Israel: "Nicht so tun, als wäre Sharon der große Friedensbringer"
Der Gesundheitszustand
von Ariel Sharon ist immer noch sehr ernst. Seit Mittwochabend liegt der 77jährige
im Krankenhaus. Die Ärzte schließen eine Rückkehr Sharons in die Politik bereits jetzt
aus. Wie es jetzt mit dem Friedensprozess weitergeht, dazu hat Alexandra Barone Joachim
Schroedel befragt. Der Nahostexperte ist katholischer Pfarrer in Kairo und hat lange
in Israel gelebt.
"Ministerpräsident Sharon ist nicht der Friedensbringer.
Sharon ist derjenige, der die Mauern gebaut hat, der zwar jetzt in den letzten Monaten
den Gaza-Streifen geräumt hat, aber der Israelis aus dem Gaza-Streifen in neuen Siedlungen
in Palästina angesiedelt hat. Und ich glaube, dass ein eventueller Nachfolger hier
auch keine sehr starken Friedenssignale setzen wird. Ich denke vielmehr, dass das,
was der Noch-Ministerpräsident geschafft hat - Ariel Sharon - ein gutes Bild gemacht
hat von Israel in der Welt als friedenswilliger Mann. Aber wenn man genauer hinschaut,
sieht man, dass durchaus noch sehr vieles im Argen liegt. Sharon selbst hat vor einigen
Jahren die zweite Intifada provoziert. Man kann jetzt nicht so tun, als sei dieser
Mann plötzlich der große Friedensbringer, ohne den wir im Nahen Osten nicht mehr auskämen."
Was
denken die Israelis selbst über die Zukunft in ihrem Land?
"In Israel ist man
etwa auf 50 - 50 tariert, dass heißt die Hälfte der Israelis möchten einen Prozess
des Friedens, nach dem Motto "Shalom - Peace now", und sind auch zu Landrückgaben
bereit. Die andere Hälfte aber - und da kommen sehr viele aus dem Ausland – setzt
stark auf Konfrontation. Diese Gruppe wird sicherlich die Fortsetzung des Mauerbaus
und der Siedlungspolitik befürworten. Das heißt, wahrscheinlich gehen wir wieder auf
eine gewisse Patt-Situation zu - wer immer dann an der Spitze der Regierung steht.
Wer kommt Ihrer Meinung nach als Nachfolger in Frage und was würde sich ändern?
"Wenn
etwa Ehut Olmert von Sharons neuer Partei als der Kandidat für den Ministerpräsidenten
aufgestellt würde, dann würde der rechte Flügel eher gestärkt. Ehut Olmert hat in
den letzten Jahren bewiesen, dass er ein „starker Falke“ ist, der möchte, dass Israel
sein Territorium eher noch ausbaut. Wir müssen uns klar machen, Israel ist in der
Tat in seinem Territorium sehr beschränkt, und im israelischen Denken wäre jeder Quadratmeter
ganz gut. Wir haben immerhin jetzt etwa 18 Prozent des palästinensischen Landes auch
schon wieder unter israelischer Kontrolle."
Die Palästinenserfrage ist also
mehr denn je aktuell. Welche Perspektive sehen Sie für den Friedensprozess?
"Ich
sehe der ganzen Situation nicht sehr optimistisch entgegen. Auch mit Sharon wäre das
noch ein sehr langwieriger Prozess. Ich denke, es wird erst einmal wieder eine Hängepartie
werden. Wir müssen die Wahlen in Palästina in drei Wochen abwarten und danach wahrscheinlich
die Wahlen in Israel selbst." (rv 08.01.06 ab)