2005-12-25 14:59:27

Vatikan: Zum ersten Mal Urbi et Orbi


"Erwache, o Mensch; denn für dich ist Gott Mensch geworden!" Das hat Papst Benedikt XVI. heute Mittag den Gläubigen auf dem Petersplatz und den Menschen in der ganzen Welt zugerufen. In seiner ersten Weihnachtsbotschaft forderte der Papst zum Kampf gegen Terrorismus, Armut, Wettrüsten, Epidemien und Umweltverschmutzung auf.


Es war das erste Mal, dass Benedikt XVI. seine Botschaft zu Weihnachten an die ganze Welt richtete. Von der Mittelloggia des Petersdomes aus, just von dem Ort aus, wo er vor acht Monaten sich zum ersten Mal als Papst den Menschen zeigte, unterstrich er die Bedeutung des Weihnachtsfest. Auch für uns Menschen des dritten Jahrtausends sei dieses Fest die Einladung, den Retter aufzunehmen.


"Möge die heutige Menschheit nicht zögern, ihn in ihre Häuser, in die Städte, die Nationen und in jeden Winkel der Erde eintreten zu lassen! Sicher, im Laufe des eben zu Ende gegangenen Jahrtausends, vor allem in den letzten Jahrhunderten, sind auf technischem und wissenschaftlichem Gebiet sehr viele Fortschritte gemacht worden, und wir können über umfangreiche materielle Möglichkeiten verfügen können. Der Mensch des technologischen Zeitalters ist jedoch in Gefahr, Opfer ebendieser Erfolge seiner Intelligenz und der Ergebnisse seiner Handlungsfähigkeit zu sein, wenn er sich auf eine geistliche Atrophie, auf eine Leere des Herzens zubewegt."


Darum, so der Papst weiter, sei es wichtig, daß er sich mit seinem Geist und seinem Herzen diesem Heilsereignis der Geburt Christi öffne, das imstande ist, dem Leben eines jeden Menschen neue Hoffnung zu geben.
 
"Erwache, o Mensch des dritten Jahrtausends! Zu Weihnachten wird der Allmächtige ein Kind und bittet um Hilfe und Schutz. Seine Art, Gott zu sein, versetzt unsere Art, Mensch zu sein, in Krise; sein Anklopfen an unsere Türen fragt uns an, richtet sich an unsere Freiheit und fordert uns auf, unser Verhältnis und unsere Einstellung zum Leben zu überdenken. Die Neuzeit wird häufig dargestellt als ein Erwachen der Vernunft aus dem Schlaf, als das Ans-Licht-Kommen der Menschheit, die aus dunkler Zeit emporsteigt. Ohne Christus reicht jedoch das Licht der Vernunft nicht aus, um den Menschen und die Welt zu erleuchten."

Der Papst erinnerte auch an das vor vierzig Jahren beendete Zweite Vatikanische Konzil. Und weiter appellierte er an den "modernen Menschen", der "erwachsen und doch zuweilen kraftlos im Denken und im Wollen" sei: "Lass dich vom Kind von Bethlehem an die Hand nehmen, fürchte dich nicht, vertraue ihm!"
Gottes Liebe, so Benedikt, lenke die Völker und erleuchte ihr gemeinsames Bewußtsein, eine "Familie" zu sein, die berufen ist, Beziehungen des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung aufzubauen.
 
"Die geeinte Menschheit wird die vielen und besorgniserregenden aktuellen Probleme in Angriff nehmen können: von der terroristischen Bedrohung bis zu den Bedingungen beschämender Armut, unter denen Millionen von Menschen leben, von der Rüstungszunahme bis zu den Pandemien und der Umweltverschmutzung, die die Zukunft unseres Planeten bedroht."


Und dann sprach der Papst direkt die Unruheherde und Krisengebiete der Erde an:
 
"Gott, der aus Liebe zum Menschen selbst Mensch geworden ist, stärke alle, die in Afrika für den Frieden und die vollständige Entwicklung arbeiten, indem sie Bruderkriege zu unterbinden suchen, damit sich die augenblicklich noch anfälligen politischen Übergangssituationen konsolidieren und die elementarsten Rechte derer gewahrt werden, die sich in tragischen humanitären Situationen befinden wie in Darfur und in anderen Regionen Zentralafrikas. Er bewege die Völker Lateinamerikas, in Frieden und Eintracht miteinander zu leben."


Gerade an Weihnachten, dem Fest der Geburt Christi in Betlehem, richtete sich der Gedanke des Papstes natürlich auch in jene Richtung der Welt:
 
"Den Menschen guten Willens, die im Heiligen Land, in Irak und im Libanon wirken, flöße er Mut ein; dort fehlen zwar die Zeichen der Hoffnung nicht, warten aber auf Bestätigung durch ein von Aufrichtigkeit und Weisheit bestimmtes Verhalten. Er fördere die Prozesse des Dialogs auf der koreanischen Halbinsel und andernorts in den asiatischen Ländern, damit nach Überwindung gefährlicher Uneinigkeiten in freundschaftlichem Geist die von den Bevölkerungen sehnlich erwarteten angemessenen Friedensschlüsse erreicht werden können."


An Weihnachten zeige sich die Botschaft der Liebe in einem Paradoxon: Der Schöpfer des Alls eingeschränkt in einem Neugeborenen.
 
"In der Nacht von Bethlehem wird der Erlöser einer von uns, um auf den verfänglichen Wegen der Geschichte unser Begleiter zu sein. Ergreifen wir die Hand, der er uns entgegenstreckt: Es ist eine Hand, die uns nichts nehmen, sondern nur schenken will."


Im Anschluss an seine Weihnachtsbotschaft sprach der Papst Weihnachtswünsche in 33 Sprachen der Erde. Das sind weniger als sein Vorgänger; Benedikt XVI. möchte die Sprachen, die diesmal wegfielen, bei anderen Gelegenheiten zum Tragen bringen und so unter Umständen mehr Sprachen als bisher verwenden. Etwas enttäuschte Gesichter sah man bei den Vertretern der Kunstsprache Esperanto, die mit Transparenten auf dem Petersplatz aufgetaucht waren, in deren Sprache der Papst aber keine Grüße sagte.


In seiner Muttersprache, auf deutsch, sagte Benedikt XVI.:


"Die Geburt Jesu Christi, des Erlösers der Menschen, erfülle Euer Leben mit tiefer Freude und reicher Gnade; sein Friede möge in Euren Herzen wohnen. Gesegnete und frohe Weihnachten!"


Und schließlich spendete Benedikt XVI. zum ersten Mal nach dem Tag seiner Wahl den Segen Urbi et Orbi - "der Stadt und dem Erdkreis".


(rv 25. 12. 05 lw)







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