2005-10-05 12:51:21

Der neue Selige - Clemens August Graf von Galen, der Löwe von Münster


Kardinal Clemens August Graf von Galen wird am 9. Oktober 2005 selig gesprochen. Das hat Papst Benedikt XVI. im vergangenen Juli entschieden. Der 'Löwe von Münster' wird an diesem Tag als einziger in Rom zur Ehre der Altäre erhoben. Das ist ungewöhnlich. Vermutlich hat der Papst gezielt das Datum ausgewählt: die Seligsprechung dieser herausragenden Gestalt erfolgt

nämlich während der Weltbischofssynode in Rom. Bei der Bekanntgabe läuteten als Zeichen der Freude die Glocken des St. Paulus-Domes zu Münster. Ein Höhepunkt, eine Sternstunde für das Bistum Münster, das in diesem Jahr sein 1.200 Jubiläum feiert.


Warum eigentlich 'Löwe von Münster?' Wird da nicht jemand allzu simpel in ein Heldenklischee gepreßt? Wer die Biografie von Galens in ihrer Entwicklung betrachtet, wird die Botschaft seiner Seligsprechung verstehen, die sowohl für die heutige Kirche insgesamt als auch für die Christen in aller Welt zum Modell der Nachfolge werden kann. Diese Botschaft lautet: 'Ein ganz durchschnittlicher Zeitgenosse mit ganz normalen Geistesgaben ist plötzlich über sich hinausgewachsen. Ein adeliger Bischof entwickelt sich zum kritischen Beobachter der Zeit und löst sich aus eingefahrenen Bahnen. Ein durchschnittlicher Kanzelredner wird zum mutigen, feurigen Prediger, dessen Stimme weit über Westfalen, weit über Deutschland hinaus in der

ganzen Welt zu hören war und gehört wurde. Ein Mensch, der noch jede staatliche Gewalt als von Gott kommend verstand, wird zum Widerständler gegen einen Staat, den er als Unrechtsregime erkennt und entlarvt und gegen dessen Morde an unschuldigen Menschen er - oft einsam und allein - öffentlich protestiert. Ein Verteidiger rein kirchlicher Interessen entwickelt sich zum Anwalt der fundamentalen Rechte aller Menschen.' Das war der Löwe von Münster. '



Herkunft
Clemens August Graf von Galen wurde am 16. März 1878 als Spross eines uralten Adelsgeschlechts auf Burg Dinklage im Oldenburger Münsterland geboren. Am Gymnasium 'Antonianum' in Vechta bestand er die Reifeprüfung und studierte in Freiburg in der Schweiz, Innsbruck und Münster Philosophie und Theologie. 1904 empfing er im St. Paulus-Dom zu Münster die Priesterweihe. Anschließend war er Kaplan an St. Matthias sowie Kolping-Kurat an St. Clemens Maria Hofbauer in Berlin, anschließend Pfarrer im Berliner Stadtteil Schöneberg. 1929 berief ihn sein Bischof zurück in sein Heimatbistum als Pfarrer an der Stadtkirche St. Lamberti. Am 5. September 1933 ernannte ihn Papst Pius XI. zum 71. Bischof von Münster.



1933 ein Schicksalsjahr für Deutschland, für Europa, für die Welt. Hitler war an die Macht gekommen. Es ist die herausragende Leistung Clemens August Graf von Galens, relativ schnell das wahre Gesicht des Nationalsozialismus und seine verderbenbringenden Tendenzen für die Kirche und für Deutschland erkannt zu haben und dann immer wieder ohne Rücksicht auf Menschenlob und Menschenfurcht seine Meinung zu verkünden. Ohne Rücksicht auch auf das

eigene Schicksal, denn der Bischof war sich von Anfang an klar darüber, dass er, vor allem nach den großen, berühmt gewordenen Predigten gegen die Euthanasie und gegen die Schließung der Klöster mit Verhaftung und Hinrichtung rechnen mußte. Niemand kann ermessen, welche innere Not er in den Tagen und Nächten vor seinen Bekennerpredigten durchlitt, welche seelischen Belastungen er im Zwiespalt zwischen Patriotismus, Glaubenstreue und Rücksichtsnahme auf die ihm anvertrauten Gläubigen tragen mußte, als er erkannte, dass die NS-Machthaber ihn selbst aus politischen Erwägungen schonten, aber Priester und Ordensleute an seiner Stelle inhaftierten, quälten und ermordeten.


Widerstand



Seine drei großen Predigten hielt er zur Zeit der größten Triumphe des Naziregimes, als es fast ganz Europa erobert hatte und gerade in einem Siegeszug ohnegleichen in die Sowjetunion einmarschiert war. Es wäre jedoch falsch nur diese, schnell in ganz Deutschland un in aller Welt verbreiteten Predigten als Maßstab für das mutige Wirken des Bischofs anzusehen. Bischof Clemens August hat sich, ebenso wie viele andere katholischen Persönlichkeiten keineswegs ausschließlich für die Belange der Kirche eingesetzt, wie heute nicht selten der Kirche vorgeworfen wird, sondern von Anfang an gegen die Verleztung der Menschenrechte und Menschenwürde, ebenso auch gegen die Blut-und Rassentheorie und damit gegen die Judenverfolgung gewandt. Er hat lange darunter gelitten, dass manche Bischöfe nicht so

konsequent wie er öffentlich gegen die Irrlehren der Nazis Stellung bezogen. Der Erfolg seiner Predigten gab ihm recht. Sie hatten eine unvorstellbare Resonanz in weiten Kreisen des In-und Auslands, führten tatsächlich zur Zurücknahme der Euthanasiemaßnahmen und verunsicherten die Nazis dermaßen, dass sie gegen den Bischof nicht einzuschreiten wagten, sondern die

