Vom 3. bis 5. März 2006 haben sich in Korfu die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen
Südosteuropas - Albanien, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Bischofskonferenz
der Heiligen Cyrill und Methodius (Serbien, Montenegro und Mazedonien) Rumänien -
zusammen mit den Bischöfen Griechenlands getroffen, um die gemeinsame Verantwortung
für das Evangelium und die Solidarität in diesem Teil Europas zu erörtern. Ein historisches
Ereignis, denn zum ersten Mal waren auf dieser Insel so viele Bischöfe aus verschiedenen
Nationen versammelt. Hauptthema: die Migrationen verändern das Angesicht Europas.
Die Arbeiten wurden von Bischof Amédée Grab, dem Vorsitzenden des Rates der Europäischen
Bischofskonferenzen (CCEE), moderiert.
Die Soziallehre der Kirche
S.E.
Bischof Crepaldi, Sekretär des Päpstlichen Rates Iustitia et Pax, stellte das Kompendium
der Soziallehre der Katholischen Kirche vor, welches am 25. Oktober 2004 veröffentlicht
wurde. Es baut auf vier Grundprinzipien auf: Würde und Freiheit der menschlichen Person,
Allgemeinwohl, Subsidiarität und Solidarität. Im Zentrum der ganzen Überlegungen steht
die menschliche Person und ihre unantastbare Würde. Diese Würde ist eine Gabe Gottes,
die sich mit dem Verstand begreifen lässt; von daher ist sie das höchste Kriterium
jeglicher politischen und sozialen Entscheidung. Das Kompendium ist in einigen Ländern
Südosteuropas bereits in Übersetzung und wird als ein wichtiges Werkzeug betrachtet
für eine maßgebliche Präsenz der Kirche im sozialen Bereich, besonders in Ländern,
in denen totalitäre, kommunistische Systeme die menschliche Person ihres Wertes beraubt
und den Sinn für das Allgemeinwohl ausgelöscht haben.
Das Kompendium regt zum
Dialog an mit all jenen, denen es wirklich um das Wohl des Menschen geht. Es soll
den Priestern, den Katecheten und besonders den in Politik und Gesellschaft engagierten
Laien vorgestellt werden. Der orthodoxe Theologe P. Mourtzanos Themistoklis zeigte
auf, wie sich die Auffassung von Gesellschaft seiner eigenen Kirche an der Lehre vom
dreifaltigen Gott inspiriert und auf dem eucharistischen Leben gründet. Das wirkliche
Novum, das Ungerechtigkeit, Armut, soziale Ungleichheit, sowie Drogenabhängigkeit,
Prostitution und Rassismus eindämmen kann, erwächst aus dem Wiederfinden der Einheit
mit Gott und untereinander.
Die Migrationen
Das Migrationsphänomen
betrifft auf radikale Weise alle Länder Südosteuropas. Viele Menschen haben wegen
der Armut Albanien, Bulgarien und Rumänien verlassen, um Arbeit zu suchen. Der Balkankrieg
hat besonders in Bosnien-Herzegowina viele Flüchtlinge geschaffen. Die Migrationen
verursachen besonders in der ersten Phase enorme soziale Probleme: Auflösung der Familie,
Handel mit Frauen und Kindern, Organhandel, mafiöse Strukturen. Auf der anderen Seite
führt die Abwanderung der jungen oder besser ausgebildeten Menschen zu einer Verarmung
der Herkunftsländer. Die Migrationen verändern das Angesicht der europäischen Länder
und werden zum Hauptproblem der kommenden Jahrzehnte.
In Griechenland
erlebt die katholische Kirche ein überraschendes und unerwartetes Phänomen. Laut Statistik
stieg die Zahl der Katholiken zwischen 1975 und 2005 von 50'000 auf zirka 350'000
an. Dies unter anderem aufgrund der Zuwanderung Tausender Philipinos, Polen, Albanern
und Irakern. Die griechischstämmigen Katholiken sind nun eine Minderheit innerhalb
der katholischen Minderheit des Landes.
