Die katholische Kirche
hat die Zuwanderungspolitik der bundesdeutschen Regierung scharf kritisiert. Bei ihrer
Frühjahrsvollversammlung in Berlin zogen die Bischöfe ein Jahr nach dem Inkrafttreten
des Zuwanderungsgesetzes eine negative Bilanz. In Auslegung und Umsetzung des Gesetzes
habe „eine zunehmend restriktive Tendenz Einzug gehalten“, erklärte der Vorsitzende
Kardinal Karl Lehmann. Diese Abwehrhaltung führe Deutschland nicht in die Zukunft.
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof
Josef Voß, erklärte:
„Das verhindert nämlich auch, dass wir in der Bevölkerung
und in der Gesellschaft wirklich internalisieren und akzeptieren: Wir sind Einwanderungsland.
Am Ende werden wir weder denen gerecht, die aus der Ferne zu uns gekommen sind und
kommen, wir werden aber auch unserer eigener Gesellschaft und unserem Land nicht gerecht.
Eine Gesellschaft, der es an Großzügigkeit gegenüber den Bedürftigen fehlt, versteift
sich in Kleinmütigkeit und nimmt selber Schaden.“
„Mit großer Sorge“ verfolgten
die Bischöfe die Regelung, den Zuzug der Ehegatten erst ab einem Alter von 21 Jahren
zuzulassen. Diese Bestimmung ginge über die Richtlinie der Europäischen Union hinaus
und widerspreche dem bundesdeutschen Recht, mit 18 heiraten zu dürfen. Die Regelung
verhindere weder Schein- noch Zwangsehen und stelle alle unter „Generalverdacht“.
Scharfe Kritik übte die Katholische Kirche auch an der verschärften Abschiebepraxis.
Weihbischof Voß berief sich in seiner Stellungnahme auf Berichte der Migrationsdienste
und Sozialverbände.
„Das ist nicht zu vermitteln, dass wir überall von
Integration sprechen, aber dass dann Familien, deren Kinder hier integriert sind,
abgewiesen werden. Zum Beispiel, wenn Personen hier selbst für sich sorgen und eine
Arbeit angenommen haben, zum Teil unter ihrem Ausbildungsstand, wenn Kinder nachweislich
die besten in der Schule sind, oder wenn Jugendliche, die hier in einem Ausbildungsverhältnis
stehen, mit der Begründung abgewiesen werden, das habe nie in ihrem Recht gelegen.
Das ist weder den Betroffenen vermittelbar, noch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen
und Helfern, die sich vor Ort um Gruppen von Zuwanderern dieser Art sorgen.“
Kritik
üben die Bischöfe auch an der langen Dauer der Abschiebehaft, sowie den Haftbedingungen.
Nordrhein-Westfalen habe als einziges Bundesland eigene Einrichtungen, sonst lebten
die Ausreispflichtigen oft in einer gefängnisähnlichen Umgebung, ohne ausreichende
rechtliche, medizinische oder gar seelsorgliche Betreuung.
„Besondere Härtefälle
ergeben sich auch bei der Abschiebung kranker oder traumatisierter Personen. Glaubwürdigen
Berichten zufolge ist eine angemessene medizinische Begutachtung und Betreuung nicht
in jedem Fall gewährleistet. Wenn man Leute abschiebt in den Kongo und sagt, hier
sei eine angemessene medizinische Betreuung auch gesichert, dann weiß man nicht, was
man sagt.“
Fazit und Appell des deutschen Migrationsbischofs:
„In
einer globalen Welt müssen wir in einer anderen Weise auch globale Verantwortung wahrnehmen,
gerade globale Verantwortung für Menschen. Man darf nicht immer von der Globalisierung
der Finanzmärkte, der Wirtschaftsmärkte, der Informations- und Kommunikationsmärkte
sprechen, und meinen, es gäbe nicht auch eine Globalisierung für Menschen. Das hat
Konsequenzen.“
In deutschen Haftstellen sitzen jährlich
zwischen 20.000 und 30.000 Menschen in Abschiebehaft, die bis zu eineinhalb Jahren
dauern kann. Bundesweit leben rund 200.000 so genannte Geduldete, und zwischen 500.000
und einer Million illegaler Einwanderer.