2005-10-23 13:29:18

D: Kardinal Lehmann vertraut der Koalition


Der 16. Bundestag der Bundesrepublik Deutschland hat diese Woche seine Arbeit aufgenommen. Mehr als vier Wochen nach der Bundestagswahl scheint auch endlich klar, wer die künftige Regierung stellt. Traditionelle beginnt die neue Legislaturperiode mit einem ökumenischen Gottesdienst. Den gestalteten EKD-Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber und der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Birgit Pottler hat danach mit ihm gesprochen -über die Große Koaltion, nötige Reformen und das Thema Regierung und Religion:


Es waren erstaunlich viele - einige hundert - Abgeordnete im französischen Dom, viel mehr als die letzten zehn bis 15 Jahre bei vergleichbaren ökumenischen Gottesdiensten. Das ist glaube ich schon auch ein Zeichen dafür, dass unter bestimmten Voraussetzungen Religion, Leben aus dem Glauben, Ethik aus dem Glauben durchaus Chancen hat in unserer Gesellschaft. Es war auch nicht zu übersehen, dass die große Herausforderung durch die heutigen Themen, die eine Regierung umtreiben, doch aus einer größeren Tiefe heraus beantwortet werden müssen als bisher, vieles geht nicht, wenn man sich nur auf der pragmatischen Ebene bewegt. Ich glaube, dass das Bewusstsein gewachsen ist , dass säkulare Normen für eine Bewusstseinsveränderungen alleine nicht ausreichen – man muss teilen, obwohl das weht tut, zum Beispiel, und viele solcher Dinge. Da hat Religion eine neue Chance.


Sie haben zum Gebet aufgerufen gegen Erschlaffung und gegen Ermüdungserscheinungen in der Gesellschaft...


Da steckt dahinter, dass wir vor großen Herausforderungen in den Reformen stehen, vor allem auch die Entwicklung der Bevölkerung: die demographischen Probleme aber auch die Bereitschaft, stärker Eigenverantwortung zu übernehmen, zugleich aber auch den Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, stärker das Bewusstsein geben, sie werden auf keinen Fall fallen gelassen. Das alles kommt ja nicht so richtig vorwärts. Die neue Regierung muss – wenn wir überhaupt mithalten wollen mit der Entwicklung in der Welt – hier einfach passable Lösungen finden, die unsere Nachbarn zum Teil schon gefunden haben.


Es war ja ein schwieriger Weg zu dieser großen Koalition. Welche gemeinsame Sorge kann denn die bisherigen Gegner jetzt einen?


Ich glaube, das Bewusstsein, dass man einige Große Dinge, wie die Reform des Sozialversicherungssystems jetzt in die Hand nehmen muss – was man nicht mit ein paar Stimmen Mehrheit durchsetzen kann, sondern wozu man doch einen großen Schwung braucht und eine überzeugende Mehrheit, das kann schon einigen. Ich bin auch sehr froh, dass, soweit man das bis jetzt sehen kann, die bisher nominierten Frauen und Männer, die die Regierung tragen, zu einem ganz hohen Prozentsatz nüchterne, pragmatische Leute sind, die sich einigen können, und die den Streit nicht ewig ideologisch weiter tragen. Das braucht natürlich nach so einem intensiven Schlagabtausch Zeit. In den nächsten Wochen wird sich das aber denke ich einstellen. Ich trau' der Koalition durchaus was zu.


Unter den Kabinettsmitgliedern sind zum Beispiel Annette Schavan, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, engagierte Katholikin; auch andere engagierte Christen sind dabei. Bauen sie auf eine enge Zusammenarbeit?

Ja, ich glaube, dass sechs bis sieben sich auch in der Öffentlichkeit bekennende Katholiken unter den Ministern sind, in der „Welt“ auf der ersten Seite haben sie ja auch angegeben, was sie jeweils sind. Entsprechend sind es vier oder fünf evangelische Ministerinnen und Minister. Die anderen geben vielleicht ihr Bekenntnis nicht an, weil sie meinen, das sei eine private Angelegenheit. Da wird durchaus vielleicht stärker als bisher auch ein Bekenntnis deutlich, das sich dann auch in konkrete Tat übersetzt.


(rv 23.10.05 bp)







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