2006-02-01 12:33:46

D: Lehmann stellt Sozialkatechismus vor


Der so genannte Sozialkatechismus der Kirche ist jetzt auch auf deutsch zu haben. Der Mainzer Bischof und Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, stellte das Handbuch der kirchlichen Soziallehre heute vor. Es wurde vor anderthalb Jahren vom vatikanischen Friedensrat herausgegeben und liegt schon in mehreren anderen Sprachen vor. Hier ist die Ansprache von Kardinal Lehmann bei der Vorstellung des Buches.
"Es ist mir eine Freude, heute die deutsche Übersetzung des „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ der Öffentlichkeit vorstellen zu können. Das Kompendium wurde nach fünfjähriger Vorarbeit am 25. Oktober 2004 vom Päpstlichen Rat Justitia et Pax in Rom herausgegeben und erschien zunächst in italienischer und englischer, vor kurzem auch in französischer und spanischer Sprache. Das Buch ist „Papst Johannes Paul II., Magister der Soziallehre, Zeuge für das Evangelium der Gerechtigkeit und des Friedens“ gewidmet.
Es war Papst Johannes Paul II., der – ähnlich wie im Fall des Katechismus der Katholischen Kirche – den Anstoß zu diesem „Sozialkatechismus“ gab. In seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in America (1999) hatte er eine umfassende und systematische Zusammenstellung der Soziallehre der Kirche angeregt. Er sprach dort auch von einem „Katechismus der Katholischen Soziallehre“ (Nr. 54, vgl. den ganzen Text im Anhang).
In seinen ungezählten Begegnungen mit den Menschen in der ganzen Welt war dem Papst bewusst geworden, wie gewaltig die sozialen Fragen und Herausforderungen sind, vor denen die Menschheit steht, und wie dringend man auf verlässliche Orientierung zu ihrer Lösung angewiesen ist. Er war überzeugt, dass die Soziallehre der Kirche dazu einen wichtigen Beitrag leisten könne, wie dies das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes und in anderen Texten betont hatte (vgl. z. B. GS 92, AA 31, UR 6, IM 15).
Wie aber konnte das Wissen um diese Soziallehre verstärkt und verbreitet werden? Selbst in Ländern wie Deutschland, in denen mein großer Vorgänger auf dem Mainzer Bischofsstuhl W. E. von Ketteler – eben in der Enzyklika Deus caritas est von Papst Benedikt XVI. eigens genannt (vgl. Nr. 27) – das soziale Gewissen der Katholiken wachzurütteln suchte, und wo die Katholische Soziallehre lange Zeit eine breite Zustimmung erhielt, ist das Wissen um sie geringer geworden. Dies liegt auch daran, dass zwar die Texte der Sozialenzykliken – zum Teil in verschiedenen Übersetzungen und Ausgaben – vorhanden sind, eine Zusammenschau der lehramtlichen Aussagen der Kirche aber fehlte. Die Vielfalt der vorhandenen Texte hat auch die internationale Zusammenarbeit sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf praktischer Ebene nicht gerade erleichtert.
Das Kompendium ist in drei Teile mit zwölf Kapiteln und insgesamt 583 Nummern gegliedert. Neben der Einleitung, die das Ziel und die Bedeutung des Werkes beschreibt, geht der erste Teil auf die Frage nach dem theologischen Ort der Soziallehre und ihrer Zuordnung zum Sendungsauftrag der Kirche ein (I.). Dann folgen die Kapitel über die Grundlagen und Prinzipien der Katholischen Soziallehre (II.). Eindrucksvoll werden das christliche Menschenbild als das personale Fundament der Soziallehre herausgearbeitet und die beiden Erkenntniswege: der Glaube und die Vernunft, die Offenbarung und das Naturrecht bekräftigt (III.). Auffallend ist, dass bei den Prinzipien (IV.) an erster Stelle das Gemeinwohl steht und an zweiter Stelle der Grundsatz von der Gemeinbestimmung der irdischen Güter. Danach geht es um die Grundsätze der Subsidiarität, der Solidarität und die Grundwerte des sozialen Lebens. Im zweiten Teil werden wichtige Einzelthemen behandelt: Ehe und besonders Familie (V.), Arbeit (VI.), Wirtschaft (VII.), Politik (VIII.), Internationale Gemeinschaft (IX.), Umwelt (X.) und Frieden (XI.). Dieser Teil zeichnet sich dadurch aus, dass der jeweilige Sachverhalt immer unter den entsprechenden Wertperspektiven gesehen wird. Nirgends gewinnt man den Eindruck, es handele sich um eine soziologische, ökonomische oder politologische Abhandlung, der noch ein christliches Etikett aufgesetzt wurde. Es ist wirklich Katholische Soziallehre, was das Kompendium bietet. Der dritte Teil (XII.) befasst sich mit der Frage, wie die Orientierungen das Handeln der Gläubigen inspirieren können und sollen, besonders im Blick auf die Laien. Der Schluss erörtert kurz, was eine Gesellschaft der Liebe bestimmt.
