"Papst-Gesandter nennt Armut im reichen Amerika eine Schande." Das war am Sonntag
eine Schlagzeile auf der Internet-Seite des US-Nachrichtensenders CNN. Mit dem Papst-Gesandten
war Erzbischof Paul Josef Cordes gemeint, der Leiter des Päpstlichen Rates "Cor Unum".
Cordes hat im Auftrag Benedikts XVI. den Hurrikan-Opfern an der amerikanischen Golfküste
und in New Orleans Unterstützung zugesagt. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt Cordes:
"Ich bin am 10. September zum Mississippi-Delta aufgebrochen; vier Tage lang habe
ich dann in Baton Rouge, Biloxi und New Orleans die katholischen Gemeinschaften getroffen
und die obdachlos Gewordenen besucht in ihren Massenquartieren. Sowohl auf kirchlicher
als auch auf ziviler Seite gab es immer wieder Dankbarkeit dafür, dass der Papst einen
Vertreter geschickt hatte. Offenbar war der Vatikan sogar der einzige Staat der Welt,
der einen Gesandten in das Katastrophengebiet geschickt hatte."
Welche Kontakte
mit US-Behörden haben Sie gehabt?
"Ich konnte mit der Gouverneurin Blanco von
Louisiana sprechen und in Washington mit dem Vizeadmiral Fed Ellen. Er ist der persönliche
Beauftragte von Präsident George Bush für die Bundeshilfen. Natürlich habe ich auch
mit den amerikanischen Bischöfen der Region gesprochen, und dabei hat mich die ganze
Zeit Kardinal McCarrick begleitet, der Erzbischof von Washington. Ich hatte auch Kontakte
mit der regionalen Caritas. Die US-Caritas hat sechs Millionen Dollar zur Verfügung
gestellt, das Geld kommt zum Teil auch aus Spendensammlungen der Caritas verschiedener
Länder. Mein Besuch hat neue Aufmerksamkeit geweckt, die sich hoffentlich in neue
Spenden umsetzt. Die betroffene Region ist sehr groß, in ihr arbeiten Freiwillige
aus den ganzen USA. Der Wiederaufbau wird sicher Monate und Jahre brauchen. Ich habe
furchtbare Szenen gesehen, aber auch Gesten großer Menschlichkeit."
Und welchen
Eindruck haben Sie mitgenommen, Herr Erzbischof?
"Viele - nicht nur außerhalb
des Landes - sind beeindruckt von der Entdeckung, dass es im reichen Amerika eine
Armut gibt, die in manchen Zügen eine Schande ist. Ich will aber andererseits auch
nicht eine persönliche Sorge verhehlen: dass die Supermacht sich isoliert und auch,
wenn sie jetzt mit der Katastrophe konfrontiert ist, isoliert bleibt. In diesem dramatischen
Moment dürfen die USA nicht alleingelassen werden, das verpflichtet uns. Nicht nur
unsere Gemeinschaft und unsere Kirche mit unserer menschlichen Solidarität - da geht`s
um mehr. Ein hoher Repräsentant hat gesagt, dass die Schwäche der USA angesichts dieser
Katastrophe auch sensibel macht, um jede Idee von Selbstgenügsamkeit zu zerstören.
Da sehe ich in all dem Schlechten dieses Ereignisses auch die Hoffnung für viele Bürger,
zu sehen, dass die Welt größer ist als die USA! In meiner Predigt in der Kathedrale
von Baton Rouge am 11. September, genau vier Jahre nach der Zerstörung des World Trade
Center von New York, habe ich die Katholiken gebeten, über die religiöse Dimension
dieser Ereignisse nachzudenken, auch über die traurigen und katastrophalen. Ich habe
versucht, den vielen Menschen, die zum Teil auch aus New Orleans gekommen waren, zu
erklären, dass die Säkularisierung uns betrügt, indem sie den Glauben - die Tiefe
unseres Glaubens - vom täglichen Leben abtrennt. Aber der Glaube will jeden Moment
erhellen, den wir erleben! Gott begleitet uns immer, auch in den dunkelsten Augenblicken.
Ich habe gesagt: Der Gläubige sollte nie daran zweifeln, dass Gott uns liebt, und
darin Trost finden. Jetzt warte ich darauf, dem Papst zu berichten, was ich gesehen,
gehört und erlebt habe in den USA." (rv 19.09.05 sk)