Rund 50.000 Jugendliche aus aller Welt haben das 28. Europäische Taize-Treffen in
Mailand im Gedenken an den ermordeten Frere Roger Schutz begonnen. Der tragische Tod
des Gründers der internationalen ökumenischen Bruedergemeinschaft bleibe ein Geheimnis
und eine schwere Prüfung, sagte Rogers Nachfolger Frère Alois, gestern abend.
Der
für seine ökumenische Initiative weltweit geachtete Frère Roger war am 16. August
von einer geistig verwirrten Frau erstochen worden. Diese Ermordung kurz vor Beginn
des Weltjugendtags hatte für große Bestürzung unter Jugendlichen wie Kirchenvertretern
gesorgt. Am Tag nach der Ermordung des Bruders im weißen Gewand hatte Papst Benedikt
XVI. bei seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz gesagt: "Diese Nachricht betrübt
mich umso mehr, als ich gerade gestern einen sehr ergreifenden und freundschaftlichen
Brief von Frère Roger erhalten habe. Er schreibt darin, daß er mir von ganzem Herzen
mitteilen möchte: 'Wir stehen mit Ihnen und mit all denen, die jetzt in Köln versammelt
sind, in Gemeinschaft'. Dann schreibt er weiter, daß er aufgrund seines Gesundheitszustandes
leider nicht persönlich nach Köln kommen könne, er sei jedoch mit seinen Brüdern spirituell
anwesend. Schließlich schreibt er mir in diesem Brief, daß er den Wunsch habe, möglichst
bald nach Rom zu kommen, um mir einen Besuch abzustatten und um mir mitzuteilen, daß
'unsere Gemeinschaft von Taizé gemeinsam mit dem Heiligen Vater vorangehen möchte'." In
Mailand rief nun Frère Rogers Nachfolger, der Deutsche Frère Alois, die Jugendlichen
auf, nach dem Vorbild Rogers in tiefem Vertrauen auf Gott zu leben. Selbst wenn die
Welt von Gewalt und Konflikten zerrissen sei, mache Gott das unerklärbare Leid erträglich.
Dieser Glaube habe auch die Brüdergemeinschaft in ihrer Trauer um den im Alter von
90 Jahren erstochenen Taize-Gründer geleitet. Nach 1998 findet das Europäische Taize-Treffen
zum zweiten Mal in Mailand statt. Die Teilnehmer sind bis zum Neujahrstag in
insgesamt 400 Pfarrgemeinden untergebracht. Nach den 22.000 italienischen Jugendlichen
seien die Polen mit 11.000 angereisten Gläubigen die zweitstärkste Ländergruppe, so
die Veranstalter. Etwa ein Drittel der Teilnehmer stamme aus Osteuropa. Aus dem deutschen
Sprachraum kamen rund 1.800 Jugendliche nach Italien.
Viele Vertreter
von Kirchen und internationalen Organisationen haben sich in Grußworten an die in
Mailand versammelten Jugendlichen gewandt. Papst Benedikt XVI. schrieb: "Mögen das
Beispiel des Gründers von Taizé und das unermüdliche Zeugnis Papst Johannes-Pauls
II. für Dialog und Frieden unter den Menschen euch ermutigen, eurerseits Friedensstifter
zu sein! In einer Welt, die durch zahlreiche Spannungsherde geschwächt ist und in
unseren entwickelten Gesellschaften, in denen neue Formen von Gewalt auftauchen, die
insbesondere die Jugendlichen in Mitleidenschaft ziehen, lädt der Papst euch ein,
in der Einfachheit und in der Freude Zeugnis abzulegen vom Geist des Friedens, der
in uns wohnt, dank der Gabe, zu der sich der Herr Jesus Christus aus Liebe zu allen
ein für allemal am Kreuz gemacht hat."
Kofi Annan, der Generalsekretär der
Vereinten Nationen, schreibt seinerseits: "Diese neuerliche Etappe auf dem „Pilgerweg
des Vertrauens auf der Erde“ gibt Gelegenheit, den Glauben zu feiern, der euch vereint,
und euren Einsatz in der Gesellschaft zu bedenken. Denkt daran: Gleich aus welchem
Land ihr kommt, groß oder klein, arm oder reich, ihr habt alle eine Rolle zu spielen
im Kampf für eine gerechtere und friedlichere Welt."
Patriarch Bartolomaios
von Konstantinopel unterstrich: "Die Versammlung junger europäischer Christen verschiedener
Konfessionen ist eine große Hoffnung für unseren gesamten alten Erdteil, der dabei
ist, seine christlichen Wurzeln aufzugeben und sich dem Materialismus auszuliefern.
Als Christen müssen wir unsere Gesinnung in die Gesinnung Christi verwandeln, und
so als jeder einzelne umgeformt werden zu lebenden Evangelien, indem wir die authentische
evangelische Wahrheit durch unsere verantwortliche Lebensweise und unsere Aufopferung
verkünden." Der russische Patriarch Alexij II. von Moskau seinerseits schrieb: "Es
ist bedeutsam, daß das Thema des Treffens so tiefe christliche Begriffe wie Frieden,
Liebe und Trost anspricht. Diese Tugenden sind so wichtig, wenn Anonymität, Haß und
Gewalt zur Gewohnheit geworden zu sein scheinen. Vor kurzem wurden wir Augenzeugen
aufflammender Gewalt in Ländern, die als reich und aufstrebend angesehen werden. Dies
gibt uns zu denken, daß in der Welt von Heute sich niemand gänzlich in Sicherheit
wiegen kann. Auch materielle Güter und bewaffnete Macht, auf die 'diese Welt' so sehr
zählt, können den Menschen nicht beschützen."
Rowan Williams, der Erzbischof
von Canterbury, betonte: "Wenigen Menschen einer Generation gelingt es, das Klima
einer religiösen Kultur von Grund auf zu verwandeln. Genau das aber hat Frère Roger
getan. Er hat den Bezugsrahmen der Ökumene verändert, indem er Christen verschiedener
Zugehörigkeiten vor die Herausforderung stellte, gemeinsam ein monastisches Leben
zu führen. Er hat für unzählige Jugendliche das Bild des gesamten Christentums verändert.
Er hat die Auffassung verändert, die die Christen von der Versöhnung hatten; sie wurde
zu einer absoluten Priorität, zunächst im Europa der Nachkriegszeit und dann überall
auf der Welt." (rv/kna 29. 12. 05 lw)