Ein vom Vatikan benanntes Komitee hat seine neunmonatige Visite aller Priesterseminare
in den Vereinigten Staaten aufgenommen. Am Montag besuchten die Prüfer mit dem Aquinas
Institute of Theology in St. Louis das erste von 229 Seminaren. Die Visite ist
die Antwort auf eine Serie US-weite Missbrauchsfälle durch katholische Priester, die
vor drei Jahren das Land erschütterte. Untersucht werden sollen unter anderem Anzeichen
für Homosexualität bei den insgesamt 4.500 Priesteramtskandidaten. Dazu werden die
Visitatoren in Einzelgesprächen untersuchen, ob die Seminaristen die Morallehre der
Kirche voll annehmen und ob sie andererseits spirituell und emotional gut auf den
Zölibat vorbereitet werden. Zum Verantwortlichen für die Visite hat der Vatikan
den 66jährigen Erzbischof Edwin F. O`Brien ernannt. Der irischstämmige Kirchenmann,
seinerzeit Militärpfarrer im Vietnamkrieg, gilt als unparteiisch, weil ihm als Militärbischof
kein Priesterseminar untersteht. Das Komitee wird der Bildungskongregation im
nächsten Frühjahr einen Bericht über jedes einzelne Seminar aushändigen. Danach ist
abermals die Zentrale am Zug: Nach eingehender Prüfung der Unterlagen wird der Vatikan
jedem Bischof bzw. Seminarleiter eine Evaluierung schicken. Was mit homosexuellen
Priesteramtskandidaten geschehen soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Allerdings
rechnen Beobachter für die kommenden Wochen mit der Veröffentlichung eines päpstlichen
Dokumentes, das Homosexuellen den Zugang zum Priesteramt verwehren soll. Vom Vatikan
selbst gibt es dafür keinerlei Bestätigung. (cna 29.09.05 gs)