Vernichtung der Kirche auf die Zeit nach dem 'Endsieg' verschoben. Nach dem Kriege sei es ohnehin kinderleicht, den Kirchen das Rückgrat zu brechen und den Bischof von Münster zu beseitigen.
Unter den Reaktionen auf die Predigten verdient der Brief der Dichterin Ricarda Huch besondere Erwähnung, weil sie das Empfinden von Millionen von Menschen ausdrückte: 'Erfahren zu müssen, dass unserem Volk das Rechtsgefühl zu fehlen scheint, war wohl das bitterste, was die letzten Jahre uns gebracht haben. Die dadurch verdüsterte Stimmung erhellte sich, als Sie, hochverehrter Herr Bischof, dem triumphierenden Unrecht sich entgegen stellten und öffentlich

für die Verunrechteten eintraten. Das Bewußtsein, den Forderungen des Gewissens Genüge getan zu haben, ist mehr wert als Beifall der Menschen. Nicht um Sie zu stärken, schreibe ich Ihnen, sondern weil ich annehme, es sei Ihnen erfreulich zu wissen, dass es viele gibt, die sich Ihnen vom Herzen verbunden fühlen. Ich bitte Sie, mich als die Stimme der vielen zu betrachten, die Ihnen ergeben sind'.


Hirtenbrief



Unter aktiver Beteiligung von Galens verabschiedeten die deutschen Bischöfe im September 1943 - vielleicht zu spät - ein aufrüttelndes Hirtenwort, das dem Beispiel des Bischofs von Münster folgte und sich mit aller Schärfe gegen die Rechtsverletzungen gegenüber Menschen jeden Glaubens und jeder Rasse aussprach und auch die Judenverfolgung mit einbezog.



'Keine irdische Macht darf das Leben eines Unschuldigen frevelhaft verletzten und vernichten.....Tötung ist in sich schlecht, auch wenn die angeblich im Interesse des Geimeinwohls verübt würde an schuld- und wehrlosen Geistesschwachen und Geisteskranken, an unheilbar Siechen und tödlich Verlezten, an erblich Belasteten und lebensuntüchtigen Neugeborenen,

an unschuldigen Geiseln und entwaffneten Kriegs-oder Strafgefangenene, an Menschen fremder Rasse und Abstammung.....'



Was wäre geschehen, so muß man heute fragen, wenn ein derartiger Hirtenbrief in den ersten Jahren des Dritten Reiches verkündet worden wäre? Wenn die Bischöfe bereits gegen die Nürnberger Rassengestzgebung des Jahres 1935 gegen die Fiffamierung der Juden, gegen die Schrecken der 'Reichskristallnacht' 1938 aufgetreten wären? Was wäre geschehen, wennn der

Mut des 'Löwen von Münster' den gesamten Episkopat frühzeitig aktiviert und zu schörften Protest geführt hätte? Diese Fragen lassen sich aus der Rückschau auf die damalige Zeit naturgemäß nicht zufriedenstellend beantworten, da auch die Bischöfe zunächst in die Irre geführt wurden, und erst langsam erkannten, welchen Ungeist das Dritte Reich verkörperte.
Kardinal



Papst Pius XII., der wie von Galen die These der deutschen Kollektivschuld ablehnte, verlieh Bischof Clemens August den Kardinalstitel, weil er in ihm das 'andere Deutschland' ehren wollte. Pacelli, dem später ganz zu Unrecht vorgeworfen wurde, er habe 'nichts' zur Rettung der Juden getan, kannte von Galen aus seiner Zeit als Nuntius in Berlin sehr gut. 'Il tedesco', wie Pius XII; bereits als Kardinalstaatssekrtär genannt wurde, hatte den Bischof von Münster im Namen von Pius XI. aus gutem Grund nach Rom rufen lassen, als 1938 das Rundschreiben zur Lage in Deutschland verfasst werden sollte. Bischof von Galen bezweifelte schon damals ob papiererne

Verlautbarungspolitik allein in Berlin etwas bewirken könne. Von Galen sollte - wie in vielem Recht behalten - und ging unbeirrbar seinen Weg. Es war ein Weg, der mit Martyrium und KZ hätte enden können. Von Galen hatte jeden Tag damit gerechnet. 'Eure Treue hat es verhindert' rief er seinen Diözesanen nach der Kardinalsernnneung bei Rückkehr aus Rom am 16. März tief

bewegt zu.



Sechs Tage später war Bischof von Galen tot. Der 'Löwe von Münster' starb am 22. März 1946 an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs. Er war 68 Jahre alt.

Ein Großer seiner Zeit hatte den Nationalsozialisten in Partei und Staat die Stirn geboten. Er war bereit gewesen, sein Lebens aufs Spiel zu setzen für die als richtig erkannten Grundsätze und Werte. Er sprach da, wo andere schwiegen.



Aldo Parmeggiani



















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