Die Vatikan-Instruktion über homosexuelle Priesteramtskandidaten hat für teils heftige
Reaktionen in Homosexuellen-Kreisen und weit darüber hinaus gesorgt. Ein Punkt, der
besonders viel Widerspruch provoziert, ist die in dem Dokument getroffene Feststellung,
dass Homosexuelle sich in einer Situation befinden, "die sie in schwerwiegender Weise
daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen“. Was das konkret
bedeutet, fragten wir P. Hans Zollner, der an der päpstlichen Universität Gregoriana
Psychologie lehrt:
„Aus der Psychologie, aber auch aus den Beratungen und
Begleitungen, die ich selber durchgeführt habe, geht hervor, dass sich bei sehr vielen
homosexuellen Männern, Ordensleuten und auch Priestern – ich habe vor allem mit Priesterkandidaten
zu tun – die Frage stellt: Wie kann ich mein äußeres Leben, meine Rolle als Priester
und Theologe, in Einklang bringen mit der Stellung der Kirche zum Thema Homosexualität?
Und bezogen auf die Frage nach den Beziehungen ist festzustellen, dass sehr viele
Homosexuelle in gleichgeschlechtlichen Zirkeln entweder sehr abhängig werden oder
sehr starke Konkurrenz, bisweilen sogar Rivalität entwickeln.“
Und gegenüber
Frauen?
„Gegenüber Frauen ist sehr oft eine Abwertung oder auf jeden Fall
eine Scheu vorhanden. Diese ist sehr oft darauf zurückzuführen, dass Männer mit homosexuellen
Neigungen sich besonders qualifizieren und sich beweisen müssen, weil sie eben auf
der Suche nach einer festen und stabilen Identität sind.“
Wie sieht das
konkret aus, wie verhält sich ein homosexueller Mann unter Männern?
„In
gleichgeschlechtlichen Gruppen kann man bei homosexuellen Männern sehr oft feststellen,
dass es um Phänomene wie Eifersucht und Klüngelei geht. Das ist für kirchliche Kreise
eine schwierige Frage, wenn homosexuelle Priester ihre jeweiligen Freunde, Bekannten
oder auch homosexuelle Partner nachziehen und so eine Seilschaft entstehen würde,
die nicht auf Qualifikation beruht, sondern darauf, dass eine gegenseitige Anziehung
präsent ist.“
Was raten Sie als Psychologe und Seelsorger einem jungen
Mann, der die Berufung zum Priester spürt, aber homosexuell ist? Soll er zuerst zu
versuchen, heterosexuell zu werden? Oder ist der junge Mann für das Priesteramt von
vorneherein verloren?
„Nein, ich glaube nicht, dass er verloren ist, wenn
er sich wirklich auf die Suche nach den Gründen macht, warum er sich so erlebt. Meines
Erachtens sind sehr viele Menschen, die sich als homosexuell erleben, nicht in diesem
Sinn ausschließlich tief verwurzelt homosexuell. Das Problem ist heute, dass durch
die gesellschaftliche Anerkennung der Homosexualität, die schon sehr weit gediehen
ist, viele glauben, Homosexualität sein eine völlig problemlose Variante der menschlichen
Sexualität. Ich glaube das tatsächlich nicht. Ich glaube, dass bei fast allen, jedenfalls
bei denen, mit denen ich gearbeitet habe oder die ich kennen gelernt habe, eine wesentliche
Frage an der Wurzel ihrer Suche nach sexueller Identität steht, nämlich: „Wie komme
ich in Einklang mit dem, wer ich bin?“ Und wenn ein junger Mann, der sich als homosexuell
empfindet, die Frage hat: „Will ich Priester werden?“, dann soll er sich eine gute
Begleitung suchen und soll auch auf diese Frage entsprechend eingehen. Das verlangt
einen hohen Grad an Ehrlichkeit, das verlangt einen hohen Grad an Mut, auch über mich
selber zu reden.“
Wir wissen alle von den grauenhaften Missbrauchsfällen
durch katholische Priester. Sie sind auf jeden Fall und kompromisslos zu verurteilen.
Aber ist denn aus psychologischer Sicht ein homosexueller Priester ein schlechter
Priester?
„Natürlich nicht. Ich kenne sehr viele homosexuelle Priester,
die heute einen guten Dienst tun. Aber ich kenne auch sehr viele homosexuelle Priester,
die ganz massive Schwierigkeiten haben in ihrer Identitätssuche für sich selber und
in der Weise, in der diese Identitätssuche Energie und Zeit verschlingt, die sie eigentlich
dafür nutzen sollten, dass sie Menschen angemessen begleiten können auf ihrem Weg
zu Gott.“ (rv 01.12.05 gs)