Zwei Dinge gab es heute Vormittag zu feiern in der Petersbasilika: Das heutige Hochfest
der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria und den 40. Jahrestag
des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils. Kleine Bienen zierten das weiße
Messgewand, das Papst Benedikt XVI. für diese Eucharistiefeier angelegt hatte. In
seiner Predigt erinnerte der Papst an das Zweite Vatikanische Konzil, das er selbst
miterlebt hatte: "In meinem Gedächtnis bleibt der Moment unauslöschlich, in
dem sich die Konzilsväter, als sie die Worte von Papst Paul VI. hörten: "Mariam Sanctissimam
declaramus Matrem Ecclesiae" - "Wir erklären die heilige Maria zur Mutter der Kirche",
sich spontan von ihren Sitzen erhoben und stehend applaudierten und so der Gottesmutter,
unserer Mutter, der Mutter der Kirche die Ehre erwiesen. Mit diesem Titel fasste der
Papst die marianische Lehre des Konzils zusammen und gab den Schlüssel für deren Verständnis.
Maria steht nicht nur in einer einzigartigen Beziehung zu Christus, dem Menschensohn,
der ihr Sohn werden wollte. Indem sie vollkommen mit Christus verbunden ist, gehört
sie auch vollkommen zu uns." Das Konzil habe sagen wollen: Maria ist so in
das große Geheimnis der Kirche eingewoben, dass die Kirche und sie so wenig von einander
zu trennen seien wie Christus und sie. Mit der Geschichte vom Sündenfall aus dem Buch
Genesis, der am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis vorgetragen wird, sei nicht nur
eine Geschichte vom Anfang der Menschheit, sondern eine von "allen Tagen". Sie verdeutliche, "dass
wir alle in uns einen Tropfen von jener Art zu denken in uns tragen, der im Bild aus
dem Buch Genesis gezeigt wird. Diesen Giftstropfen nennen wir Erbsünde. Am Fest der
Unbefleckten Empfängnis taucht vor unseren Augen jener Verdacht auf, eine Person,
die nicht sündige, sei im letzten langweilig; dass etwas in ihrem Leben fehlt; die
dramatische Dimension, autonom zu sein; dass die Freiheit nein zu sagen Teil unseres
Menschseins sei, das Hinabsteigen in die Dunkelheiten der Sünde und das Selber Machen
Wollen. Dass man nur dann die Breite und Tiefe unseres Menschseins, des wahren Wir-Selbst-Seins,
voll ausnützen kann; dass wir diese Freiheit auch gegen Gott auf die Probe stellen
müssen, um wir selbst zu sein." Mit einem Wort, so fuhr der Papst fort, meinten
wir: Dass das Böse im Tiefsten doch gut sei: "Wir denken, dass Mephistopheles
- der Versucher - Recht hat, wenn er sagt, dass es die Kraft sei, die 'stets
das Böse will und stets das Gute schafft'." Beim Blick in einen selbst, so
Benedikt,könne man aber sehen, dass dem eben nicht so sei, sondern dass das Böse den
Menschen nicht erhöht, sondern ihn vielmehr erniedrigt und demütigt: "Das müssen
wir vor allem am Tag der Immaculata lernen: Der Mensch, der sich vollkommen in die
Hände des Herrn übergibt, wird keine Marionette Gottes, keine langweilige, angepasste
Person; er verliert seine Freiheit nicht. Nur der Mensch, der sich ganz Gott anvertraut,
findet die wahre Freiheit, die große und schöpferische Breite der Freiheit des Guten.
Je näher der Mensch an Gott ist, desto näher ist er den Menschen." Beim Angelusgebet
nach der Eucharistiefeier erinnerte er daran, dass Papst Paul VI. nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil dessen Umsetzung Maria in die Hände gelegt habe. In der Eucharistiefeier
am Vormittag habe er Gott für das "Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils danken"
wollen: "Ich wollte auch die heilige Maria loben, dass sie diese vierzig Jahre
des kirchlichen Lebens begleitet hat, die so reich an vielen Ereignissen waren. In
besonderer Weise hat sie mit mütterlichem Schutz über den Pontifikaten meiner verehrten
Vorgänger gewacht hat. Jeder von ihnen hat mit einer großen pastoralen Weisheit, das
Schiff Petri auf dem Weg der authentischen konzilsmäßen Erneuerung geführt und damit
unermüdlich für die treue Interpretation und Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils
gearbeitet." Auf deutsch sagte er schließlich: "Herzlich grüße ich alle
Pilger deutscher Sprache. Mit der ganzen Kirche schauen wir heute auf die Jungfrau
Maria, die Morgenröte unseres Heils. Gott hat die Mutter seines Sohnes vor jeder Schuld
und Sünde bewahrt. Vertraut euch jederzeit ihrer mütterlichen Fürsprache an. – Euch
allen einen gesegneten Festtag!" Papst Benedikt XVI. hat beim Angelus außerdem
die Olympische Flamme für die Turiner Winterspiele 2006 gesegnet. "Möge dieses Feuer
an die Werte des Friedens und der Brüderlichkeit erinnern, die die Grundlagen von
Olympia bilden", sagte er vor den Gläubigen auf dem Petersplatz. (rv 8. 12. 05
lw)