Papst Benedikt XVI. hat heute die neu akreditierten Botschafter am Heiligen Stuhl
empfangen, die nicht in Rom residieren. Verschiedene Staaten, die mit dem Vatikan
diplomatische Beziehungen unterhalten, lassen sich beim Papst durch einen Botschafter
in einem anderen Land vertreten. Der Papst sprach zu den Botschaftern in französischer
Sprache, einem jeden einzelnen übergab er aber auch eine Ansprache für sein Land.
An den Botschafter Finnlands richtete er seine Worte in deutscher Sprache. Wir dokumentieren: Sehr
geehrter Herr Botschafter!
Mit Freude heiße ich Sie zu diesem feierlichen Anlaß
der Übergabe Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter
Botschafter der Republik Finnland beim Heiligen Stuhl willkommen und danke Ihnen für
Ihre freundlichen Worte. Gleichzeitig darf ich Sie bitten, der Staatspräsidentin der
Republik Finnland, Frau Tarja Halonen, meinen Dank für den Gruß zu übermitteln, den
Sie an mich gerichtet hat. Auch ich entbiete ihr und dem finnischen Volk meine besten
Segensgrüße.
Ich freue mich, sehr geehrter Herr Botschafter, über die guten
Beziehungen, die seit langem zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl bestehen.
Sie haben eine sicher noch ausbaufähige Zusammenarbeit auf internationaler Ebene ermöglicht,
die vielfältige Ziele wie den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte, die
Förderung einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung und das Bemühen um den Frieden
verfolgt. Ihr geschätztes Land, das auf seine Unabhängigkeit stolz ist, hat sich in
der Vergangenheit der Europäischen Union angenähert und gehört ihr nun schon seit
zehn Jahren als Vollmitglied an. So konnte es auch eine aktive und wertvolle Rolle
bei der Erweiterung der Union einnehmen, besonders im Blick auf die Aufnahme der baltischen
Staaten. Wie Sie wissen, hat der Heilige Stuhl diese Öffnung der Europäischen Union
in Richtung der osteuropäischen Staaten wohlwollend begleitet, da sie die im vergangenen
Jahrhundert willkürlich auferlegte Teilung Europas, die der wahren Identität des Kontinents
zuwiderlief, überwinden half. Heute gilt es diese wiedergefundene Einheit sorgfältig
zu bewahren und zu vertiefen. Sie darf sich nicht auf die Erschließung eines großen
gemeinsamen Wirtschaftsraums beschränken, sondern muß besonders darauf ausgerichtet
sein, daß das Projekt Europa aus seiner jahrtausendlangen Geschichte und aus seinen
kulturellen, philosophischen und religiösen Wurzeln beständig Kraft und Elan für seine
eigene Zukunft und für seinen Auftrag in der Welt schöpft.
Europa stellt in
unserer brüchigen und mit Gefahren belasteten Welt einen Lebensraum des Wohlstands
und der Sicherheit dar. Ebenso handelt es sich in wirtschaftlicher Hinsicht um einen
reichen Kontinent, der auch in Zukunft vor allem aus den benachteiligten Regionen
der südlichen Halbkugel viele ärmere Menschen anziehen wird. Die Europäische Union
kann zu Recht den Anspruch erheben, eine Vereinigung von demokratischen Staaten zu
sein, die sich in einer neuartigen Form miteinander verbunden haben. Das stellt für
andere Staatengruppen ein möglicherweise nachzuahmendes Modell dar, da es immer notwendiger
erscheint, die konstruktiven Kräfte zu vereinen, um den Anforderungen der Globalisierung
gerecht werden zu können. Finnland, das immer auf multilaterale internationale Beziehungen
bedacht war, kann in der Europäischen Union dazu beitragen, daß diese ihrer Verantwortung
in der weltweiten Familie der Nationen gerecht wird. Der Heilige Stuhl wird sich seinerseits
bei den Internationalen Organisationen und wo immer in der Welt Spannungen unter Völkern
und Staaten auftreten, für einen Weg des Dialogs einsetzen, um auf diese Weise an
der Lösung der Probleme mitzuarbeiten, die zwischen menschlichen Gruppen oder Staaten
auftreten. Ebenso kann nur eine echte Entwicklungspolitik, die auf gerechteren Beziehungen
zwischen den reichen und armen Ländern gründet, den zahlreichen allarmierenden Ungerechtigkeiten
Abhilfe schaffen, unter denen viele unserer Mitmenschen leiden und die sehr leicht
zum Nährboden für Gewalt und Terrorismus werden können.
