2006-01-26 16:30:31

Vatikan: Papst, Ökumene in Liebe


Nur die Liebe kann die christlichen Kirchen vereinigen. Das sagte Papst Benedikt XVI. gestern Abend zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern. Dass ausgerechnet an diesem Tag die erste Enzyklika veröffentlicht wurde, ist für Benedikt kein Zufall. Hier die Predigt im Wortlaut:




Liebe Brüder und Schwestern,

heute, dem Tag, an dem wir die Bekehrung des Apostels Paulus feiern, beschließen wir die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen…Es ist bezeichnend, dass das Gedenken an die Konversion des Völkerapostels mit dem Schlusstag dieser wichtigen Woche zusammenfällt. Wir bitten Gott nämlich besonders intensiv um das kostbare Geschenk der Einheit aller Christen. Wir beten mit den Worten, die Jesus selbst für seine Jünger an den Vater gerichtet hat: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Das Streben einer jeden christlichen Gemeinschaft und jedes einzelnen Gläubigen zur Einheit und die Kraft, sie zu realisieren sind eine Gabe des Heiligen Geistes. Beides sind Schritte, die hinführen zu einer immer tieferen und radikaleren Treue zum Evangelium (vgl. Ut unum sint, 15). Wir wollen bedenken – die Grundlage des ökumenischen Auftrags ist die Bekehrung des Herzens, wie es das II. Vatikanische Konzil ganz klar feststellt: „Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung. Denn aus dem Neuwerden des Geistes, aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit“ (Unitatis redintegratio, 7).

Deus caritas est (1 Joh 4,8.16), Gott ist Liebe. Auf diesen Kernsatz stützt sich der ganze Glaube der Kirche. Spezieller: Darauf basiert die geduldige Suche nach der vollen Gemeinschaft aller Jünger Christi: Wenn der Blick auf diese Wahrheit gerichtet ist, den Höhepunkt der göttlichen Offenbarung, wird das, was trennt überwindbar, auch wenn es schmerzhaft bleibt, entmutigt es uns nicht. Der Herr, der mit dem Blut seiner Passion „die trennende Wand der Feindschaft“ (Eph 2,14) niederriss, wird denen, die ihn gläubig anrufen, immer die Kraft geben, jede Wunde zu heilen. Doch wir müssen immer wieder von diesem Satz ausgehen: Gott ist Liebe. Dem Thema „Liebe“ wollte ich meine erste Enzyklika widmen, die nun heute veröffentlicht wurde. Dieses glückliche Zusammenfallen mit dem Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen, lädt uns dazu ein, unsere Zusammenkunft, mehr noch, den ganzen ökumenischen Weg im Licht der Liebe Gottes zu betrachten, im Licht der Liebe, die Gott ist. Wenn schon unter menschlichem Gesichtspunkt die Liebe eine unbesiegbare Kraft darstellt, was müssen dann erst wir sagen, die „wir die Liebe erkannt und gläubig angenommen haben, die Gott zu uns hat“ (1 Joh 4,16)? Die wahre Lieben hebt die legitimen Unterschiede nicht auf, aber sie führt sie zusammen in eine größere Einheit, die nicht von außen aufgestülpt wird, sondern von innen heraus kommt und – sagen wir – zum Gemeinsamen führt. Es ist das Geheimnis der Gemeinschaft – so wie Mann und Frau sich in der Gemeinschaft der Liebe und des Lebens vereinen, die Ehe heißt, so formt die Kirche diese Gemeinschaft der Liebe, die aus einem vielgestaltigen Reichtum der Gaben und der Traditionen besteht. Die Kirche von Rom dient diesem Ziel der Einheit der Liebe. Gemäß den Worten des Heiligen Ignatius von Antiochien hat sie „den Vorsitz in der Liebe“ (Ad Rom 1,1). Vor Euch, liebe Brüder und Schwestern, will ich heute neu meinen Petrusdienst Gott anvertrauen, ich bitte für diesen Dienst um das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes, damit er immer mehr die brüderliche Gemeinschaft unter allen Christen vorantreibe.

Das Thema der Liebe kommt vor allem in den beiden kurzen biblischen Lesungen der heutigen liturgischen Vesper vor. In der ersten ist die göttliche Liebe die Kraft, die das Leben des Saulus von Tarsus verwandelt und ihn zum Apostel der Völker macht. Paulus schreibt an die Christen von Korinth und bekennt, dass die Gnade Gottes in ihm dieses herausragende Ereignis seiner Bekehrung bewirkt habe. „Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15,10). Einerseits fühlt er die Last, der Ausbreitung der Botschaft Christi im Weg gestanden zu haben, gleichzeitig lebt er aber in der Freude, den Auferstandenen gesehen zu haben und von seinem Licht erleuchtet und verwandelt worden zu sein. Paulus hat eine so starke Erinnerung an dieses Ereignis, das seine Existenz verwandelt hat, das außerdem für die ganze Kirche so wichtig ist, dass in der Apostelgeschichte gleich dreimal darauf verwiesen wird. (vgl. Apg 9,3-9; 22,6-11; 26,12-18). Auf dem Weg nach Damaskus hörte Saulus den erschütternden Zuruf: „Warum verfolgst Du mich?“ Zur Erde gestürzt und völlig verstört, fragte er: „Wer bist du, Herr?“ und erhielt die Antwort, die seine Bekehrung auslöste: „Ich bin Jesus, den Du verfolgt hast“ (Apg 9,4-5). Paulus versteht in diesem Augenblick, was er später in seinen Schriften ausgedrückt hat: dass die Kirche ein Leib, und Christus das Haupt ist. So wurde aus dem Christenverfolger der Apostel der Völker.

