"Erwache, o Mensch; denn für dich ist Gott Mensch geworden!" Das hat Papst Benedikt
XVI. heute Mittag den Gläubigen auf dem Petersplatz und den Menschen in der ganzen
Welt zugerufen. In seiner ersten Weihnachtsbotschaft forderte der Papst zum Kampf
gegen Terrorismus, Armut, Wettrüsten, Epidemien und Umweltverschmutzung auf.
Es
war das erste Mal, dass Benedikt XVI. seine Botschaft zu Weihnachten an die ganze
Welt richtete. Von der Mittelloggia des Petersdomes aus, just von dem Ort aus, wo
er vor acht Monaten sich zum ersten Mal als Papst den Menschen zeigte, unterstrich
er die Bedeutung des Weihnachtsfest. Auch für uns Menschen des dritten Jahrtausends
sei dieses Fest die Einladung, den Retter aufzunehmen.
"Möge die heutige
Menschheit nicht zögern, ihn in ihre Häuser, in die Städte, die Nationen und in jeden
Winkel der Erde eintreten zu lassen! Sicher, im Laufe des eben zu Ende gegangenen
Jahrtausends, vor allem in den letzten Jahrhunderten, sind auf technischem und wissenschaftlichem
Gebiet sehr viele Fortschritte gemacht worden, und wir können über umfangreiche materielle
Möglichkeiten verfügen können. Der Mensch des technologischen Zeitalters ist jedoch
in Gefahr, Opfer ebendieser Erfolge seiner Intelligenz und der Ergebnisse seiner Handlungsfähigkeit
zu sein, wenn er sich auf eine geistliche Atrophie, auf eine Leere des Herzens zubewegt."
Darum,
so der Papst weiter, sei es wichtig, daß er sich mit seinem Geist und seinem Herzen
diesem Heilsereignis der Geburt Christi öffne, das imstande ist, dem Leben eines jeden
Menschen neue Hoffnung zu geben. "Erwache, o Mensch des dritten
Jahrtausends! Zu Weihnachten wird der Allmächtige ein Kind und bittet um Hilfe und
Schutz. Seine Art, Gott zu sein, versetzt unsere Art, Mensch zu sein, in Krise; sein
Anklopfen an unsere Türen fragt uns an, richtet sich an unsere Freiheit und fordert
uns auf, unser Verhältnis und unsere Einstellung zum Leben zu überdenken. Die Neuzeit
wird häufig dargestellt als ein Erwachen der Vernunft aus dem Schlaf, als das Ans-Licht-Kommen
der Menschheit, die aus dunkler Zeit emporsteigt. Ohne Christus reicht jedoch das
Licht der Vernunft nicht aus, um den Menschen und die Welt zu erleuchten."
Der
Papst erinnerte auch an das vor vierzig Jahren beendete Zweite Vatikanische Konzil.
Und weiter appellierte er an den "modernen Menschen", der "erwachsen und doch zuweilen
kraftlos im Denken und im Wollen" sei: "Lass dich vom Kind von Bethlehem an die Hand
nehmen, fürchte dich nicht, vertraue ihm!" Gottes Liebe, so Benedikt, lenke die
Völker und erleuchte ihr gemeinsames Bewußtsein, eine "Familie" zu sein, die berufen
ist, Beziehungen des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung aufzubauen. "Die
geeinte Menschheit wird die vielen und besorgniserregenden aktuellen Probleme in Angriff
nehmen können: von der terroristischen Bedrohung bis zu den Bedingungen beschämender
Armut, unter denen Millionen von Menschen leben, von der Rüstungszunahme bis zu den
Pandemien und der Umweltverschmutzung, die die Zukunft unseres Planeten bedroht."
Und
dann sprach der Papst direkt die Unruheherde und Krisengebiete der Erde an: "Gott,
der aus Liebe zum Menschen selbst Mensch geworden ist, stärke alle, die in Afrika
für den Frieden und die vollständige Entwicklung arbeiten, indem sie Bruderkriege
zu unterbinden suchen, damit sich die augenblicklich noch anfälligen politischen Übergangssituationen
konsolidieren und die elementarsten Rechte derer gewahrt werden, die sich in tragischen
humanitären Situationen befinden wie in Darfur und in anderen Regionen Zentralafrikas.
Er bewege die Völker Lateinamerikas, in Frieden und Eintracht miteinander zu leben."
Gerade
an Weihnachten, dem Fest der Geburt Christi in Betlehem, richtete sich der Gedanke
des Papstes natürlich auch in jene Richtung der Welt: "Den Menschen
guten Willens, die im Heiligen Land, in Irak und im Libanon wirken, flöße er Mut ein;
dort fehlen zwar die Zeichen der Hoffnung nicht, warten aber auf Bestätigung durch
ein von Aufrichtigkeit und Weisheit bestimmtes Verhalten. Er fördere die Prozesse
des Dialogs auf der koreanischen Halbinsel und andernorts in den asiatischen Ländern,
damit nach Überwindung gefährlicher Uneinigkeiten in freundschaftlichem Geist die
von den Bevölkerungen sehnlich erwarteten angemessenen Friedensschlüsse erreicht werden
können."
An Weihnachten zeige sich die Botschaft der Liebe in einem
Paradoxon: Der Schöpfer des Alls eingeschränkt in einem Neugeborenen. "In
der Nacht von Bethlehem wird der Erlöser einer von uns, um auf den verfänglichen Wegen
der Geschichte unser Begleiter zu sein. Ergreifen wir die Hand, der er uns entgegenstreckt:
Es ist eine Hand, die uns nichts nehmen, sondern nur schenken will."
Im
Anschluss an seine Weihnachtsbotschaft sprach der Papst Weihnachtswünsche in 33 Sprachen
der Erde. Das sind weniger als sein Vorgänger; Benedikt XVI. möchte die Sprachen,
die diesmal wegfielen, bei anderen Gelegenheiten zum Tragen bringen und so unter Umständen
mehr Sprachen als bisher verwenden. Etwas enttäuschte Gesichter sah man bei den Vertretern
der Kunstsprache Esperanto, die mit Transparenten auf dem Petersplatz aufgetaucht
waren, in deren Sprache der Papst aber keine Grüße sagte.
In seiner Muttersprache,
auf deutsch, sagte Benedikt XVI.:
"Die Geburt Jesu Christi, des Erlösers
der Menschen, erfülle Euer Leben mit tiefer Freude und reicher Gnade; sein Friede
möge in Euren Herzen wohnen. Gesegnete und frohe Weihnachten!"
Und
schließlich spendete Benedikt XVI. zum ersten Mal nach dem Tag seiner Wahl den Segen
Urbi et Orbi - "der Stadt und dem Erdkreis".