Brasiliens Bischöfe haben Anfang des Monats ungewöhnlich scharfe Kritik an der Wirtschafts-und
Sozialpolitik von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva geübt. Nie zuvor habe sich
eine Regierung den Forderungen der Privatbanken so sehr unterworfen, das Land in ein
regelrechtes „Finanzparadies“ verwandelt, beklagte der deutschstämmige Sekretär der
Bischofskonferenz, Odilo Scherer. Die wachstumshemmende Hochzinspolitik begünstige
lediglich den Finanzsektor, sei unsozial und müsse daher gestoppt werden. Brasiliens
Primas Geraldo Agnelo, Kardinal und Präsident der Bischofskonferenz, schloss sich
jetzt der Kritik Scherers an: "Er hat völlig Recht. Die Regierung unterwirft
sich den Banken. Diese diktieren ihre Forderungen, und die Regierung erfüllt sie bis
ins Kleinste. Sie sorgt sich direkt übertrieben um das Wohl der Banken, tut alles,
was sie wollen. Während der Arbeiter eben keinen gerechten Lohn, keinen Inflationsausgleich
einfordern kann. Damit sind wir nicht einverstanden, das ist doch nicht gerecht. Denn
dem Volk geht es überhaupt nicht gut. Es muß weiter darauf warten, daß Arbeitsplätze
geschaffen werden. Denn ohne Arbeit ist kein Leben in Würde möglich. Die Leute können
sich doch nicht nur von staatlichen Almosen ernähren.“ Damit meint Kardinal
Agnelo das Anti-Hunger-Programm der Lula-Regierung. Denn lediglich acht Millionen
verelendete Familien erhalten überhaupt Hilfe, und die sei gering. Umgerechnet beträgt
die monatliche Zahlung 23 Euro pro Familie. “Dieses Hilfsprogramm ist natürlich
keine Lösung. Es bringt die Leute nicht voran, zeigt keinen Ausweg aus ihrer erbärmlichen
Lage. Viele geben sich sogar mit diesem Almosen zufrieden, tun gar nichts mehr. Die
Bischofskonferenz fordert deshalb eine andere Wirtschaftspolitik, die den Menschen
ermöglicht, von ehrlicher Arbeit zu leben. Wir wollen, daß unsere laute Kritik an
der Regierung in der Gesellschaft ein großes Echo findet.“ (rv 09.03.06 hr)