2006-01-25 11:50:28

Österreich: Caritas-Chef Küberl zur Enzyklika


Neun Monate nach Amtsantritt legt Papst Benedikt XVI. heute seine erste Enzyklika vor: Deus Caritas est. Benedikts Lehrschreiben handelt nicht von Ökumene, nicht von interreligiösem Dialog, nicht von einem anderen der Schwerpunkte, die sich für das Pontifikat abgezeichnet hatten. Sondern sie handelt von Caritas. Frage an Österreichs Caritas-Präsidenten Franz Küberl: Überrascht Sie das?

"Mich freut es. Weil der Papst klar formuliert: Die Liebe Gottes zu den Menschen ist ungeteilt. Und aus dieser Liebe gibt es sehr klare Konsequenzen für jene Menschen, die das Bodenpersonal des Hergotts sind. Und es wird auch klar - und das freut mich auch für das Pontifikatsverständnis von Benedikt, dass er ein Bild von einer Welt hat, das so ist, dass diese Welt von der Liebe durchtränkt sein soll. Und Liebe hat immer mit Gerechtigkeit zu tun."

In anderen Teilen der Welt treten die Oberhirten teils sehr beherzt gegen gesellschaftliche Missstände auf. Wünschen Sie sich von Europas Bischöfen mehr Einsatz für soziale Gerechtigkeit?

"Ich denke, es wäre wichtig, dass die Oberhirten in Europa und mit ihnen die ihnen anvertrauten Katholiken sich mehr in das einüben, dass soziale Gerechtigkeit etwas ist, das tagtäglich zu erringen ist. Aber gleichzeitig heißt soziale Gerechtigkeit auch, dass wir einen Blick für eine Zukunft der Gesellschaft haben, in der diese soziale Gerechtigkeit so gestaltet ist, dass ALLE Menschen das Gefühl haben, geliebt zu sein und mit in der Mitte dieser Gesellschaft zu sein."

Wer Caritas betreibt, aber dabei ohne Liebe zum Nächsten ist, verliert auch die Liebe zu Gott, schreibt Benedikt im ersten Teil der Enzyklika. Wie sehen Sie als Praktiker der christlichen Nächstenliebe diese Aussage?

"Da ist eine Wurzel angesprochen, von der abhängt, ob man genug Halt im Leben hat. Der entscheidende Punkt ist, dass ich in der Lage bin, bei jedem Menschen - egal ob er ein Obdachloser, ein Flüchtling oder ein Parlamentspräsident ist - in der Lage bin, das was ihn ausmacht, das was er kann, das war ihm Gott an Charismen, an Fähigkeiten gegeben hat, klar zu erkennen. Zu erkennen, dass der Herrgott sich in diesen Menschen eingeprägt hat. Und dass es darum geht, diese Skizze wachzukriegen. Ich glaube, ohne dass man einen Menschen mag, kann man ihm auch nicht helfen. Und ich glaube auch umgekehrt, ohne dass ein Mensch gemocht wird, lässt er sich auch nicht helfen."

Tut die Kirche genug für Gerechtigkeit, tut sie genug an materieller Nächstenliebe?

"Nein - die Kirche kann nicht genug tun, um die Nächstenliebe auch als Gemeinschaft aufzunehmen und klar umzusetzen. Denken Sie daran, dass wir in den reichen Teilen der Welt enorm viel Armut haben. Und das ist wohl auch eine Frage der Liebe, ob ich die Menschen mag, um die es hier geht, die sehr stark an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind. Und wenn wir an den Süden der Welt denken, dass 850 Menschen hungern und entsetzlich leiden, dann kann das nicht der Ausdruck von Liebe sein zu sagen: das ist eben so. Ich glaube, das was die Enzyklika und was Benedikt will, schon ein klarer Aufruf ist; krempelt die Ärmel auf. Zeigt, dass ihr die Menschen wirklich mögt - aber das müsst ihr auch im Tun zeigen."

Kirchenferne respektieren oft den sozialen Einsatz der Kirche, selbst wenn sie wenig mit den katholischen Glaubenssätzen anfangen können. Sehen Sie in der Tatsache, dass Benedikt seine Antrittsenzyklika dem katholischen Wohlfahrtswesen widmet, einen Versuch des Papstes, wieder mehr Leute ins Boot zu holen?

"Ich kann aus der Erfahrung als Caritas-Verantwortlicher nur sagen, dass die Caritas zum einen selbst Kern von Kirche ist - sie ist aber gleichzeitig auch Vorhof von Kirche. Wo Menschen sich in bester Weise nähern können und das Gespür kriegen können, wie man - eben weil es darum geht, Menschen beizustehen - zusammenarbeitet. Und die Caritas ist ganz offen gestanden sehr oft auch der letzte seidene Faden, der manche bei der Kirche hält. Zusteigen oder noch nicht aussteigen. Alles gehört dazu, dass die Chance da ist, um die es wirklich geht: Die Botschaft, dass jeder Mensch ein von Gott geliebter Mensch ist und daher das Recht hat, von den anderen Menschen geliebt hat, umgesetzt werden kann."
(rv 25.01.06 gs)








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