Dialogs auf Weltebene;
die Beerdigung von Johannes Paul II. unter Teilnahme fast aller Kirchen und kirchlicher
Gemeinschaften.
Wir sehen viele Fortschritte in der Ökumene, und dennoch
erwarten wir Weiteres. Erlauben Sie mir heute auf zwei Fragen detaillierter einzugehen.
Die erste betrifft den Dienst der Nächstenliebe der Kirchen. Viele Brüder erwarten
von uns die Gabe der Liebe, des Vertrauens, der spirituellen und konkreten materiellen
Hilfe. Trotz aller Differenzen, die auf der Ebene des interkonfessionellen Dialogs
überwunden werden müssen, scheint es legitim, das karitative Bemühen der ökumenischen
Gemeinschaft der Schüler Christi auf der Suche nach voller Einheit zuzuordnen. Wir
alle können am Einsatz zugunsten der Bedürftigen mitarbeiten und dabei jenes Netz
gegenseitiger Beziehungen nutzen, das Frucht des Dialogs zwischen uns und des gemeinsamen
Handelns ist.
Die zweite Frage, die ich anschneiden möchte, betrifft
das Ehe- und Familienleben. Immer häufiger entscheiden sich junge Menschen verschiedener
Traditionen, Religionen und Konfessionen, miteinander eine Familie zu gründen. Gelegentlich
ist dies für diese Menschen selbst und für ihre Angehörigen eine schwierige Entscheidung,
die verschiedene Gefahren bezüglich des Glaubens und der Schaffung einer Familienordnung
mit sich bringt. Dennoch kann diese Entscheidung Anlass sein, ein praktisches Laboratoriums
der Einheit zu schaffen. Dafür sind gegenseitiges Wohlwollen nötig, Verständnis und
Reife im Glauben beider Partner, aber auch der Gemeinschaften, aus denen sie stammen.
Ich wünsche allen, dass in dieser heiklen Frage das gegenseitige Vertrauen zwischen
den Kirchen und die Zusammenarbeit wächst, die die Rechte und Pflichten der Eheleute
respektiert"