Der interreligiöse
Dialog ist, wie ich zu Beginn meines Pontifikats entschieden in Erinnerung gerufen
habe, ein unumkehrbares Unterfangen für die Katholische Kirche, die „auf der Suche
nach dem wahren Gut jedes Menschen und der Gesellschaft fortfahren will, Brücken der
Freundschaft mit den Anhängern aller Religionen zu bauen“ (Ansprache an die Delegierten
der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und Vertreter verschiedener religiöser
Traditionen, vgl. OR vom 26. IV. 2005). Im Rahmen der Apostolischen Reise zum
XX. Weltjugendtag 2005 in Köln habe ich diesen Gedanken vor Vertretern des Islam erneut
aufgegriffen und vertieft: „Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen
Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich
ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zu einem großen Teil unsere Zukunft abhängt“
(Begegnung mit Vertretern muslimischer Gemeinden, OR dt. vom 2. IX. 2005).
Es ist von größter Wichtigkeit, daß sich alle Gläubigen bestimmt und klar dagegen
aussprechen, daß die Religion zu einem Vorwand für ein nicht zu rechtfertigendes gewalttätiges
Verhalten wird, das die Würde des Menschen verletzt und sich damit auch gegen den
Schöpfer allen Lebens richtet. Ich versichere Ihnen, sehr geehrter Herr Botschafter,
daß die Katholische Kirche ihrerseits keine Anstrengungen scheuen wird, um sich auf
allen Ebenen für den Frieden und für die Würde eines jeden Menschen einzusetzen, der
nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde.
Es freut mich, daß ich meinen Gruß
durch Sie auch an die katholischen Gläubigen in Finnland richten kann, die kürzlich
die 850-Jahr-Feier der Ankunft des Christentums in Ihrem Land durch die Evangelisierungstätigkeit
des heiligen Heinrich sowie auch den 50. Jahrestag der Gründung der katholischen Diözese
Helsinki begangen haben. Die wenig zahlreiche aber gut in die finnische Gesellschaft
integrierte katholische Gemeinschaft wird den ökumenischen Dialog zur Einheit mit
den Christen anderer Konfessionen fortsetzen und sich gleichfalls dem interreligiösen
Dialog zuwenden, der ein wichtiger Faktor für den Frieden in unseren modernen Gesellschaften
darstellt. Der Heilige Stuhl hat diesbezüglich mit Wohlgefallen die Promulgation eines
neuen Gesetzes zur Religionsfreiheit in Finnland zur Kenntnis genommen, das eine wahre
Religionsfreiheit garantiert, die den Religionen eine größere Autonomie und eine weiterreichende
rechtliche Gleichbehandlung, besonders im Bereich der Bildung, gewährt. Dadurch wird
der Beitrag gefördert, den jede von ihnen zum Gemeinwohl des gesamten Volkes leisten
kann. Darüber hinaus bin ich sicher, daß die Katholiken gemeinsam mit vielen anderen
Menschen guten Willens auch weiterhin Zeugnis ablegen für die Würde und Größe des
menschlichen Lebens, das von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden
muß. Durch ihr Verhalten und ihr Engagement wollen die Christen in Finnland auch den
Wert der Ehe und der Familie bezeugen, damit die ganze Gesellschaft darin die Grundzelle
jeder menschlichen Gemeinschaft erkennt, die bewahrt und unterstützt werden muß, um
auf diese Weise auch in Zukunft allen einen Weg zu einem glücklichen und erfüllenden
Leben zu eröffnen!
Sehr geehrter Herr Botschafter, zu Beginn Ihres ehrenvollen
Amtes wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Mission und versichere Ihnen zugleich das
Entgegenkommen und die Unterstützung meiner Mitarbeiter.
Ihnen, Herr Botschafter,
Ihrer Familie, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft und dem gesamten
finnischen Volk erbitte ich von Herzen Gottes beständigen Schutz und seinen reichen
Segen.