Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, hat neuerlich den von Israel
errichteten "Sicherheitszaun" im Westjordanland kritisiert und zum Frieden aufgerufen.
Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu, werde durch die Mauer zu einem "großen Gefängnis",
sagte der Patriarch heute bei seiner traditionellen Pressekonferenz zum bevorstehenden
Weihnachtsfest. Der Sperrwall wirke sich lähmend auf das wirtschaftliche und soziale
Leben der Stadt aus, sagte Sabbah. Bei der Konferenz stellte Sabbah auch seine diesjährige
Weihnachtsbotschaft vor. Dort heißt es: "Dies ist unsere Botschaft an all unsere Gläubigen,
an all unsere Brüder und Schwestern dieses Heiligen Landes, an alle Palästinenser
und alle Israelis: Gott hat euch geschaffen, nicht damit ihr euch fürchtet oder einander
tötet, sondern damit ihr einander liebt, dass ihr aufbaut und zusammen arbeitet."
Hier einige Kernsätze aus der Botschaft: "Den politisch Verantwortlichen, die mit
ihrer Politik über Leben und Tod so vieler in diesem Land entscheiden können, sagen
wir: Seid Baumeister des Lebens und nicht des Todes! Lernt nach so langer Zeit, dass
Zerstörung, Tod und Kampf keinen Frieden gebracht hat, sondern nur wieder Zerstörung,
Tod und nicht endenden Kampf. Es ist höchste Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen
und Entscheidungen zu treffen, die ein für allemal zu Frieden und Gerechtigkeit führen.
Alle Handlungsverzögerungen mit den verschiedenartigsten Ungerechtigkeiten, die Mauer,
die Tore, die Gefängnisse, die Morde, all das ist nur Futter für Gewalt. Wenn Ungerechtigkeit,
Gewalt und die Gründe die dazu führen aufhören, dann wird Sicherheit erreicht. Sicherheit
für die Israelis verlangt Freiheit und Unabhängigkeit für die Palästinenser – zwei
voneinander abhängige und unveräußerliche Wirklichkeiten. Halbe Sachen, halbe Freiheit
oder halbe Unabhängigkeit führen nirgendwo hin, außer wieder in einen endlosen Kreis
von Gewalt und Unsicherheit. Die gegenwärtige palästinenische Position, die gewaltlos
und friedlich all all die Rechte einfordert, zeigt dadurch, dass Frieden und Gerechtigkeit
möglich sind. Auch von israelischer Seite haben wir neue Zeichen gesehen und neues
Vokabular vernommen, was auf eine neue Sicht der Dinge und auf neue Entscheidungen
hinweist. Wir wissen, dass die Schwierigkeiten zahlreich sind. Ohne ernsten Willen
ist natürlich jede Schwierigkeit ein unüberwindliches Hindernis. Ein ernster Wille
jedoch wird die Schwierigkeiten mindern und eine entsprechende Lösung finden. Gebt
beiden Völkern, was sie verlangen: Leben, Sicherheit und Würde. Regieren heißt nicht,
die Gelegenheit auszunutzen, um einen wichtigen Platz einzunehmen oder Profit zu machen.
Man muß dem vielfältigen Leiden, das schon viel zu lange dieses Land knechtet, umgehend
ein Ende machen. Wir hoffen, dass unsere Führer diesmal ihre Zeit und Energie so einsetzen,
dass das, was seit langer Zeit schon hätte erreicht sein müssen, jetzt endlich erreicht
wird: Friede und Gerechtigkeit, die beiden Völkern ermöglicht, in Ruhe und guten Nachbarschaft,
Seite an Seite, leben zu können. (rv 21. 12. 05 lw)