Vor Willkür bei der Auslegung der Bibel hat Papst Benedikt XVI. heute gewarnt. Die
Bischöfe seien als Nachfolger der Apostel die ersten Zeugen des Wortes Gottes, meinte
er in Castel Gandolfo vor Teilnehmern eines großen Bibelkongresses. "Das ist etwas,
was jeder Christ für sich selbst verwirklichen muß: Nur wer wirklich auf das Wort
Gottes hört, kann es auch verkünden. Er soll ja nicht seine eigene Weisheit verkünden,
sondern die Weisheit Gottes, die oft in den Augen der Welt wie Torheit wirkt. Kirche
und Wort Gottes hängen untrennbar miteinander zusammen. Die Kirche lebt im Wort Gottes,
das Gotteswort ertönt in der Kirche, in ihrer Lehre und ihrem ganzen Leben. Darum
schreibt Petrus, dass kein Prophetenwort privater Deutung unterworfen werden darf. In
diesem Zusammenhang will ich vor allem die antike Tradition der "Lectio Divina" empfehlen:
die genaue Lektüre der Heiligen Schrift, begleitet von Gebet, führt zu jenem intimen
Gespräch, in dem man Gott reden hört und ihm betend antwortet. Wenn diese Praxis weiter
verbreitet wird, wird sie der Kirche einen neuen spirituellen Frühling bringen. Ich
ermuntere also zur Lectio Divina, auch mit neuen, sorgsam geprüften Methoden, die
unserer Zeit entsprechen."
Der Bibel-Kongress feiert den vierzigsten Jahrestag
der Konzils-Konstitution "Dei Verbum" zur Offenbarung. Als Universitätsprofessor in
Tübingen hat Joseph Ratzinger, der heutige Papst, einen wesentlichen Kommentar zu
"Dei Verbum" verfaßt. Gestern hatte der nigerianische Erzbischof John Onayekan auf
dem Bibelkongress gesprochen. Dabei beklagte er, in den meisten Sprachen der Welt
lägen noch keine Bibelübersetzungen vor. Oft seien es die Bischöfe, die Übersetzungen
in lokale Sprachen blockierten, so der Erzbischof von Abuja. Das zeige, dass "Dei
Verbum" und überhaupt das Konzil von der Kirche noch nicht voll angenommen würden. (pm
16.09.05 sk)