2005-11-07 12:25:13

Frankreich: Brennende Vorstädte, enttäuschte und gewaltbereite Jugendliche


Trotz der Ankündigung der französischen Regierung, mit aller Härte gegen die Randalierer vorzugehen, sind die Krawalle in der zehnten Nacht noch stärker geworden. Im ganzen Land gingen laut Polizeiangaben 1295 Fahrzeuge in Flammen auf. Mehr als 300 Unruhestifter - meist Jugendliche bzw. Heranwachsende - wurden festgenommen. Stefan Sellinger, Pfarrer für die deutschsprachige Gemeinde in Paris erzählte im Gespräch mit Radio Vatikan,


"dass offensichtlich gewaltbereite Gruppen, die Situation gerade ausnützen, um ihre Agressionen loszuwerden oder um Ärger zu machen. Es werden bereits die Feuerwehrleute angegriffen, die zum Löschen ausgerückt sind. Oft kommen kleine Gruppen kurz her, zünden was an und verschwinden wieder. "

Nicht nur Autos, auch ein Kindergarten wurde angezündet, eine Grundschule, eine Filiale einer Fastfoodkette. Erstmals war heute Nacht auch das Zentrum von Paris betroffen. Bis jetzt brannte es nur in den Vorstädten, dem sogenannten Banlieue. Städte, die auch sozial Brennpunkte sind - in einem Ausmaß, das für Deutschland unverstellbar ist: Hochhausviertel vom Reisbrett, Menschen aus allen Kontinenten und bis zu 175 verschiedenen Nationen, eine Arbeitslosenrate von 40 Prozent.


"Viele, die dort wohnen, sagen gar nicht, dass sie dort wohnen. Dort leben auch sehr viele, die immigriert sind, oft illegal eingewandert sind. Jeder vierte Jugendliche ist arbeitslos. Ich weiß, dass 'echo catholique', das ist vergleichbar mit unserer deutschen Caritas, dass die sich gemeldet haben, enorm Vorschläge machen und sagen, dass es an der Zeit ist, dass hier endlich mit sozialen Maßnahmen eingegriffen wird."


Auslöser der Krawalle war der Tod zweier Jugendlicher in der Pariser Vorstadt Clichy-sous-Bois am Donnerstag vorvergangener Woche gewesen. Die Jungen aus dem Maghreb hatten sich offenbar vor der Polizei in einem Transformatorenhäuschen versteckt und waren dort durch Stromschläge ums Leben genommen. Innenminister Nicolas Sarkozy hatte unter anderem angekündigt, die Problemviertel mit einem "Hochdruckreiniger" von dem "Gesindel" zu säubern. Eine von vielen Äußerungen,


"die mit Sicherheit nicht sehr glücklich war, das wird ja auch sehr massiv kritisiert. Er hat dadurch etwas losgetreten und diese Lawine, die losgetreten ist, die steckt wahrscheinlich schon länger in den Menschen, und die nutzen die Situation gerade - finde ich - ziemlich aus. Wie man das regulieren kann, das ist sehr schwierig."


Unterdessen haben die französischen Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung in Lourdes ihre tiefe Besorgnis über die Ausschreitungen in den Vororten von Paris und anderen Großstädten

geäußert. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Jean-Pierre Ricard, betonte, man müsse sich fragen, was diese "Spirale der Gewalt" verursacht habe. Repression und kollektive Furcht seien aber keine entsprechende Antwort auf diese "dramatischen gesellschaftlichen Spannungen".


(rv/agenturen 06.11.05 bp)







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