Das Kompendium bietet einen umfassenden Überblick über die kirchliche Soziallehre. Es ermöglicht uns, die sozialen Fragen unserer Zeit anzugehen, die in ihrem Zusammenhang betrachtet werden müssen, weil sie sich als immer stärker miteinander verflochten erweisen, einander gegenseitig bedingen und die Menschheitsfamilie mehr denn je betreffen. Die Grundsätze erhellen einander, weil sie die christliche Anthropologie zum Ausdruck bringen, die aus der Offenbarung der Liebe Gottes zur menschlichen Person und damit auch zur Gemeinschaft erwächst. Allerdings befinden sich die sozialen Verhältnisse in ständigem Wandel, weshalb immer neu über sie nachgedacht werden muss (vgl. Nr. 9).
Das Kompendium richtet sich auch an die Gläubigen in den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, an die Angehörigen anderer Religionen und an alle Männer und Frauen guten Willens, die sich für das Gemeinwohl einsetzen. Es soll den Dialog zugunsten der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, des Friedens und der Entwicklung der menschlichen Person verstärken (vgl. Nr. 12).
Eine große Hilfe ist das sich an den Text anschließende „Register“. Daraus werden zunächst die vielen Verweise auf die Heilige Schrift (Altes und Neues Testament) ersichtlich, ebenso die zahlreichen Quellen in den Konzilien, den Sozialenzykliken, den Schreiben und Ansprachen der Päpste, im Katechismus der Katholischen Kirche und in den Verlautbarungen anderer kirchlicher Stellen. Man findet rasch die Fundorte für die wichtigen Aussagen, die auch schon in den 1232 Anmerkungen gesammelt sind. Ein ausführliches Sachregister von über 150 Seiten ist angefügt. Die umfassende Orientierung ist damit sehr erleichtert.
Ich hoffe, dass die deutsche Ausgabe des Kompendiums eine große Verbreitung in Deutschland und in anderen deutschsprachigen Ländern findet. Damit verbindet sich mein Wunsch, dass die Soziallehre der Kirche wieder stärker bekannt wird und dazu beiträgt, neue Wege der Gerechtigkeit und der Solidarität zu entdecken, um den gewaltigen sozialen Herausforderungen unserer Tage begegnen zu können und zu einer menschenwürdigen und menschenfreundlichen Gesellschaft beizutragen.
Viele Themen werden durch das Kompendium neu in das Gespräch gebracht. Dies gibt Anregungen für eine schöpferische Beschäftigung mit aktuellen Problemen, die von Fragen, wie z. B. das Recht auf Arbeit bis zur Umweltethik reichen. Das Verhältnis von Theologie und katholischer Soziallehre wird neu thematisiert werden. Dies befruchtet den ökumenischen Dialog zu diesen Grundfragen. Auch das Verhältnis zur säkularen Sozialethik kommt wieder auf die Tagesordnung. Immer wieder wird der enge Zusammenhang mit der Evangelisierung aufgezeigt. Dies ist ein neuer Aspekt der Soziallehre.
Am Schluss steht vielfältiger Dank. Wir danken dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden für die Erarbeitung, besonders S. Em. Präsident Renato Raffaele Kardinal Martino und seinem 2002 verstorbenen Vorgänger, Kardinal François-Xavier Nguyên Van Thuân. Wir haben in Frau Dr. Gabriele Stein eine ausgezeichnete Übersetzerin gefunden. Prof. P. Dr. Dr. Anton Rauscher SJ hat den Text von der Fachwissenschaft und der klassischen Gestalt der Katholischen Soziallehre her nochmals gegengelesen. Als langjähriger Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Augsburg, als Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach, als Schüler von Prof. P. Dr. Gustav Gundlach SJ und als ein Mann mit vielen internationalen Erfahrungen und Beziehungen ist er eine Gewähr für die Kompatibilität unserer Übersetzung mit der Tradition und Gegenwart der Katholischen Soziallehre in den anderen Sprachen.
Schließlich danken wir dem Verlag Herder, dem Verleger Herrn Manuel Herder und Herrn Lektor Dr. Bruno Steimer für die Betreuung und Publikation des Werkes. Dr. Rainer Ilgner, Stellvertreter des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, hat von unserer Dienststelle aus die Veröffentlichung kundig begleitet. Unsere Pressestellen haben diese Präsentation vorbereitet.
Ich danke allen Beteiligten und wünsche dem „Kompendium“, wenn es ab 8. Februar 2006 im Buchhandel ausgeliefert wird, im ganzen Sprachgebiet in Gottes Segen einen guten Erfolg.
Mainz/Bonn, 1. Februar 2006"








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