2006-01-13 14:22:38

Haiti: Anarchie, Gewalt und Armut in der Karibik


Vergangenen Sonntag sollten die Haitianer einen neuen Präsidenten wählen, doch bereits zum fünften Mal haben die Behörden den Wahltermin verschoben. Übergangsregierungschef Gérard Latortue soll im Februar seinen Stuhl räumen. Das allein wird jedoch nichts an der katastrophalen Lage des Karibikstaats ändern. Die Infrastruktur ist völlig zerstört, sagt Jean Paul Muller, Leiter der internationalen Koordinierungsstelle der Salesianer Don Boscos in Bonn. Laut offiziellen Berichten heißt es, man kann die Wahlzettel den Menschen nicht zustellen. Doch das ist eine Farce, so Müller:

"Es ist tatsächlich so: Es gibt ja gar keine Post, es gibt keine Briefträger mehr. Das sagt man aber nicht. Es gibt ein einziges Chaos in diesem Land und keine Strukturen mehr. Und das ist der eigentliche Grund. Man fürchtet weitere Unruhen, weil ganz viele junge Leute mittlerweile sehr gut mit Waffen versorgt sind und diese auch überall benutzen. Niemand weiß mehr genau, wer hat das Sagen, wer hat das Recht. Polizisten haben überhaupt keine Möglichkeit mehr, weil die Gangs wesentlich besser bewaffnet sind. Dahinter steckt aber auch eine Perspektivlosigkeit des Übergangspräsidenten, der sich zurückgezogen hat und bei jeder Gelegenheit betont, dass er an sich ja nicht mehr Präsident sein will."

Anarchie und Gewalt sind eine Ursache für dieses Chaos, extreme Armut eine andere.

"Ich habe kaum ein Land gesehen, wo Menschen in so ärmlichen Zuständen leben müssen, wo kein fließendes Wasser mehr da ist. Bei diesen vielen Regenfällen staut sich das Wasser auf dem Lehmboden, und die Menschen sitzen tatsächlich im Schmuddelwasser auf dem dreckigen Boden. Sie haben auch nur das nötigste zum Essen. Es gibt viele, die ihre Kinder uns Touristen anbieten, nach dem Motto 'Nimm mein Kind und gib mir etwas zu essen'."

Erst im Juli vergangen Jahres war die Zahl der Blauhelm-Soldaten in der Hauptstadt Port-au-Prince aufgestockt worden. Doch die öffentliche Sicherheit sei dadurch nicht besser geworden. Im Gegenteil, die Zahlen von Überfällen, Morden an Zivilisten und Entführungen steigen.

"Ich will nicht sagen, dass es ein Sport geworden ist, aber es ist eine Möglichkeit für diese Gangs Geld zu bekommen. Zum Teil sind sie sehr unrealistisch. Sie haben jetzt zum Beispiel einen Salesianerpater entführt, einen Mann der leitet ein Straßenkinderzentrum. In diesem Zentrum bekommen jeden Tag Tausend Kinder eine warme Mahlzeit. Sie entführen den Pater im Glauben, wenn er so viel Geld hat, um jeden Tag die Mahlzeiten herauszugeben, dann können wir auch viel Geld erpressen. Die Gangs forderten zwei Millionen...Auf diesem Weg versuchen sie an Geld zu bekommen, um Waffen oder Drogen zu kaufen."

(rv/domradio 13.01.06 bp)







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