Im Matthäusevangelium, von dem wir auch ein klein wenig gehört haben, ist die Liebe das Prinzip, das die Christen vereint und ihr gemeinsames Gebiet vom himmlischen Vater erhören lässt. Jesus sagt: „Allses, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten“ (Mt 18,19). Das Verb, das der Evangelis für „gemeinsam erbitten“ benutzt, ist synphōnēsōsin: ein Verweis auf eine „Symphonie“, einen Gleichklang der Herzen. Und dieser hat das Herz Gottes ergriffen. Die Eintracht im ausgesprochenen Gebet ist am Ende also wichtig, wenn es vom himmlischen Vater erhört werden soll. Das gemeinsame Flehen ist schon ein Schritt hin zur Einheit derer, die bitten. Das heißt natürlich nicht, dass die Antwort Gottes auf irgend eine Weise von unserer Frage abhängt. Wir wissen genau: Die Erfüllung des Wunsches nach Einheit hängt in erster Linie vom Willen Gottes ab, sein Plan und seine Großherzigkeit übersteigen die Verstehenskraft des Menschen und seine eigenen Forderungen und Erwartungen. Wir zählen auf die göttliche Güte wenn wir unser gemeinsames Gebet um Einheit intensivieren; es ist notwendig und besonders wirksam, wie Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Ut unum sint erinnert: „Der Vorrang auf dem ökumenischen Weg zur Einheit gebührt sicherliche dem gemeinsamen Gebet, der Verbundenheit all derer im Gebet, die sich um Christus selbst zusammenschließen“ (22).

Wenn wir diese Evangeliumsverse nun noch genauer anschauen, verstehen wir besser, weshalb der Vater die Bitten der christlichen Gemeinschaft positiv aufnimm: „Weil – sagt Jesus – wo zwei oder drei in meinem Namen versammlet sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Es ist die Gegenwart Christi, die das gemeinsame Gebet derer wirksam macht, die in seinem Namen versammelt sind. Wenn sich die Christen zum Beten versammeln, ist Jesus selbst mitten unter ihnen. Sie sind eins mit ihm, der der einzige Mittelr zwischen Gott und den Menschen ist. Die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils bezieht sich genau auf diesen Abschnitt des Evangeliums um eine der beiden Arten der Anwesenheit Christi auszudrücken: „Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die Kirche bete und singt, er, der versprochen hat: ‚Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen’ (Mt 18,20)“ (Sacrosanctum Concilium, 7).

Diesen Evangleliumsvers nach Matthäus kommentiert der Hl. Johannes Chrysostomos wenn er sagt: „Gibt es denn nicht einmal zwei oder drei, die sich in seinem Namen versammeln? Es gibt sie, antworte er, aber selten“ (Predigten über das Evangelium nach Matthäus, 60, 3).

Dieser Abend ruft eine immense Freude hervor, diese gewachsene und betende Gemeinde zu sehen, die sozusagen „symphonisch“ das Geschenk der Einheit erflehen. An alle und jeden einzelnen richte ich meinen herzlichene Gruß. Besonders grüße ich die Bürder der andern Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften dieser Stadt, vereint in der einen Taufe, die uns zu Gliedern des einen mystischen Leibes Christi macht.

Es sind gerade 40 Jahre vergangen – wir erinnern uns mit Freude daran –, dass genau in dieser Basilika Paul VI. am 5. Dezember 1965 das erste gemeinsame Gebet feierte und damit das II. Vatikanische Konzil feierlich beendete, in Konzelebration der Konzilsväter und in aktiver Mitfeier der Beobachter anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Darauf aufbauend hat der geliebte Johannes Paul II. die Tradition nachdrücklich verfolgt, hier die Gebetswoche zu beschließen. Ich bin sicher, dass diese beiden uns an diesem Abend vom Himmel herab zuschauen und sich mit unserem Gebet vereinen.

Unter allen, die sich hier versammelt haben, möchte ich ganz besonders die Delegierten der Kirchen und der Bischofskonferenzen begrüßen und ihnen danken. Gleiches gilt für die Delegierten der christlichen Gemeinschaften und ökumenischen Organisationen, die die dritte ökumenische Versammlung Europas starten, die im September 2007 in Sibiu, Rumänien zu dem Thema stattfindet: "Das Licht Christi erleuchte alle, Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa". Ja -liebe Brüder und Schwestern, - wir haben in Europa und unter allen Völkern die AufgabeLicht der Welt zu sein. Gott möge es uns gewähren, dass wir bald die ersehnte volle Einheit erlangen. Die Wiederherstellung unserer Einheit wird der Evangelisierung neue Wirksamkeit geben. Einheit ist unsere gemeinsame Mission, ist Voraussetzung, damit das Licht Christi sich wirksamer in jedem Winkel der Welt ausbreiten kann und die Menschen sich bekehren und gerettet werden. Wieviel Weg liegt noch vor uns! Dennoch: verlieren wir das Vertrauen nicht, sondern nehmen wir mit mehr Schwung den gemeinsamen Weg wieder auf. Christus geht uns voran und begleitet uns. Wir rechnen mit seiner treuen Gegenwart. Von ihm erbitten wir demütig und unermüdlich das kostbare Geschenk der Einheit und des Friedens.

(rv 25.01.06 bp)







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