Der 16. Bundestag der Bundesrepublik Deutschland hat diese Woche seine Arbeit aufgenommen.
Mehr als vier Wochen nach der Bundestagswahl scheint auch endlich klar, wer die künftige
Regierung stellt. Traditionelle beginnt die neue Legislaturperiode mit einem ökumenischen
Gottesdienst. Den gestalteten EKD-Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber und der
Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Birgit Pottler
hat danach mit ihm gesprochen -über die Große Koaltion, nötige Reformen und das Thema
Regierung und Religion:
Es waren erstaunlich viele - einige hundert - Abgeordnete
im französischen Dom, viel mehr als die letzten zehn bis 15 Jahre bei vergleichbaren
ökumenischen Gottesdiensten. Das ist glaube ich schon auch ein Zeichen dafür, dass
unter bestimmten Voraussetzungen Religion, Leben aus dem Glauben, Ethik aus dem Glauben
durchaus Chancen hat in unserer Gesellschaft. Es war auch nicht zu übersehen, dass
die große Herausforderung durch die heutigen Themen, die eine Regierung umtreiben,
doch aus einer größeren Tiefe heraus beantwortet werden müssen als bisher, vieles
geht nicht, wenn man sich nur auf der pragmatischen Ebene bewegt. Ich glaube, dass
das Bewusstsein gewachsen ist , dass säkulare Normen für eine Bewusstseinsveränderungen
alleine nicht ausreichen – man muss teilen, obwohl das weht tut, zum Beispiel, und
viele solcher Dinge. Da hat Religion eine neue Chance.
Sie haben zum
Gebet aufgerufen gegen Erschlaffung und gegen Ermüdungserscheinungen in der Gesellschaft...
Da
steckt dahinter, dass wir vor großen Herausforderungen in den Reformen stehen, vor
allem auch die Entwicklung der Bevölkerung: die demographischen Probleme aber auch
die Bereitschaft, stärker Eigenverantwortung zu übernehmen, zugleich aber auch den
Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, stärker das Bewusstsein geben, sie werden
auf keinen Fall fallen gelassen. Das alles kommt ja nicht so richtig vorwärts. Die
neue Regierung muss – wenn wir überhaupt mithalten wollen mit der Entwicklung in der
Welt – hier einfach passable Lösungen finden, die unsere Nachbarn zum Teil schon gefunden
haben.
Es war ja ein schwieriger Weg zu dieser großen Koalition. Welche
gemeinsame Sorge kann denn die bisherigen Gegner jetzt einen?
Ich glaube,
das Bewusstsein, dass man einige Große Dinge, wie die Reform des Sozialversicherungssystems
jetzt in die Hand nehmen muss – was man nicht mit ein paar Stimmen Mehrheit durchsetzen
kann, sondern wozu man doch einen großen Schwung braucht und eine überzeugende Mehrheit,
das kann schon einigen. Ich bin auch sehr froh, dass, soweit man das bis jetzt sehen
kann, die bisher nominierten Frauen und Männer, die die Regierung tragen, zu einem
ganz hohen Prozentsatz nüchterne, pragmatische Leute sind, die sich einigen können,
und die den Streit nicht ewig ideologisch weiter tragen. Das braucht natürlich nach
so einem intensiven Schlagabtausch Zeit. In den nächsten Wochen wird sich das aber
denke ich einstellen. Ich trau' der Koalition durchaus was zu.
Unter
den Kabinettsmitgliedern sind zum Beispiel Annette Schavan, Mitglied des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken, engagierte Katholikin; auch andere engagierte Christen sind
dabei. Bauen sie auf eine enge Zusammenarbeit?
Ja, ich glaube, dass sechs
bis sieben sich auch in der Öffentlichkeit bekennende Katholiken unter den Ministern
sind, in der „Welt“ auf der ersten Seite haben sie ja auch angegeben, was sie jeweils
sind. Entsprechend sind es vier oder fünf evangelische Ministerinnen und Minister.
Die anderen geben vielleicht ihr Bekenntnis nicht an, weil sie meinen, das sei eine
private Angelegenheit. Da wird durchaus vielleicht stärker als bisher auch ein Bekenntnis
deutlich, das sich dann auch in konkrete Tat übersetzt.