Die Vorträge von Fr. Francesco
Varthalitis, von Dr. Desylas Christos (orthodox), von P. Gabriele Righetto und von
don Stefano Marangos, welche als Wissenschaftler oder Priester im Bereich der griechischen
Migration tätig sind, zeigten die großen pastoralen Herausforderung durch die Migrationen
auf:
- der Migrantenpastoral auf lokaler und internationaler Ebene den Vorrang
geben;
- sich mit vertiefter Anstrengung der Bildung und Integration widmen;
-
die Kontakte zwischen Ursprungs- und Aufnahmeländern pflegen;
- Personal für
die Migrantenpastoral finden;
- Zusammenarbeit zwischen Pfarreien fördern.
Es
wurde besonders darauf hingewiesen, dass es im Bereich der Migration dringend eine
ökumenische Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften braucht. Die
Vorsitzenden rufen dazu auf, mutig auf diesem Weg voranzugehen.
Im
Blick auf die Migrationspolitik der europäischen Institutionen wurden folgende Probleme
genannt: Sicherheit, vor allem wegen der Gefahr des Terrorismus, Visumsfragen, familiäre
Zusammenführung, illegale Immigration. Die Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen
Union wurde vom Apostolischen Nuntius bei der EU, S.E. Bischof André Dupuy, vom Generalsekretär
der ComECE, Mons. Noël Treanor, sowie von Herrn Nikolaos Dendias, Mitglied des griechischen
Parlaments und des Europarates, dargelegt. Zwischen 1970 und 2000 stieg in Europa
die Zahl der Migranten von 19 auf 33 Millionen an. Weltweit beläuft sich die Zahl
der Menschen, die nicht im Geburtsland leben, auf zirka 190 Millionen. Die jüngsten
Entwicklungen der EU bezüglich Asyl, Grenzen und Migration sind im neuen "Haager Programm"
festgehalten, welches die Linien für die Justiz- und Innenpolitik bis ins Jahr 2009
definiert.
Die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen sind sich bewusst,
dass die Migration nicht weiter als "ein Problem" gesehen werden darf, sondern als
Chance begriffen werden muss. Sie läutet eine neue Ära der Menschheit ein und drängt
zu einem neuen Bewusstsein der Universalität (Katholizität) der Kirche. Die Fähigkeit
des Evangeliums, die Familie Gottes unter den verschiedenen Völkern zu schaffen, ist
die wahre Antwort auf die Fragen der Globalisierung.
Die Dritte Ökumenische
Europäische Versammlung
Der neue ökumenische europäische "Pilgerweg", der in
Rom vom 24. bis 27. Januar mit einem Treffen von Delegierten gut hundert Kirchen und
ökumenischer Gemeinschaften aus allen Ländern Europas begonnen hat, wird in einem
südosteuropäischen Land enden, nämlich in Rumänien, anlässlich der Versammlung von
Sibiu im September 2007. Dieser Prozess ist eine Gelegenheit für ökumenische Begegnungen
vor Ort, um ein großes Gebetsnetzwerk für die Einheit der Christen neu zu beleben,
um das Bewusstsein für die Notwendigkeit zur Versöhnung und Zusammenarbeit unter den
Kirchen zu wecken und um Patenschaften zwischen den Kirchen der verschiedenen Länder
zu fördern.
Die Tagungsteilnehmer erlebten auf Korfu eine außerordentliche
Gastfreundschaft seitens der katholischen Lokalkirche, des orthodoxen Metropoliten
Nektarios sowie des Bürgermeisters und der Bevölkerung. Bei der Wallfahrt zum Heiligtum
des Hl. Spyridon waren Zeichen der Hoffnung auf die Einheit deutlich spürbar.
Eine
wichtige Begegnung mit der Lokalkirche war die Eucharistiefeier am Sonntag, 5. März,
in der Kathedrale. Bei dieser Gelegenheit wurde dem katholischen Erzbischof von Korfu,
Bischof Ioannis Spiteris und dem Vorsitzenden der Griechischen Bischofskonferenz,
Bischof Franghiskos Papamanolis ein aufrichtiger Dank ausgesprochen.
Die
siebte Tagung wird vom 1. bis 4. März 2007 in Rumänien stattfinden