Afghanistan: Parlament tagt erstmals seit 30 Jahren
Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren hat gestern das afghanische Parlament getagt.
Die am 18. September gewählten Abgeordneten leisteten bei der Eröffnungssitzung einen
Schwur auf die Verfassung. Präsident Hamid Karzai sprach von einem "wichtigen Schritt
auf dem Weg zur Demokratie". Außerdem zeige die Sitzung, dass Afghanistan wieder
vereint sei. - Fulvio Scaglione ist Vize-Direktor der katholischen Zeitschrift "Famiglia
Cristiana" - und hat mehrfach aus Afghanistan berichtet. Er sagt: "Es ist wohl
unvermeidlich, dass unter den Abgeordneten auch die ehemaligen Kriegsherren sind -
das ist nicht anders als im Irak auch. Denn der Krieg kam von außen und hat natürlich
die tief verwurzelten Strukturen des Landes nicht verändert. Die Kriegsherren sind
eine Realität in Afghanistan . Auf gewisse Weise kommt auch Karzai selbst aus diesem
Milieu. Man muss also mit dieser Wirklichkeit umgehen und sie in Richtung Demokratie
lenken. Außerdem muss man auch sagen, dass diese Kriegsherren natürlich und gerade
vom letzten Krieg profitiert haben." Die Präsenz ausländischer Friedenstruppen
ist heute gut und wichtig, sagt der Experte. Aber: "Es gibt interne Mechanismen,
die davon kaum berührt werden. Und es sind ausgerechnet diese Mechanismen, die das
Land über Wasser halten. Die enormen Gelder, die mit dem Mohnanbau zur
Opium-Herstellung verdient werden, zirkulieren dann ja im Land. Auf der anderen Seite
verhindern sie die Entwickung einer regulären Wirtschaft - denn mit diesen Geldern
aus dem Opiumgeschäft werden ja nicht nur Waffen gekauft, sondern auch politischer
Einfluss." (rv 20.12.05 hr)